Im Gespräch: Katie Melua, Sängerin und Songschreiberin

Als frischgebackene Mutter hat Katie Melua, 38, gerade ziemlich viel um die Ohren. Dennoch nimmt sie sich Zeit für ein Videointerview. Damit sie nicht abgelenkt wird, ist ihre Mutter mit ihrem kleinen Sohn in einen Park gegangen. Nun kann die gebürtige Georgierin daheim in London in aller Ruhe über ihr neues Album „Love & Money“ reden. Mit ihm kehrt sie nach einem Ausflug zu Neoklassik und Ambient an der Seite des Musikers Simon Goff wieder zum Pop zurück – mit sanften Klavier- und Gitarrenklängen, die ihre glockenreine Stimme in den Vordergrund rücken. Am 26. Juli um 19.30 Uhr stellt sie die Songs ihres jüngsten Werks beim Zelt-Musik-Festival in Freiburg vor. Dabei wird sie sicher auch Klassiker wie „Nine Million Bicycles“ oder „The Closest Thing To Crazy“ nicht außen vor lassen. Dagmar Leischow sprach mit der Sängerin über ihre Familie, den Ukraine-Krieg und Geld.

Kultur Joker: Frau Melua, Ihr Lied „Golden Record“ vermittelt den Eindruck, dass Sie trotz Ihres Erfolgs nicht immer glücklich waren.

Katie Melua: Ich liebe meinen Job so sehr, dass ich quasi von ihm abhängig geworden bin. Es war toll, Alben zu machen und an meinen Songs zu arbeiten. Bloß bin ich dadurch ein bisschen von meinem Weg abgekommen. Ich sah die Kinder meiner Freunde aufwachsen und hatte das Gefühl, irgendwie auf der Strecke geblieben zu sein. Erst Covid hat mich ausgebremst. Heute achte ich mehr darauf, die Balance zwischen meinem Beruf und meinem Privatleben zu finden.

Kultur Joker: Sie haben jetzt einen kleinen Sohn. War es Ihr Traum, Mutter zu werden?

Melua: Ich erlebe gerade die großartigste Zeit meines Lebens. Nichtsdestotrotz hatte ich jahrelang Angst davor, ein Baby zu kriegen. Denn in mir hatte sich der Gedanke manifestiert, dass ich dann weder meinem Kind noch meiner Musik hundertprozentig gerecht werden könnte. Es dauerte lange, bis ich realisierte: Was ich auch tue, ich werde es gut genug machen.

Kultur Joker: Gehen Sie eigentlich mit Ihrem Kind auf Tournee?

Melua: Ja. Mein Partner begleitet mich ebenfalls. Er wird sich um unseren Sohn kümmern, wenn ich auf der Bühne stehe.

Katie Melua spielt am 26. Juli um 19.30 Uhr auf dem ZMF
Foto: Mariam Sitchinava

Kultur Joker: Haben Sie das Stück „Quiet Moves“ Ihrem Lebensgefährten gewidmet?

Melua: Er hat diesen Titel definitiv inspiriert. Wir sind ziemlich schnell zusammengezogen. Denn im November 2020 wurde der nächste Lockdown angekündigt. Anfangs waren wir neun Monate lang nur zuhause, wegen der Pandemie gab es keine Alternativen. Als wir dann im Sommer 2021 zu einer Hochzeit eingeladen waren, sah ich meinen Partner zum ersten Mal tanzen. Ich dachte: Was für ein großartiger Tänzer! Und habe mich noch mal in ihn verliebt.

Kultur Joker: Einer Ihrer Songs heißt „First Date“. Wie war denn Ihre erste Verabredung?

Melua: Wir haben in Margate an der Küste von Kent Seetang gesammelt. So haben wir bei unserem ersten Date gleich viele Stunden miteinander verbracht. Das war sehr intensiv, aber toll.

Kultur Joker: Wussten Sie in dem Moment bereits, dass dieser Mann der Vater Ihres Kindes werden könnte?

