Mehr als eine Muse: Die Kunsthalle Messmer in Riegel zeigt die Ausstellung „Drei starke Frauen“
Die Muse Picassos, die Frau Jean Tinguelys – Frauen, deren Lebenswege den berühmter Künstler kreuzen, können jenen Namen nur selten abschütteln. Aus dem Individuum wird das weibliche Daneben, eine Frau, die einen Mann kannte. Die Kunsthalle Messmer durchbricht dieses Schema und widmet in „Drei starke Frauen“ den Künstlerinnen Niki de Saint Phalle, Sylvette David und Elvira Bach eine Ausstellung.
Starke Frauen ebnen den Weg. Das ist wörtlich zu nehmen, denn wer den lohnenswerten Besuch in die Kunsthalle Messmer antritt, wird von starken Frauen im Park begrüßt. Die lebensgroßen, mit ihren bunten Haaren, grellen Lidschatten und bunt bemalten Lippen beinahe surreal wirkenden Figuren Elvira Bachs locken in die Kunsthalle. „Alle Macht den Nanas“ heißt es im ersten Teil der Schau, die sich dem Werk und Leben von Niki de Saint Phalle widmet. Schnell wird klar: Hinter ihrer Kunst verbergen sich mehr Facetten, als es die knallbunten Farben der Nanas vermuten lassen. Als 11-Jährige wurde Niki von ihrem Vater sexuell missbraucht. Ihre Mutter sollte schweigen. Sie heiratete mit nur 18 Jahren, bekam zwei Kinder und erlitt schließlich einen Nervenzusammenbruch – der, wenn man so möchte, den Beginn ihres künstlerischen Erwachens markiert. 1961 machten sie ihre „Schießbilder“ über Nacht berühmt, darunter auch „La Mort du Patriarche“ (1962). Mit einem Gewehr schießt Niki auf gipsüberzogene Reliefs, eigenwillig verformte Körper, die keinerlei Gefälligkeit bieten – die darin verborgenen Farbbeutel spritzen mit jedem Schuss auf, einer Wunde ähnelnd, aus der das Blut quillt. Ein gewaltvoller, wenngleich auch befreiender Akt in einer Zeit der Gewalt: Vietnamkrieg, Kalter Krieg, Indochina-Krieg, der Kampf der Frauen, ihr eigener Kampf. „1961 schoss ich auf Daddy, alle Männer, kleine Männer, große Männer, wichtige Männer, dicke Männer, Männer […].“ Später sollte sie in einem Brief an Tinguely, anlässlich eines RAF-Fahndungsplakates, auf diese Zeit zurückblicken und die Kunst als Ventil ihrer Wut beschreiben. Die Kunst habe sie von extremeren Taten abgehalten. 1965 stellt sie in Paris ihre erste Nana-Serie vor – inspiriert von ihrer damals schwangeren Freundin, zelebrieren die Nanas bis heute unendliche Weiblichkeit – in der Kunsthalle Messmer sind einige ausgestellt, daneben aber auch das „Kalifornische Tagebuch. 1993/1994“ mit Werken wie „Black is different“, das den amerikanischen Rassismus thematisiert, „The Goddess of Liberty“, in dem Marlene Dietrichs Gesicht mit dem der Freiheitsstatue verschmilzt, oder „Dear Diary“, das wie eine künstlerische Therapiesitzung wirkt: „I always choose men who would betray me like my father“, schreibt sie dort. Das Thema Liebe schwingt auch durch den letzten Raum, den die Kunsthalle Messmer Niki widmet. Zu sehen sind piktografische Briefe, Serigrafien von 1968 bis 1970: why don‘t you love me?, my love why did you go away?, my love where shall we meet again, remember? und mündet schließlich in ihrer Beziehung zu Jean Tinguely. Ihre Werke stehen sich gegenüber und machen den Einfluss Nikis auf Tinguely sichtbar.
Im nächsten Abschnitt beginnt das Werk von Sylvette David, die sich später Lydia Corbett nannte und deren Selbstportraits in die Welt einer Frau einladen, die mehr als nur die Muse Picassos war. Ihr spielerischer Umgang mit Formen und Farben, der sich auch in den ausgestellten Keramiken widerspiegelt, zeugt von einem tiefen Verständnis der Pinselführung, die ihren Selbstportraits eine ungeheure Tiefe verleihen und den Betrachtenden sofort in die Welt der Künstlerin ziehen. Es scheint beinahe so, als würde sie einen Dialog weiterführen – mit sich, den Betrachtenden, einer Katze oder vielleicht Picasso? Wer weiß.
„Diven, Grazien, Vamps“ läutet die ausdrucksstarken und wandgroßen Werke von Elvira Bach ein. Hier entstehen Kontraste, die der Ausstellung guttun: starke, großformatige Werke, Frauen, die trinken und rauchen, in engen Kleidern und mit ernstem Blick, die sexy und verrucht, stark und unabhängig wirken. In ihrem Werk tritt der Mann in den Hintergrund, wenn er denn überhaupt auftaucht. Bachs Werk verleiht der Ausstellung eine neue Qualität, der gelungene Abschluss dreier Frauen, deren Werk unabhängig des männlichen Blickes existieren kann und darf.
Drei starke Frauen. Kunsthalle Messmer, Großherzog-Leopold-Platz 1, Riegel. Bis 24.11.24
Bildquellen
- Niki de Saint Phalle: „Nana, L‘ange Vase“, 1993: Foto: Frank Rapp
- Lydia Corbett/Sylvette David: „Rotterdam Sylvette and the Cat“: © Lydia Corbet/Kunsthalle Messmer
- Elvira Bach: „I‘m first“, 2010: Foto: Elisabeth Jockers