Berliner Philharmoniker: 5 Jahre Osterfestspiele in Baden-Baden

„Es ist gut, manches Mal in den Süden zu kommen“

Seit 5 Jahren gastieren die Osterfestspiele der Berliner Philharmoniker im Baden-Badener Festspielhaus. Ausgerechnet in der Stadt mit der hächsten Millionärsdichte Deutschlands sind die Spiele jünger, offener und zugänglicher geworden.

Foto des Dirigenten der Berliner Philharmoniker Sir Simon Rattle
Dirigent Sir Simon Rattle (© Stefan Rabold)

Der Weg zum Konzert führt vorbei an Roulette-Tischen und chinesischen Vasen. Um 11 Uhr morgens liegt das Spielcasino Baden-Baden eigentlich im Schönheitsschlaf. An diesem Vormittag  hört man im 1852 gebauten, prächtigen Florentiner-Saal erwartungsfrohes Gemurmel. Die Sakko-Pflicht des Casinos ist aufgehoben.

Zwischen Kronleuchtern und Skulpturen, zwischen Gold und rotem Samt entführen Jelka Weber (Flöte), Andreas Buschatz (Violine), Dietmar Schwalke (Violoncello), Beni Araki (Cembalo/Hammerflügel) und der Sprecher Stefan Kaminski in das Leben von Carl Philipp Emanuel Bach. Kein einziges Husten stört das 80-minütige Konzert. Die Zuhörer lauschen hochkonzentriert den seelenvollen Tönen und spannenden, auch höchst amüsant autobiographischen Texten. Und unterhalten sich nach dem umjubelten Konzert mit den Musikern, schauen sich die Noten genau an und werfen einen neugierigen Blick ins Innere des Hammerflügels.

„Nirgendwo kommt man den Berliner Philharmonikern so nah wie bei den Osterfestspielen Baden-Baden in den kleineren Sälen der Stadt“, sagt Andreas Mölich-Zebhauser. Der Intendant des Festspielhauses Baden-Baden blickt zufrieden und mit einer gewissen Genugtuung auf das 5-jährige Jubiläum der Osterfestspiele Baden-Baden. „Wir wussten damals, dass wir etwas zu bieten haben. Das Haus klingt hervorragend und die Stadt ist wunderschön. Ihre Bewohner waren neugierig, das beste Orchester der Welt kennenzulernen. Andererseits wollten wir dem Orchester auch helfen, weil sie in Salzburg Schwierigkeiten hatten. Weggelockt habe ich sie nicht“, sagt der noch bis Juni 2019 amtierende Intendant. Mölich-Zebhausers Nachfolger steht mit Benedikt Stampa vom Konzerthaus Dortmund bereits fest.

Für Chefdirigent Simon Rattle „ist es gut, manches Mal in den Süden zu kommen. Da erkennt man auch, welch anderes Deutschland hier zu erleben ist. Die Menschen sind freundlich, sie haben Zeit. Jeder fühlt sich hier gleich entspannt. Wir erfüllen Baden-Baden zwei Wochen mit Musik: Das ist ein echtes Vergnügen.“

Das Festival hat sich in der beschaulichen Kurstadt mit ihren 53.000 Einwohnern sehr verändert. Ausgerechnet hier in der Stadt mit der höchsten Millionärsdichte Deutschlands sind die Osterfestspiele jünger, offener, zugänglicher geworden. Das junge Ticket für 10 Euro (bis 26 Jahre) gibt es mit begrenztem Kontingent auch für die großen Orchesterkonzerte und Opernvorstellungen. Die Kinder-und Familienkonzerte, das kostenlose Eröffnungsfest, die Kinderoper (im kommenden Jahr gibt es einen „Ritter Parsifal“) und die Kammeroper, die von Mitgliedern der „Stiftung Musiktheater heute“, den Akademisten und Gesangsstudenten baden-württembergischer Musikhochschulen während der Osterfestspiele auf die Bühne des Theaters Baden-Baden gebracht wird, werden stark nachgefragt.

Auch wirtschaftlich läuft es gut bei den ohne Subventionen auskommenden Festspielen. Die 30 Konzerte und Opernvorstellungen hatten 2017 rund 25 000 Zuschauer aus 30 Ländern – dabei sind die zahlreichen anderen Veranstaltungen wie Kofferkonzerte in Kindergärten und einem Flüchtlingsheim oder Talkrunden nicht eingerechnet. Die Auslastung liegt bei 93 Prozent.  Den neuen Geist dieser Festspiele erlebt man aber vor allem in den vielen kleineren Veranstaltungen wie beim „Junge-Meister“-Konzert der Orchester-Akademie im benachbarten Bühl. Nur 70 Zuhörer haben sich in den großen Saal des Bürgerhauses verirrt. Dirigent Stanley Dodds erklärt charmant und kompetent das anspruchsvolle Programm von Johann Sebastian Bach bis Anton Webern. Nach der fulminanten Interpretation von John Adams‘ Chamber Symphony gibt es Bravo-Rufe und stehende Ovationen. Im nächsten Jahr bekommen die Bühler eine zweite Chance, die Berliner Philharmoniker zu hören. Das Konzert ist jetzt schon ausverkauft.

Georg Rudiger

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