Melua: Mein ursprüngliches Ziel war es, eine freie, unabhängige Frau zu werden. Ich wollte mich mit verschiedenen Männern treffen und schauen, was passiert. Denn ich trug dieses zynische Ich in mir. Ich wusste nicht, ob ich überhaupt noch an die Liebe glauben könnte. Ob ich ein Jahr nach meiner Scheidung wirklich bereit wäre, mich ernsthaft auf jemanden einzulassen. Doch dann hatten wir nach unserer ersten Verabredung so eine gute Zeit, wir tauschten Nachrichten aus, wir begannen, uns regelmäßig zu treffen – für mich hat sich das nach einer starken Verbindung angefühlt. Ich dachte: Oh je, dieser Mann ruiniert meinen Plan. Ich verliebe mich…

Kultur Joker: Stichwort Liebe: Ihr Album trägt den Titel „Love & Money“. Was ist Ihnen wichtiger – Liebe oder Geld?

Melua: Liebe steht natürlich an erster Stelle. Geld ist aber nicht unwichtig. Weil mein Vater Arzt ist, waren wir selbst als Immigranten nie richtig arm. Doch als sich meine Karriere positiv zu entwickeln begann, war ich plötzlich die Haupternährerin in unserer Familie. Ich bemühte mich, auch unsere Verwandten in meiner Heimat Georgien zu unterstützen. Dadurch wurde mir bewusst, wie schwer es den Menschen fällt, über Geld zu sprechen. Ich wurde nur um Hilfe gebeten, wenn etwas wirklich dringend gebraucht wurde.

Kultur Joker: Außenstehende beschäftigen Sie ebenfalls. Warum taucht die amerikanische Klimaaktivistin Mary Annaise Heglar in Ihrem Lied „Reefs“ auf?

Melua: Sie setzt sich unglaublich leidenschaftlich für die Umwelt ein – genau wie Greta Thunberg. Auch mir liegt das Thema Ökologie am Herzen. Vor dem Krieg in der Ukraine sagte ich mir: Ich muss mich darauf fokussieren, was ich für diesen Planeten tun kann. Wie kann ich mit dem bisschen Macht, das ich habe, helfen? Als dann der Krieg ausbrach, waren meine Gedanken dort. Denn ich habe Verwandte in Kiew. Ich fragte mich: Was passiert da? Wie können wir unsere Familie unterstützen?

Kultur Joker: Hat Sie das an den Kaukasuskrieg erinnert?

Melua: Als es in Georgien Krieg gab, war ich noch recht jung. Doch der Ukraine-Krieg hat mich total schockiert. Es traf mich sehr, dass so etwas in der heutigen Welt überhaupt passieren konnte.

Kultur Joker: Sollte die Ukraine Ihrer Ansicht nach in die EU aufgenommen werden?

Melua: Natürlich. Ich war 2016 in der Ukraine – in Lwiw. Diese Stadt hat eine erstaunliche Architektur. Die Ukraine hat auf mich sehr europäisch gewirkt, die Menschen dort sind großartig. Ich finde, man sollte möglichst viele aussichtsreiche Länder in der Europäischen Gemeinschaft haben.

Kultur Joker: Großbritannien ist aber 2020 aus der EU ausgetreten…

Melua: Ein Desaster! Alle im Vereinigten Königreich sind sich jetzt wohl einig: Das war ein Chaos!

Kultur Joker: Ist das Touren für Sie als britische Staatsbürgerin seither schwieriger geworden?

Melua: Ja. Als ich zum Beispiel mit meiner Band in die Schweiz gereist bin, brauchten wir ein Dokument, in dem unser gesamtes Equipment verzeichnet war, das wir ein- und ausgeführt haben. Das war verrückt. Jemand hat mir erzählt, diese Regel habe es schon immer gegeben. Seitdem das Vereinigte Königreich die EU verlassen hat, wird sie jetzt aber auch gewissenhaft umgesetzt. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Auf jeden Fall muss nun viel mehr Papierkram erledigt werden. Für Künstler wie mich, die einen Tourmanager haben, ist das in Ordnung. Aber viele Musiker haben keinen Tourmanager, sie müssen sich selber um die gesamte Logistik kümmern.

Kultur Joker: Eine Tournee ist nicht unbedingt umweltfreundlich. Insbesondere, wenn man oft fliegt. Wie stehen Sie zu dieser Problematik?

