Öffnung der Räume, Dialoge mit Skulpturen (Erste Biennale für Freiburg)

Die Sommerwärme treibt die Menschen auf die Straßen und macht neugieriger auf die Umgebung und Alltagswelt. Passend für die erste Biennale Freiburg mit ihren ungewöhnlichen Kunstinitiativen im ganzen Stadtraum. Freiburg wird bis Oktober zum Experimentierfeld und Diskussionsgegenstand verschiedener Künstler*innen und ihrer Projekte. Und auch die Bewohner*innen sind eingeladen mitzuwirken. Im Juli ergeben sich dafür zwei besondere Gelegenheiten: Ein internationales Symposion zwischen Kunst und Theorie und die „Bust Talk“-Performance Thomas Geigers.

Ein Symposion mit Appellcharakter Foto: Biennale für Freiburg

Ein Symposion
„A Commonplace Is Not A Cliché. Perspektiven auf Öffentlichkeiten, asynchrone Allgemeinplätze und Infrastrukturelle Intimitäten“ ist der Titel des Symposions der Biennale, das nicht nur weitgreifende, sondern auch international gültige Fragen stellt. So sind es auch Künstler*innen und Theoretiker*innen aus den Niederlanden, der Schweiz, Österreich und Deutschland, die das Verhältnis von Kunst, Öffentlichkeit und Politik diskutieren. Frei nach dem Prinzip der Biennale: Raus aus den Studios und in die Umgebung. Einen historischen Anknüpfungspunkt bietet dabei die 1968er-Bewegung mit ihren Bestrebungen, gesellschaftliche Debatten in die Öffentlichkeit zu tragen. Diese Bestrebungen waren gegen ein „Establishment“ gerichtet und durch radikaldemokratische Theorien, konsensorientierte Konzepte von Öffentlichkeit sowie künstlerischen Aktivismus geprägt. Leitend erscheint dem Symposion dafür das Zitat der französischen Philosophin Barbara Cassin: „A commonplace is not a cliché, it is a bank, a stock, a tank of available arguments and a place in which to seek, find and invent arguments.“ Austausch und Konfrontation prägen schließlich auch das Symposion, das sich entsprechend leichtfüßig auf jene Phrase „Best Friends Forever“ bezieht, die das Akronym BFF/BfF mit der Biennale für Freiburg teilt. Infrastrukturelle Intimität bleibt ein Gegenstand, dem sich das Symposion kritisch wie sensibel annähern möchte.
Ergänzt wird der theoretische Teil des Symposions von der Filminstallation des Künstlers Michel Auder zu den Erinnerungen von Pariser*innen – zufälligen Passant*innen wie auch Freund*innen des Künstlers – an die Studierendenaufstände vom Mai 1968. Mit einem Abstand von zehn Jahren, 1978 also, führte Michel Auder Straßeninterviews und hält so Erinnerungen verschiedener Art fest. Das Video wird zusammen mit einer Installation des amerikanischen Bildhauers Michael Stickrod gezeigt. Michael Stickrod ist wiederum Inspiration für vier lokale Künstler*innen, die dessen Arbeitsweise und Ideen aufgreifen, aber eigene Skulpturen daraus kreieren. Beim Symposion wird ein Teil dieser transatlantischen Kollaboration gezeigt. Die vollständige Installation ist im September als Teil des Ausstellungsparcours der Biennale zu sehen. Vervollständigt wird die ästhetische Initiative zum Symposion durch eine Szenografie von Diane Hillebrand. Eine offene Struktur aus Stühlen, Tischen und Vorhangelementen stellt eine Studiosituation im öffentlichen Raum her und macht sich so selbst zum Gegenstand der Diskussion.
Das Symposion, das in Kooperation mit der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe konzipiert wurde, findet am 10. Juli, ab 10.30 Uhr open-air im Innenhof des Basler Hofs (Kaiser-Joseph-Straße 167) statt. Das detaillierte Programm wird in Kürze auf der Website der Biennale bekannt gegeben. Voraus gehen dem drei Workshops am 9. Juli, die den Zuschnitt des Symposions um praktische künstlerische, kuratorische und feministische Perspektiven ergänzen. Konzipiert für Studierende verschiedener Hochschulen, entstehen so selbstständige, gemeinsame Begegnungs- und Experimentalräume.

Ein Skulpturengespräch
„Büsten und Masken sind nicht nur kalte und seelenlose Objekte, sondern potenzielle Gesprächspartner*innen, deren Erfahrungen und Ansichten neue Wirkung in der Gegenwart entfalten können. In einer Unterhaltung zwischen der Büste und mir hat das Publikum die Möglichkeit, Zeuge einer seltenen Gesprächssituation zu werden.“ Performance-Künstler Thomas Geiger lädt zum „Bust-Talk“ mit der Büste Illumina ein. Eine Büste im Stadtgarten, die vom Bildhauer Till Peter Otto geschaffen und von einer unbekannten Person enthauptet wurde. Präzis und intim richtet Thomas Geiger seine Fragen an die Kopflose: „Wer ist diese Illumina? Wer hat ihren Kopf gestohlen? Wie ist es ohne Kopf zu sein? Was hat dieses Vergehen bei Ihr ausgelöst? Wie blickt sie seitdem auf die Menschen? Was hat sie zu den zahlreichen Statuen zu sagen, die im vergangenen Jahr bei Protesten zu Fall gebracht wurden? Und was ist ihre Position zu den aktuellen Debatten um Skulpturen und Monumente in Freiburg?“ Zusammen mit einer Gruppe von fünf Freiburger*innen entwickelt der Künstler ein Gespräch, das am 23./24. Juli, 17 Uhr im Stadtgarten öffentlich zu sehen und zu hören sein wird.
Politisch aufgeladen ist der „Bust Talk“ dabei von Beginn an: Für den Kopf der Statue stand damals eine anonyme Freiburgerin mit äthiopischer Herkunft Portrait. Nach Auskunft Till Peter Ottos sollte sie die Diversität der Stadtgesellschaft abbilden. Nun fehlt die Abbildung und die Leerstelle soll diskursiv gefüllt werden. Als Kooperationspartner*innen hat Thomas Geiger folgende Personen für seine Performance eingeladen: Sévérine Kpoti („Here and Black“), Birgit Heidtke („Feministische Geschichtswerkstatt“), Dieter Roeschmann („Komission Kunst im öffentlichen Raum“) und Oliver Matthes („FREIeBÜRGER“). Während der etwa 30-minütigen Performance wird auch die Statue ihre Ansichten mit dem Publikum teilen und so Fragen nach (Un-)sichtbarkeiten, Körperlichkeit und Öffentlichkeit im Allgemeinen verhandeln – Themen, die die Biennale im Juli und noch darüber hinaus beschäftigen wird.

Weitere Informationen auf der Website der Biennale für Freiburg und in den kommenden Ausgaben des Kultur Joker. www.biennalefuerfreiburg.de
Anmeldung für die Veranstaltungen unter: anmeldung@biennalefuerfreiburg.de

Bildquellen

  • Ein Symposion mit Appellcharakter: Foto: Biennale für Freiburg
  • Till Peter Ottos „Illumina“ (2001) lädt zum „Bust-Talk“: Foto: Thomas Geiger