Im Gespräch: Günter Wamser und Sonja Endlweber, Abenteuerreiter:innen und Referent:innen auf dem 20. MUNDOLOGIA-Festival

Im Sattel durch den amerikanischen Doppelkontinent – seit 30 Jahren folgt Günter Wamser seiner Leidenschaft und zieht das Reisen mit Pferden einem festen Wohnsitz vor. Seit 2006 ist er gemeinsam mit seiner Partnerin Sonja Endlweber unterwegs. Am Samstag, den 3. Februar 2024, werden sie auf dem 20. MUNDOLOGIA-Festival im Konzerthaus Freiburg ihren neuen Vortrag „Die Abenteuerreiter – Long way home“ zeigen und von ihrer Reise durch den Westen der USA erzählen. Im Interview mit Janine Böhm berichten sie vom Reiz des langsamen Unterwegsseins und von den Herausforderungen, die ein Leben mit Pferden bereithält.

Kultur Joker: Was war zuerst da, die Liebe zu den Pferden oder die Begeisterung für das Reisen?

Günter Wamser: Ich war jahrelang mit dem Motorrad auf Reisen und bin dann aufs Pferd gekommen. Das war völlig anders, faszinierend und besonders.

Kultur Joker: Was macht den Reiz aus?

Günter Wamser: Es ist die Langsamkeit. Man neigt dazu, schneller zu werden. Beim Reiten geben die Pferde das Tempo an. Es sind zudem Lebewesen, es sind Freunde und Weggefährten. Wenn man über Jahre mit ihnen zusammen ist, ist man ein Team. Man kennt ihre Schwächen und Stärken. Es lässt sich nicht mit einem Fahrrad oder Motorrad vergleichen.

Kultur Joker: Wie hast du den Umgang mit Pferden gelernt?

Günter Wamser: Ich hatte meine ersten Pferde in Mittelamerika gekauft und war sechs Wochen lang mit ihnen unterwegs. Das hat mich so fasziniert, dass ich mein Motorrad verkaufen und nach Südamerika reiten wollte. Ich wusste jedoch, dass ich zuvor noch eine Menge lernen muss. Ich hatte keine Ahnung von Pferden. Ich habe deshalb noch ein paar Pferde gekauft und zwei Jahre lang Touren für Touristen angeboten. In der Zeit habe ich viel von den Tieren und den Menschen gelernt.

Kultur Joker: Das hast du alles zur Vorbereitung für die große Tour von Feuerland nach Alaska gemacht.

Günter Wamser: Ja. Ich dachte allerdings, ich werde höchstens fünf Jahre unterwegs sein. Letztendlich habe ich 20 Jahre gebraucht.

Kultur Joker: Wann hast du gemerkt, dass du nicht nur am Reisen bist, sondern es eine Art zu leben für dich wurde.

Günter Wamser: Ich wollte nicht zügig in Alaska ankommen. Ich wäre schneller gewesen, wenn ich meine Pferde an den Grenzen gewechselt hätte, das wollte ich jedoch nicht. Es wäre viel einfacher und billiger gewesen, sie an der Grenze zurückzulassen, zu Fuß hinüber zu gehen und anschließend neue zu kaufen. Allein durch das Warten an den Grenzen habe ich in Lateinamerika mindestens ein Jahr verloren. Ich war stur und wollte den korrupten Grenzbeamten kein Geld zahlen.

Kultur Joker: Seit der mexikanischen Grenze seid ihr gemeinsam mit den vier Mustangs Dino, Rusty, Azabache und Lightfoot sowie Hündin Charlie unterwegs und habt 2013 nach 30.000 Kilometern euer Ziel in Alaska erreicht. Was war das für ein Gefühl?

Günter Wamser: Für mich war es ein Tag wie jeder andere. Ich habe Futter und Wasser für meine Pferde gesucht und wenn sie versorgt waren, war ich happy. Unser Ziel war nicht das Ankommen, sondern der Weg.

Sonja Endlweber: Eigentlich wollten wir nur einen Platz für die Pferde. Eine Weide, auf der sie ein paar Tage Pause machen dürfen, darum hatten wir uns im Vorfeld gekümmert. Wir wussten, wir wollten weiter. Alaska war für uns nur ein Orientierungspunkt.

Kultur Joker: Welche Pläne gab es für die Zeit nach Alaska?

Günter Wamser: Ich wäre sehr gerne von Alaska über Russland nach Europa geritten. Wir wollten die Pferde nach Deutschland bringen. Ich wusste jedoch, dass wir uns unterwegs, ebenso wie in Südamerika, sehr viel mit Bürokratie und Korruption herumschlagen müssen würden und das hat mich abgeschreckt.

Kultur Joker: Gab es anschließend eine längere Pause?

Sonja Endlweber: Wir waren in den folgenden Jahren vor allem im Sommer viel in Kanada unterwegs und haben die Winter in Deutschland verbracht.

Kultur Joker: Dann kam Corona.

