Im Gespräch mit Prof. Dr. Markus Schroer zum Thema Soziologie im Anthropozän

Die katholische Akademie Freiburg lädt 7. Dezember, 19.30 Uhr zum nächsten Vortrag der Reihe „Konturen der nächsten Gesellschaft“ ein. Der Marburger Soziologe Markus Schroer spricht über das Arbeitsfeld der neuen Disziplin Geosoziologie, die er in seinem gleichnamigen Buch von 2022 auch behandelt. Der Vortrag ist zugleich Auftakt der Reihe „Über Leben im Anthropozän“. Fabian Lutz hat mit Markus Schroer über eben dieses Anthropozän und die Geosoziologie gesprochen.

Kultur Joker: Wie kamen Sie von Ihrer Disziplin der Soziologie zur Geosoziologie?

Prof. Dr. Markus Schroer: Aus der Unzufriedenheit heraus, dass die Soziologie sich zunächst kaum auf die durch den Begriff „Anthropozän“ angezeigten Herausforderungen einzulassen bereit schien, was sich bis heute kaum geändert hat. Mit dem Begriff verbunden ist die Einsicht, dass wir es heute mit einer Erde zu tun haben, die durch Menschen nach und nach in Besitz genommen und dabei so umfassend umgewandelt wurde, dass sie erstmalig nicht mehr als natürlich gegeben angesehen werden kann, sondern als durchgehend von Menschen gemacht und allein für seine Zwecke eingerichtet. Damit verbunden ist ein enormes Ausmaß von Zerstörung. Die in der Soziologie lang gehegten Vorstellungen über die stetige Weiterentwicklung moderner Gesellschaften gelangen so betrachtet an ein Ende.

Kultur Joker: Sehen Sie sich auf diesem Gebiet als Pionier?

Markus Schroer: Ja und Nein. Auf der einen Seite besteht mein Buch „Geosoziologie“ aus einer Spurensuche. Es wurden zahlreiche Quellen zusammengetragen, gesichtet, eingeordnet und kommentiert, die schon einmal sehr fruchtbar über den Zusammenhang von Natur und Kultur nachgedacht haben. Auf der anderen Seite werden die zahlreichen Befunde mit aktuellen theoretischen Debatten in Beziehung gesetzt und zum Ausbau einer Geosoziologie synthetisiert, der es um eine systematische Berücksichtigung von Materialität, Infrastruktur, geologischen, geographischen und biologischen Verhältnissen geht, die in soziologischen Ansätzen bisher kaum systematische Berücksichtigung finden. In diesem Sinne handelt es sich sehr wohl um eine Pionierleistung.

Kultur Joker: …und sicher auch um eine Ansage!

Markus Schroer: Mit der Geosoziologie plädiere ich für eine umfassende Ausweitung der soziologischen Denkzone. Dabei geht es vor allem darum, die Wiedereingliederung des Menschen in einen lebendigen Zusammenhang zu denken. Statt sich weiterhin der Illusion hinzugeben, dass der Mensch sich weitgehend unabhängig gemacht hat von allen anderen Lebewesen und den natürlichen Versorgungssystemen der Biosphäre, gilt es die vielfältigen Abhängigkeitsverhältnisse in den Blick zu nehmen, die das menschliche Dasein überhaupt erst ermöglichen.

Anmeldung und zusätzlicher Online-Live-Stream: www.katholische-akademie-freiburg.de

Bildquellen

  • Prof. Dr. Markus Schroer: Foto: privat