Katharina Grosse stellt im Museum Frieder Burda in Baden-Baden aus

„Eine Welt im Farbenrausch“

Auf Katharina Grosses Bildern scheinen die Farben zu explodieren. Sie verlaufen ineinander, überlagern sich oder bilden fast schon greifbare Strukturen. Bis zum 9. Oktober zeigt das Museum Frieder Burda in Baden-Baden eine große Einzelausstellung der Künstlerin, die für ihren Farbenrausch gern zu richtig großzügigen Formaten greift. Geschickt wurde beim Aufbau der Ausstellung die lichtdurchflutete Architektur des Museums einbezogen. Im Saal des Erdgeschosses kommen Katharina Grosses raumgreifende Arbeiten bestens zur Geltung, inklusive einer gigantischen elliptischen Scheibe, die aussieht als hätten Besucher von einem anderen Stern sie als Souvenir dagelassen.


Einen Teil der sieben Meter hohen und zehn Meter breiten Fläche aus Kunststoff hat die Künstlerin weiß gelassen. Um die ausgeschnittene Mitte herum jedoch tobt ein Feuerwerk aus leuchtenden Gelb-, Grün-,
Türkis- und Orangetönen. Schräg gegenüber, auf einem großen Tafelbild, formen zerlaufende Acrylfarben organisch wirkende Muster. Wie bei allen Arbeiten von Katharina Grosse lohnt ein zweiter, dritter und vierter Blick, denn die abstrakten Farbflächen offenbaren immer weitere Schattierungen, die einander überlagern und ergänzen.

Der Aufbau der Ausstellung ist nicht streng chronologisch, aber man erkennt mühelos, dass die Künstlerin ihre Kunst immer wieder neu erfindet. Durchgängig sind lediglich die Abstraktion, der virtuose Umgang mit Farbe und der Verzicht auf Titel. Das Bild selbst sagt schon alles. Eine Reihe früherer, kleinerer Arbeiten aus den 1990er Jahren im Mezzanin zeigt die Entwicklung von dickem Farbauftrag mit energischem Pinselschwung hin zu geradlinigen Quadraten und Rechtecken, die in klarem Kontrast zu einander stehen. Orange versus Grün, Gelb gegenüber Blau. Doch auch hier mischt sich gern mal die eine Farbe raffiniert unter die andere.
Auf die Werke mit satten Farben in klaren Kontrasten folgen Arbeiten in Acryl, die Farben und Formen fangen an zu fließen. Die Formate werden größer, die Experimentierfreude der Künstlerin ebenfalls. Im Obergeschoss bietet eine ganze Wand gerade genug Raum für ein langgestrecktes Bild, in dem zarte Regenbogen-Töne und weiße Schaumkronen wie eine sich brechende Welle wirken. Ansteckend fröhlich wirken die Bilder, in denen himbeerrosafarbene oder erdbeerrot leuchtende Karos den Hintergrund bilden für exotisch dunkel getönte, zerlaufende Formen.

Katharina Grosses jüngste Acrylarbeiten kommen oft in dramatischen Farbtönen daher, die vor dem weißen Hintergrund farbige Ausläufer treiben. In all ihren Werken schafft die aus Freiburg stammende Künstlerin allein aus Farben immer wieder eine neue Welt und regt die Fantasie der Betrachter an.

Parallel zur Einzelausstellung „Katharina Grosse“ sind im Untergeschoss ausgewählte Fotografien von Cy Twombly zu sehen. Die über den langen Zeitraum zwischen 1944 und 2006 hinweg entstandenen Fotografien stellen den ruhigen Kontrapunkt zu den temperamentvollen Farbausbrüchen in den oberen Stockwerken dar. Sehr liebevoll, mit einem Blick für das Detail, hat der 2011 verstorbene amerikanische Künstler die kleinen feinen Dinge des Lebens in Szene gesetzt. In ein nostalgisch anmutendes Licht getaucht, werden Einzelheiten einer Skulptur beleuchtet oder der barocken Opulenz gefüllter Pfingstrosen gehuldigt. Allein durch ein raffiniertes Halbdunkel lässt Twombly den Blick aus einem Zimmer des Hauses im heimatlichen Lexington eine unwirkliche Atmosphäre entstehen. Und der Blick auf die Bucht von Gaeta, raffiniert verschwommen, erinnert an Caspar David Friedrichs entrückte Bildmotive.

„Katharina Grosse“ und „Cy Twombly“, Museum Frieder Burda, Lichtentaler Allee 8b, Baden-Baden, Di – So 10 – 18 Uhr, bis 9. Oktober 2016.+

Nike Luber