Lydia Bunk zeichnet in ihrer Hedda Gabler-Inszenierungen am Theater Freiburg eine schillernde Frauenfigur

Das Zimmer gleicht einer Galerie. Inmitten des Raumes ein Sofa wie man es in einem Museum finden könnte: oval, so dass die Besucher Rücken an Rücken von allen Seiten die Bilder in Augenschein nehmen könnten und in der Mitte ist Platz für ein riesiges Blumenbouquet. Nur, hier gibt es lediglich ein Motiv vor sattblauem Vorhang: Hedda Gabler (Janna Horstmann), jetzt Tesman, in den unterschiedlichsten Posen, mal hoch auf dem Ross, mal eher privat. Und dann sind da noch zwei Vitrinen im abgedunkelten Raum, in denen Roben Hedda Gablers präsentiert werden als handelte es sich um Museumsstücke. Jörgen Tesman (Victor Calero) muss seiner Frau sichtlich etwas bieten. Das jung verheiratete Paar ist gerade von seiner Hochzeitsreise zurückgekehrt. Später wird sie sich über ihren Gatten beschweren, weil er auf der Reise dem Archivstudium mehr Zeit widmete als ihr.
Die frisch geschlossene Ehe basiert eher auf Kredit als auf Illusionen, und dies gleich in doppelter Hinsicht. Der Privatdozent spekuliert auf eine Professur, die prächtige Villa ist auf Pump gekauft, Hedda wiederum spekuliert darauf, dass Jörgen ihren Jugendfreund Eilert Løvborg karrieremäßig in den Schatten stellen wird. Damit nicht genug, befindet sich mit einem imposanten Waffenschrank links, an dem eine Art Bibliotheksleiter lehnt, ein weißer Elefant im Raum. Wo Waffen sind, werden sie auch benutzt werden (Bühne: Bettina Meyer).
In Lydia Bunks Inszenierung am Theater Freiburg, die bislang lediglich als Livestream zu sehen war, ist Hedda Gabler (Janna Horstmann) Projektionsfigur für das ganze 19. Jahrhundert-Spektrum von Weiblichkeit. Wie überhaupt diese „Hedda Gabler“ den Zeitgeist Ibsens als historisch gegeben annimmt. Und doch streut Bunk Rätsel ein, ist das Mädchen in unschuldiger Rüschenseligkeit das Kind Hedda oder ihr eigenes, das sie nicht bekommen wird? Wird es am Ende die Ordnung wieder herstellen, wenn es sagt: „ so etwas tut man doch nicht“? Doch was tut man nicht? Die Mitmenschen als Figuren in einem Spiel anzusehen, das man bis zum Äußersten treibt, einen Mann heiraten, den man nicht liebt, während Heddas eigentliche Liebe zu Løvborg nur in einer Art Glashaus oder Vitrine gedeihen kann? Bianca Deigner jedenfalls hat Hedda Gabler Kostüme auf den Leib geschneidert, die ihre Vorbilder in der Malerei, aber auch im frühen Film haben. Das eng anliegende lange Kleid, das kleine Strudel auf ihren Körper zeichnet, ist das einer Femme fatale und könnte von einem Klimt-Gemälde stammen, doch in schwarzem Gehrock und mit Zylinder wirkt sie wie ein Alter Ego von Marlene Dietrich. Einmal steht sie hinter ihrem Mann und dem um sie herum scharwenzelnden Assessor Brack (Holger Kunkel) und führt sie wie zwei Marionetten. Sie sacken zusammen, Hedda Gabler schnippt mit den Fingern und sie heben mechanisch die Glieder. Jana Horstmann vervielfältigt diese Projektionen und spielt sich so selbst als Projektion.
Von Freiheit, sei es innere Unabhängigkeit, sei es Gestaltungsspielraum, ist in Henrik Ibsens Dramen ja oft wenig zu spüren, zu deterministisch ist das naturalistische Weltbild. Tesman hüpft in Hausschuhen durch sein neues Leben, man ahnt hier schon den zukünftigen Bettvorleger und Ejlert Løvborg (Martin Hohner) gibt mit halblangen Locken und unkonventioneller Kleidung das romantische (und gefährdete) Originalgenie. Doch die Bedrohung ist nah und sie ist nicht minder zeittypisch wie das Frauenbild. Løvborgs Genie ist mehr dionysischer Art, nur weniger pittoresk, auf die denkbar erbärmlichste Art ist er dem Alkohol ergeben. Nun ist er clean, dank seiner biederen Muse Frau Elversted (Stefanie Mrachacz) im naiven gelben Volantkleid und hat ein Werk hervorgebracht, das Tesman in den Schatten stellen wird. Dass Frau Elversted den Mann, den sie liebt nicht allein ihrer Rivalin, sondern auch gleich dem Verderben ausliefert, ahnt sie nicht.
Und da schon alles derart schicksalshaft und bereits entschieden ist, hat es bei Ibsen auch kaum Platz für Ironie. Wobei das Ende Løvborgs so wenig mit Nietzsches apollinisch-dionysischem Gedankengebäude zu tun hat, dass es schon wieder von sehr böser Ironie ist. Diese Vorbestimmtheit markiert auch eine Grenze in Lydia Bunks sehenswerter Inszenierung, die nicht hinterfragt wird.

Wird im Juli wiederaufgenommen.
Weitere Infos: www.theater.freiburg.de

Bildquellen

  • Janna Horstmann spielt die Hedda Gabler: Foto: Britt Schilling