Kunst in Zeiten des Krieges

„Im Laboratorium der Moderne. Hölzel und sein Kreis“ im Freiburger Augustinermuseum

Mitten im Ersten Weltkrieg setzte sich der Freiburger Kunstverein ein ehrgeiziges Ziel: Einem konservativ geprägten Publikum sollten mit avantgardisitischen Werken des Stuttgarter Kunstprofessors und Kirchenmalers Adolf Hölzels Tendenzen zeitgenössischer Kunst vermittelt werden. Rund 100 Jahre später rekonstruiert das Freiburger Augustinermusum die Ausstellung und ordnet Wirkung und Strahlkraft des Hölzelkreises ein.

Leser der Ausgabe der Frankfurter Zeitung vom 26. September 1916 konnten die Erleichterung von Jonas Cohn nicht nur zwischen den Zeilen spüren, denn endlich tat sich einmal etwas in der Stadt: „Die angedeuteten Bedenken sollen also niemanden von der Pflicht entbinden, recht genau das Gebotene zu prüfen, das ernsthaft Gewollte ernst und nicht mit billigem Spott aufzunehmen. Als Freiburger aber freuen wir uns, daß in unser häufig stagnierendes Kunstleben ein frischer Antrieb, eine neue Bewegung hineinkommt.“

Die Ausstellung, über die Cohn schrieb, hieß „Hölzel und sein Kreis“ und fand im Kunstverein Freiburg statt. Cohn war zwar kein Kunsthistoriker, er kam über die Naturwissenschaft zu den Geisteswissenschaften und habilitierte sich in Freiburg in Philosophie, Psychologie und Pädagogik, der spätere Mitarbeiter von Edmund Husserl war jedoch an zeitgenössischer Kunst interessiert. Was damals Avantgarde war, ist inzwischen museal geworden.

Das Museum für Neue Kunst erinnert nun mit der Ausstellung „Im Laboratorium der Moderne. Hölzel und sein Kreis“ an die damalige Schau und ordnet sie kunsthistorisch und geschichtlich ein – für den „frischen Antrieb“ darf sich dann auch heute noch der Kunstverein verantwortlich fühlen.

Es verwundert ein bisschen, dass mitten im Ersten Weltkrieg, zudem im grenznahen Freiburg, eine Ausstellung mit zeitgenössischer Kunst stattfand. Der Kunstverein, der ein Jahr zuvor das neue Gebäude eröffnet hatte, das 1944 bei einem Luftangriff zerstört werden sollte, hatte sich selbst ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: einem eher konservativ geprägten Publikum Tendenzen zeitgenössischer Kunst zu vermitteln.

Was die Ausstellung von 1916 so besonders machte, ist, dass sie den Stuttgarter Akademieprofessor nicht als singuläre Künstlerpersönlichkeit darstellte, sondern im Kreis seiner Schülerinnen und Schüler zeigte. Nun, gibt es Schüler, die den Ruhm eines Lehrers noch vermehren und Willi Baumeister, Oskar Schlemmer oder Otto Meyer-Amden dürften dazu gehören.

Andererseits fällt auf, dass eine vergleichsweise hohe Anzahl von Malerinnen den Weg zu Hölzel fand. Die aktuelle Schau, die sich nicht aufs Dokumentieren beschränkt, greift diesen Labor-Aspekt auf, indem sie junge Studierende des Basler Institut Kunst mit ihren Werken nach Freiburg eingeladen hat. Aus Platzgründen bleibt dies jedoch eher eine Marginalie.

In den vergangenen Jahren stand Adolf Hölzel (1853-1934) immer mal wieder im Mittelpunkt von Ausstellungen. Er war Gründungsmitglied der Münchner und Wiener Sezession und wird im Kontext der Moderne rezipiert. Parallel zur Freiburger Schau widmet man sich derzeit in Ulm dem Kirchenmaler Adolf Hölzel. Und auch im Freiburger Augustinermuseum sind viele christlich geprägte Motive zu sehen. Anbetungen und eine Arbeit wie „Komposition in Rot II (Der Stall von Bethlehem)“ aus dem Jahr 1914. Gegenüber dem Farbaspekt – das Rot dominiert eindeutig über Gelb und Grün – tritt das Szenische beinahe zurück.

Hölzel und auch seine Schüler waren stark von der zeitgenössischen Auseinandersetzung mit der Farbe beeinflusst. Als Lehrender systematisierte Hölzel diese. Tatsächlich ist der Ausstellungstitel „Hölzel und sein Kreis“ durchaus doppeldeutig zu verstehen, meint er doch über den Wirkungskreis seiner Schüler, auch den Farbkreis, in dessen Konzeption Schriften von Goethe und zeitgenössische Untersuchungen geflossen waren. In der Ausstellung und auch in der begleitenden Publikation ist er zu einem Art Corporated Design geworden.

Der Farbkreis hat ein Werk wie William Straubes „Dame auf Rot“ mit seinem Rot-Grün-Kontrast bestimmt, ist die porträtierte Frau im dunkelgrünen Kleid doch vor einem roten Hintergrund dargestellt. Werke von Oskar Schlemmer und Willi Baumeister, Frauenköpfe und Kompositionen, fallen hingegen durch das weitgehende Fehlen von Buntheit auf.

Kein Zufall wird dennoch sein, dass nicht wenige aus Hölzels Kreis später für das Bauhaus wichtig wurden. Hölzel selbst befasste sich während der Vorbereitungen der Freiburger Ausstellung mit den Fenstern des Münsters, was für den bedeutenden Auftrag für die Glasfenster des Sitzungssaals im Bahlsenwerk in Hannover von großer Wichtigkeit war.

Da ist es doch eine schöne Koinzidenz, dass nun Fenster Hölzels dort zu sehen sind, wo auch die mittelalterlichen Glasfenster gezeigt werden.

Im Laboratorium der Moderne. Hölzel und sein Kreis.Augustinermuseum, Augustinerplatz. Di – So 10 – 17 Uhr, Fr 10 – 19 Uhr. Bis 18. März.

Annette Hoffmann