Quietschbunt, tiefer gelegt und überdreht: Stephen Sondheims Musical „Company“ feiert eine umjubelte Premiere am Freiburger Theater

Die Bühne: kühl und schwarzweiß. Robert, genannt Bobby, feiert seinen 35. Geburtstag. Eigentlich beginnt Stephen Sondheims Musical „Company“ damit, dass der Langzeit-Single die Nachrichten auf seinem Anrufbeantworter abhört. Am Freiburger Theater treten seine Freundinnen und Freunde aber auf und sprechen ihre Glückwünsche direkt ins Handy. Mit den fünf Paaren und drei Solo-Frauen, aktuelle und frühere Affären Bobbys, kommt Farbe auf die Bühne. Das Überreichen der Geburtstagstorte und Geschenke wird von allen live gefilmt und auf die Leinwand projiziert. Das Publikum erfährt bei der komplexen, dreizehnköpfigen Gästerunde so gleich die Namen der Protagonisten. Ein geschickter Schachzug von Regisseur Joan Anton Rechi. Und auch die quietschbunten Kostüme von Sandra Münchow helfen, die Paare, farblich aufeinander abgestimmt, zuzuordnen.
Mit „Company“ legte Stephen Sondheim im Jahr 1970 ein eher experimentelles Musical vor. Das Ungewöhnlichste: Es gibt keine durchgehende Handlung, nur lose Szenen. Die Chronologie ist aufgehoben, der Beginn mit der Geburtstagsfeier kehrt zweimal wieder. Die Musiknummern sind meist ironische Kommentare von Szenen. Überhaupt durchzieht feine Ironie, die auch mal in bitteren Sarkasmus umschlagen kann, das gesamte Stück. In Sachen Humor greift der Regisseur jedoch nie zum Florett, sondern nimmt gleich den Degen. Das ist zu Beginn problematisch, weil Rechi schon die erste Szene zwischen Sarah und Harry mit Brachialkomik tiefer legt. Jana Horstmann gibt Sarah als kreischende Nervensäge, die nur im hohen Drehzahlbereich spielt. Victor Calero als frustrierter Partner mit Alkoholproblem ist da zumindest eine Spur mehrdimensionaler unterwegs und gefällt auch als Sänger der deutschen Version von „Sorry-Grateful“. Wie überhaupt das Solistenensemble in dem auf Deutsch gespielten (Textfassung: Michael Kunze) und auf Deutsch und Englisch gesungen Musical zu großer Form aufläuft.
Bühnenbildner Sebastian Ellrich hat die Buchstaben von „Company“, Sondheims mehrdeutigem Titel, ins Bild gesetzt. Das kann Firma heißen, aber in diesem Zusammenhang eher Begleitung, Ensemble oder auch Partnerschaft. Um die geht es in fast jedem der Songs – und um New York City (Inga Schäfer als Martha mit der bittersüßen Hommage „Another Hundred People“). Die Buchstaben sind Wohnungen und Rückzugsräume. Sie sind glitzernde Skyline, aber auch Skelette der Einsamkeit. Sie werden ganz variabel eingesetzt und beleuchtet (Licht: Michael Philipp) und schaffen stimmige Verbindungen zwischen den einzelnen Szenen. Nach Textlastigkeit zu Beginn kommt der Abend, je länger er andauert, in eine bessere Balance. Das Philharmonische Orchester Freiburg liefert unter der souveränen Leitung von Johannes Knapp einen perfekten Sound ab, der gekonnt switcht zwischen Hochglanz und rockigeren Tönen. Das Blech scharf und präzise, das Drumset druckvoll, aber nie zu dominant. Und was die Holzbläser und das Klavier mit der rhythmisch komplexen Begleitung machen, die der glatten Oberfläche eine zweite, belebte Schicht zufügt, ist allererste Sahne. Jakob Kunath (Bobby), ausgebildeter Opernsänger, kann Musical, wenn er seine Bruststimme nach oben zieht und auch das große Pathos bedient wie in den schönen Schnulzen „Someone Is Waiting“ oder „Being Alive“ am Ende.
Neben wohl temperierten Szenen wie mit dem perfekten Paar, das sich scheiden lässt (Susan/Alina Kirchgäßner) und Peter (Raban Bieling) oder getanzten Ensembleszenen im Broadwaystyle (Choreographie: Graham Smith) gibt es welche, in denen die Eskalation schon in der Vorlage angelegt ist und die Regisseur Joan Anton Rechi gekonnt zuspitzt. In „Getting Married Today“ trifft schöner Musicalschmalz (Mingyue Ahn als Pau) auf einen abwitzig schnell gesungenen Kommentar, den Lila Chrisp (Amy) schön dreckig singt. Mit den rosa, männlichen und weiblichen Brautjungern als Backgroundchor (samt Natasha Sallès/Martha als üppig vibrierender Vorsängerin) greift Rechi wieder in die Vollen, aber die Szene verträgt das. Und Lila Chrisp schafft am Ende sogar das Umkippen von Komik in Tragik. Am Ende ist Bobby wieder allein auf der Bühne und bläst die Geburtskerzen aus. Zeit für Melancholie bleibt nicht. Denn die Partygemeinde kehrt nach dem Schlussapplaus zurück und feiert sich nochmals im Chor.

Nächste Vorstellungen: 1./10. Feb., 1./2./8. März, 14./17./28. April 2024. Tickets: theater.freiburg.de/de_DE/home

Bildquellen

  • Das Ensemble: Fotos: Britt Schilling