Laufen bald wieder Mammuts über unsere Erde? Wie Gentechnik schon heute unseren Alltag begleitet
Mit schweren Schritten bahnt sich ein wolliges Mammut seinen Weg durch die weiten Ebenen der Tundra als sei es nie verschwunden gewesen. Der Atem des Urzeitwesens dampft in der eisigen Luft, während es Gras unter seinen mächtigen Füßen zerdrückt. Dieses Bild könnte bald Realität werden, denn Forschende arbeiten daran, das Mammut mithilfe modernster Gentechnik wieder zum Leben zu erwecken. Doch nicht nur in eisigen Landschaften hinterlässt die Gentechnik ihre Spuren. Still und oft unbemerkt hat sie sich längst in unseren Alltag geschlichen.
Gentechnik im Alltag
Dass Gentechnik nicht nur Utopie oder Science-Fiction ist, zeigt der Blick in die Supermarktregale. Der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde schätzt, dass 60 bis 80 Prozent aller Lebensmittel während des Produktionszyklus mit Gentechnik in Kontakt gekommen sind. Obwohl Lebensmittel oder Zutaten, die gentechnisch veränderte Organismen (GVO) sind oder daraus hervorgehen, seit 2003 in der Europäischen Union gekennzeichnet werden müssen, erlauben EU-Gesetze zahlreiche Anwendungen der Gentechnik ohne, dass sie ausgewiesen werden müssten. Vor allem die Nutzung von GVOs auf vorgelagerten Verarbeitungsstufen, wie etwa bei Zusatzstoffen, Enzymen oder Futtermitteln, bleibt häufig unterhalb der gesetzlichen Kennzeichnungsschwelle. Sie gelten lebensmittelrechtlich als Hilfsstoffe, die bis auf wenige Ausnahmen nicht zu deklarieren sind. Inzwischen müssen Lebensmittelenzyme in der EU bei der Lebensmittelbehörde EFSA registriert werden, wobei etwa zwei Drittel der bisher dort angemeldeten Enzyme gentechnisch hergestellt werden.
Maßgeschneiderte Nutzpflanzen sollen resistent gegen Schädlinge oder Herbizide sein und laut den Herstellerangaben dadurch bessere Erträge bringen. Bereits im Jahr 1996 wurden die ersten Hektar in den USA mit GVOs bewirtschaftet. Heute sind es etwa 30 Länder, in denen GVOs angebaut werden. Im Jahr 2016 wuchsen laut der Lobbyagentur ISAAA gentechnisch veränderte Pflanzen auf 185 Mio. Hektar. Bezogen auf die weltweite Ackerfläche sind das 13,2 Prozent. Die Flächen wachsen rasant, vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern. Während zum Beispiel Brasilien vor zehn Jahren 3,6 Mio. Hektar mit gentechnisch verändertem Soja bewirtschaftete, bestellt es heute etwa 17 Mio. Hektar und ist nach den USA der zweitgrößte Sojaproduzent. Dabei entfallen mittlerweile fast 80 Prozent der weltweiten Sojaproduktion auf transgene Sorten. Rund 30 Mio. Tonnen Sojabohnen und -schrot werden jährlich als Tierfutter importiert, meist aus Ländern mit fast ausschließlich genverändertem Anbau. Fleisch, Wurst oder Milchprodukte dieser Tiere sind nicht kennzeichnungspflichtig. In Europa spielt der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen noch eine geringe Rolle. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde zunehmend die klassische Pflanzenzucht durch die Mutagenese ersetzt, bei der das Erbgut durch Strahlung oder Chemikalien verändert wird. Laut einem Gerichtsurteil des Europäischen Gerichtshofs fallen diese Pflanzen zwar unter die Gentechnik-Gesetze, sind jedoch von allen Einschränkungen für gentechnisch veränderte Organismen befreit. Viele Kulturpflanzen, wie Getreide, Reis, Obst und Gemüse, basieren auf Mutagenese.