Melua: Wir arbeiten hart daran, unseren ökologischen Fußabdruck zu mildern. Das ist eine Herausforderung. Was mich freut: Für unsere Kulissen verwenden wir nachhaltige Materialien, damit wir weniger Schäden verursachen.

Kultur Joker: Klimawandel, Krieg, Pandemie: Auf diesem Planeten liegt einiges im Argen. Haben Sie sich vor der Geburt Ihres Sohnes gefragt, ob man gerade jetzt ein Kind in die Welt setzen sollte?

Melua: Natürlich. Dieses Thema diskutieren viele meiner Freunde, die keine Kinder haben. Eine Freundin von mir hat sich ganz bewusst gegen ein Kind entschieden. Weil sie glaubt, das sei das Beste, was man für die Umwelt tun könne. Ich habe aber eine andere Entscheidung getroffen: Ich möchte daran teilhaben, die nächste Generation aufzuziehen. Meinen Sohn möchte ich zu einem guten Bürger erziehen. Vielleicht erfindet er ja sogar etwas, was diesem Planeten helfen kann.

Kultur Joker: Auch Sie haben etwas zum Erhalt der Erde beigetragen, indem Sie Ihr Album nicht etwa in einem anderen Land eingespielt haben, sondern in Peter Gabriels Real World Studios in England.

Melua: Dieses Studio ist ikonisch. Ich hatte so viele Geschichten darüber gehört, deswegen wollte ich dort unbedingt selber aufnehmen. Als sich diese Option auftat, habe ich mich wahnsinnig gefreut. Der Kontrollraum mit dem Mischpult ist der größte, den ich jemals gesehen habe – selbst verglichen mit den Studios in den USA, in denen ich war. Ein weiteres Plus der Real World Studios ist seine Lage in dieser wunderschönen Landschaft, direkt neben dem Studio liegt ein See. Als eine Musikerin, die schon lange Platten macht, kann ich nur sagen: Jeder Künstler sollte einmal in den Real World Studios arbeiten.

Kultur Joker: Hat sich Peter Gabriel Ihre Songs angehört, als Sie für die „Love & Money“-Produktion in seinen Real World Studios zu Gast waren?

Melua: Leider nein. Er hat sich wohl in einem anderen Gebäude mit seinem eigenen Album beschäftigt. In den Real World Studios sind nämlich nicht alle Studios unter einem Dach.

Kultur Joker: Dafür haben Sie sich rege mit Ihrem Produzenten Leo Abrahams ausgetauscht. Welches musikalische Konzept haben Sie während der Aufnahme entwickelt?

Melua: Wir wollten ein Blue-Sky-Album erschaffen, also etwas Positives. Ganz anders als „Album No. 8“, das unter dem Einfluss einer Trennung stand: Ich habe mich scheiden lassen. Die Musik und die Texte waren voller Traurigkeit. Ich glaubte nicht mehr an das Märchen von der glücklichen Liebe. Bis der Trennungsschmerz verheilt war, ich mich wieder verliebte und einen neuen Partner fand. Das war eine ganz wunderbare Phase. Diese Energie sollte meine Platte widerspiegeln.

Kultur Joker: Ihr Bruder Zurab Melua, der Mitglied einer Rockband ist, hat die Lieder „Pick Me Up“ und „Lie In The Heat“ geschrieben. Hat er jemals versucht, Sie für einen Rocksong begeistern zu wollen?

Melua: Ziemlich oft sogar. Im Gegenzug animiere ich ihn dazu, sich doch mal mit etwas ruhigerer Musik auseinanderzusetzen. Immerhin ist sein Interesse daran gewachsen, seitdem er in meiner Band spielt. Mein Bruder ist ein unglaublich talentierter Musiker. Dennoch ist es eine Herausforderung, wenn wir als Geschwister miteinander kooperieren. Einfach, weil Zurab immer sehr ehrlich ist. Er ist mein schärfster Kritiker.

Kultur Joker: Herzlichen Dank für das Gespräch!

Bildquellen

  • Katie Melua: Foto: Mariam Sitchinava
  • Katie Melua: Foto: Rosie Matheson