Punkige Krähen und hinreißende Wildgänse: Die Breisacher Festspiele zeigen das Kinderstück „Nils Holgersson“

Verbeulte Milchkannen, ein falunroter (sehr wandelbarer) Holztisch vor luftig gestreiftem Hintergrund, der an einen lasierten Parkettboden und Flickenteppiche erinnert – die große Openair-Bühne bei den Breisacher Festspielen präsentiert sich im Schweden-Bauernhof-Style. Und da hopst er auch schon über die Szene: Michel aus Lönneberga – ach nein, Nils Holgersson (sehr souverän und lebendig: Oscar Bischoff). Ein Schlawiner ist er, frech und faul, mit nichts als Unsinn im Kopf, so ärgert er Mensch und Tier. Eben hat er auf sein Lieblingskalb „Unferkeuflich“ mit blauer Farbe gepinselt, nun kann es der Vater nicht mit zum Markt nehmen. „Eine ordentliche Tracht Prügel“ hat er – und überhaupt kein Kind – trotzdem nicht verdient, da sind sich die Eltern (Jörg Thiedig, Constanze Schweizer) einig. Eine Strafe bekommt der übermütige Lausbub: Als er einen Kobold fängt, schrumpft der ihn mit „Eins, zwei, drei Zauberei“ zum Winzling, der mit den Tieren sprechen kann.
Eigentlich schrieb Selma Lagerlöf ihren Kinderroman „Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen“ 1906 als Schul-Lektüre in Sachen Landeskunde und baute rund fünfzig Orte und Sehenswürdigkeiten in ihre Reise- und Entwicklungsgeschichte. Die war sofort ein großer Erfolg, heute gibt es eine Oper und ungezählte Zeichentrick-Adaptionen. Für die Bühne ist dieses Stationen-Abenteuer eine Herausforderung – und die zeigt sich dann auch in der Bühnenfassung von Regisseur Peter W. Hermanns beim diesjährigen Kinderstück auf dem Breisacher Schlossberg: Viele Episoden, wenig Spannungsbogen und eine Story, die über neunzig Minuten zwar kurzweilig, aber als Theaterstoff auch mager bleibt.
Dafür gibt es viele, viele sprechende Tiere in tollen Kostümen und Masken (Peter W. Hermanns): Hühner im Tütü, eine Schwanenfamilie in weißen Rüschen mit Sonnenschirmchen, Ratten mit rosa Gummihandschuhen, Katze und Hund, Eichhörnchen, Elster, ein Diva-Uhu und Speedy-Schnecke. Und dann natürlich in den Hauptrollen die Meute punkiger Krähen, der Fuchs Smirre (ausdrucksstark: Yara Kienzler) und die hinreißenden Wildgänse – ein Haufen resoluter Tanten mit dicken Popos, Fliegerbrillen und bunten Winz-Rucksäckchen. Mit denen will Hausgänserich Martin (Emil Gerlach) unbedingt nach Lappland fliegen – und Däumling Nils ist mit dabei! Flugszenen gibt es per Figurenspiel: Als Marionetten an langen Stöcken und Schnüren schwebt der Wildgansschwarm mit dem winzigen Nils über die Kulissse, was sie sagen, ist leider schlecht, weil aus dem Off nur dumpf zu verstehen.
Es ist eine wild-witzige Ausstattungsparty, bei der es viel zu gucken gibt. Zumal das vielköpfige Generationen-Laienensemble wieder zu Hochtouren aufläuft und tierspezifische Körpersprache, viel Witz und Dynamik zeigt. Schlag auf Schlag gibt es kleine Abenteuer, bei denen sich Nils als mutiger und pfiffiger Held beweist: So rettet er Schwanenkind und Eichhörnchen-Mama, nimmt es mehrfach mit dem gefährlichen Fuchs und den Krähen auf, befreit einen Adler, geht mehrmals fast verloren und wird wiedergefunden. Retter, Rattenbezwinger, Teufelskerl – und für Martin und die Wildgänse ein guter Freund. Kräftig umgeschrieben, ist vorallem das Happy End fröhlich mit Rückverwandlung und Heimkehr. Ein Kinderstück, das auf stimmungsvoller Freiluftbühne prima funktioniert.

Weitere Vorstellungen: 9./16./23. Juli, 20./27. August, 3./10. September, je 15 Uhr. Abendvorstellung am 25. August, 19 Uhr. Karten: www.festspiele-breisach.de

Bildquellen

  • Wildgänse und Schwäne treffen aufeinander: Foto: Festspiele Breisach