Magritte-Ausstellung in der Frankfurter Kunsthalle Schirn

Rätselhafte Bildkompositionen

Wirklichkeit, Wahrheit, Illusion? Das beschäftigte den Maler René Magritte (1898–1967), der sich zuvörderst als denkender Mensch verstand. Die Kunsthalle Schirn widmet ihm derzeit eine konzentrierte Einzelausstellung, die rund 70 Leihgaben aus aller Welt vereint und in fünf Kapiteln seine konzeptuelle Auseinandersetzung mit der Beziehung von Bild und Sprache, Philosophie und Malerei erhellt.

Zu sehen sind rätselhafte Bildkompositionen der 1920er- bis 1960er-Jahre, darunter das ironische Selbstportrait La Lampe philosophique (1936) sowie das Gemälde Variante der Traurigkeit (1957), das wie auf einer Theaterbühne die alte Frage inszeniert, ob zuerst die Henne oder das Ei war, die sinnliche Wahrnehmung oder die Idee.

Von Platon bis Hegel haben Philosophen die Malerei als Verwirrung der Sinne verdächtigt und die Wortkunst zum vollkommenen Mittler des Geistes erklärt. Infolgedessen kursierte seit dem 19. Jahrhundert die diffamierende Floskel „dumm wie ein Maler“, auch unter französischen Surrealisten; damit wollte Magritte sich nicht abfinden und verpasste dem Surrealismus in Belgien eine spezifische Ausprägung, indem er nicht auf Traum und Unbewusstes setzte, sondern bewusst auf den geistigen Wert der Kunst; so seziert er in jedem Gemälde ein „Problem“, macht etwas nicht Sichtbares anschaulich.

Dazu erfand er ein visuelles Vokabular, das u.a. Pfeife, Apfel, Hut, Kerze, Vorhang, Staffelei, Flamme oder Schatten umfasste und kombinierbar ist; in zwei Gemälden mit dem Titel La Condition Humaine befasst er sich zum Einen mit Platons „Höhlengleichnis“, zum Anderen mit dem Thema Fenster, mit den räumlichen Gegensätzen von Innen und Außen, Davor und Dahinter, die hier mittels Pinsel und Farbe verfremdet werden. Stets geht es dabei um die begrenzte menschliche Sinneswahrnehmung und die Bedeutung der Vorstellungskraft.

1927 siedelt Magritte von Brüssel nach Paris um und beginnt Wort-Bilder zu schaffen, von denen in Frankfurt eines aus der Serie „This is not a pipe“ zu sehen ist. In Magritte-typisch akkurater Malweise zeigt es eine Pfeife, unter der geschrieben steht „Das ist keine Pfeife“. Zwar täuschend echt gemalt, ist das Abbild eben keine wirkliche Pfeife; vielmehr nehmen Bild und Wort nur Bezug auf Gegenstände, Lebewesen und Tatsachen. Um das Beziehungsgeflecht zwischen Objekt, Bezeichnung und Repräsentation geht es des Weiteren in dem Text „Die Wörter und die Bilder“ (1929), der in 18 humorvollen Thesen erläutert, dass sprachliche Zeichen auf kultureller Übereinkunft basieren und insofern „willkürlichen Charakter“ haben.

Immer wieder setzte Magritte sich in seinen Gemälden auch mit der antiken Fabel auseinander, die vom Wettstreit zwischen Zeuxis und Parrhasios um die perfekte Mimesis in der Malerei erzählt; die „Trauben des Zeuxis“ waren so gut gemalt, dass die Vögel herbeiflogen, doch der kunstfertig gemalte Vorhang des Parrhasios täuschte gar den Zeuxis selbst. Diese Motive kehren in Magrittes Gemälden, die mit ihrem trompe-l’oeil-artigen, illusionistischen Stil über Schönheit und künstlerisches Schaffen nachdenken, immer wieder.

Ab den 1950er-Jahren suchte er zunehmend Kontakt zu zeitgenössischen Philosophen; Michel Foucault war der erste, der ihm Verständnis entgegenbrachte und ihm posthum die Schrift „Ceci n’est pas une pipe“ (1973) widmete, die darlegt, wie Magritte den Rezipienten zum Nachdenken über die „Wirklichkeit“ eines Gegenstandes zu bringen vermag. Zur Ausstellung, die in Kooperation mit dem Centre Pompidou Paris organisiert wurde, ist ein Katalog erschienen (Magritte. Der Verrat der Bilder. Didier Ottinger (Hg.). Prestel Verlag. München 2017).

„Magritte. Der Verrat der Bilder“. Schirn Kunsthalle Frankfurt. Di, Fr-So 10-19, Mi, Do 10-22 Uhr. www.schirn.de. Bis 5. Juni 2017

Cornelia Frenkel