Mit Gentechnik gegen den Klimawandel
Angesichts wachsender Weltbevölkerung und zunehmender Wetterextreme durch den Klimawandel setzen Forschende große Hoffnungen in die Gentechnik. Ziel ist es, Nutzpflanzen widerstandsfähiger gegen Trockenheit, Hitze oder Salzkonzentration zu machen. Auch Krankheiten und Schädlingsbefall sollen durch gezielte Genveränderungen eingedämmt werden, etwa durch Pflanzen, die eigene Insektengifte produzieren oder resistent gegen Herbizide sind. So könnten Ernteverluste reduziert und der Einsatz von Pestiziden verringert werden. Auch in der Tierzucht gibt es erste Erfolge, wie etwa Schweine, die besser gegen Viren geschützt sind, oder hitzeresistente Rinder, die bereits in den USA zugelassen wurden.
Mammuts aus dem Labor
Das US-Unternehmen Colossal Biosciences will ausgestorbene Arten wie das Wollhaarmammut mithilfe von Gentechnik wieder zum Leben erwecken. Bis 2028 soll ein kälteresistenter Mammut-Elefant-Hybrid entstehen, der von einer Elefanten-Kuh ausgetragen werden soll. Die Forschenden erhoffen eine Verlangsamung des Klimawandels. So argumentieren sie, dass die Mammuts beim Umherlaufen den Schnee und das Gras niedertrampeln würden. Dies könnte das Auftauen des Permafrosts verlangsamen und somit die Freisetzung des darin gespeicherten Kohlenstoffs reduzieren. „A vital defender of the Earth“ nennt Colossal Biosciences deshalb das Wollhaarmammut. Einen Durchbruch ihrer Forschung erzielte das Team nun durch das Züchten von Wollhaar-Mäusen. Doch bisher kommt die Technik an ihre Grenzen, wenn etwa mehrere Gene gleichzeitig eingebaut werden sollen. Trotz dieser Hürden hat Colossal seit seiner Gründung 2021 bereits 435 Millionen Dollar gesammelt, um ausgestorbene Tiere wie das Mammut, den Dodo und den Tasmanischen Tiger zurückzubringen. Zuletzt gelang es ihnen den Schattenwolf, der seit 13.000 Jahren ausgestorben war, zurück zum Leben zu erwecken.
Kritik an Gentechnik
Der Einsatz von Gentechnik ist vor allem in Europa weiterhin sehr umstritten. Der WWF fordert ein Vorgehen nach Vorsorgeprinzip. Schäden für Natur und Menschen sind aufgrund der Mangel an Forschungsdaten nicht ausgeschlossen. Auch gibt es Untersuchungen, die darauf hinweisen, dass Gentechnik keineswegs den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduziert, da Schädlinge selbst Resistenzen bilden würden. Zusätzlich besteht die Sorge, dass die Eigenschaften gentechnisch veränderter Pflanzen durch Pollenflug auf verwandte Wildarten übertragen werden könnten und diese ebenfalls Resistenzen ausbilden. Welche Folgen das für die biologische Vielfalt haben könnte, weiß bislang niemand genau.
Gentechnik ist längst kein fernes Zukunftsszenario mehr, sondern prägt unseren Alltag in vielen Bereichen, oft ohne, dass wir es bemerken. Während Befürwortende auf gesteigerte Erträge, angepasste Pflanzen und eine mögliche Lösung globaler Krisen wie dem Klimawandel verweisen, warnen kritische Stimmen vor unvorhersehbaren ökologischen Folgen und dem Verlust biologischer Vielfalt. Klar ist: Die Gentechnik ist gekommen, um zu bleiben und verlangt von uns, Chancen und Risiken gleichermaßen ernst zu nehmen, um verantwortungsvolle Entscheidungen für unsere Zukunft zu treffen.
Bildquellen
- Die gezüchteten Schattenwölfe Romulus und Remus 15 Tage nach der Geburt: © Colossal Biosciences