Günter Wamser: Während der Pandemie konnten wir nicht zu den Pferden. Es gab zudem einen Waldbrand bei den Leuten, wo sie untergebracht waren. Sie mussten evakuiert werden und wir konnten nichts tun. Durch die lange Trennung wurde uns immer mehr bewusst, dass wir sie nach Deutschland holen wollten.

Kultur Joker: Wie holt man Pferde von Amerika nach Europa, wenn der Landweg nicht in Frage kommt?

Günter Wamser: Ich hätte sie gerne mit dem Schiff geholt.Aber man findet keine Rederei mehr, die Pferde transportiert. So bleibt nur noch das Fliegen. Das ist nichts Ungewöhnliches, es ist jedoch sehr teuer, wir mussten unser ganzes Geld zusammenkratzen. Es war eigentlich auch verrückt, weil die Pferde schon sehr alt sind. Aber es sind unsere Freunde und Familienmitglieder und da sieht das dann anders aus.

Kultur Joker: Im Jahr 2022 konntet ihr wieder zu ihnen, seid jedoch nicht direkt mit den Pferden zurückgeflogen, sondern habt euch erneut in den Sattel gesetzt und seid durch den Westen der USA geritten.

Abenteuerreiter Günter Wamser und Sonja Endlweber © Mundologia

Günter Wamser: Das hatte mit unseren Zweifeln zu tun: Tun wir uns und ihnen damit wirklich einen Gefallen?

Sonja Endlweber: Wir haben uns gefragt, ob sie gesund genug sind und ob wir sie wirklich in eine ganz andere Welt holen sollen. Die beste Art das herauszufinden, war wieder mit ihnen auf Reisen zu gehen.

Günter Wamser: Wir hatten uns entschieden auf den Long Distance Trails, den Weitwanderwegen, 5000 km quer durch den Westen zu reiten: Von Washington, wo sie standen, über Oregon in den Norden Kaliforniens, durch Nevada, den Grand Canyon und New Mexico bis nach Texas. Von da aus war der Rückflug geplant.

Sonja Endlweber: Es war auch ein Geschenk an uns selbst, nach all den Herausforderungen, die wir in Alaska und Kanada gemeistert hatten. Wir wussten, wie schön es auf den Weitwanderwegen in den USA ist.

Kultur Joker: Was sind das für Herausforderungen im Norden?

Sonja Endlweber: Je nördlicher man kommt, desto wilder ist die Natur. Es gibt große Sumpfgebiete und Flüsse, die man überqueren muss. Es war sehr herausfordernd für uns und die Pferde. Da sind die Long Distance Trails in den USA ganz anders. Die sind auch für Pferde geeignet.

Kultur Joker: Wie sieht euer Alltag unterwegs aus?

Sonja Endlweber: Wir schlafen immer im Zelt. Es gäbe auch keine andere Möglichkeit, da wir weit weg von der Zivilisation unterwegs sind. Wann wir morgens aufstehen, hängt vom Wetter ab. Es gab Zeiten, da war es so heiß, dass wir gegen 4 Uhr aufgestanden sind, um im ersten Tageslicht loszureiten. Wenn es nachts friert, lässt man sich lieber Zeit. Wir haben Proviant für mindestens zwei Wochen dabei und kochen am Lagerfeuer.

Günter Wamser: Es gibt Routinen. Morgens brauchen wir zweieinhalb Stunden fürs Packen und Frühstücken, bevor es weiter geht.

Sonja Endlweber: Und dann sind wir sechs bis sieben Stunden unterwegs und legen täglich im Schnitt 20 Kilometer zurück. Alle zwei Stunden machen wir Pause und lassen die Pferde grasen. Wir sind viel langsamer unterwegs als Wanderer. Wir brauchen gute Lagerplätze, eine gute Wiese und Wasser für die Pferde und wenn wir diese schon am frühen Nachmittag finden, dann gehen wir nicht daran vorbei.

Kultur Joker: Was waren für euch die Highlights in Nordamerika auf der letzten Reise? Wo hat es euch am besten gefallen?

Günter Wamser: Ich denke, es geht auf unseren Reisen, wie grundsätzlich im Leben, nicht um die Highlights, sondern um das Alltägliche. Wenn wir Futter und Wasser für die Pferde finden, das ist das Schönste überhaupt.

Sonja Endlweber: Natürlich ist der Grand Canyon fantastisch. Aber Nationalparks sind für uns immer mit Kompromissen verbunden. Wir mussten Heu-Pellets für die Pferde mitnehmen, weil wir sie nicht grasen lassen durften. Die Landschaft ist großartig, aber viel schöner sind für uns eigentlich diese unscheinbaren Gebiete, schöne Wiesen, auf die wir plötzlich mitten im Wald stoßen.

Kultur Joker: Mit welchen Herausforderungen wart ihr konfrontiert?

Sonja Endlweber: Mit Windbruch, Bäumen, die quer über dem Weg lagen, und Waldbränden. Wir sind nur knapp einem Waldbrand entkommen. Wir hatten zeitweise ein Filmteam dabei. Als sie zurück zum Flughafen mussten, unser eigentlicher Weg von Bäumen blockiert war und weil wir zudem die Pferde neu beschlagen wollten, sind wir aus dem Wald herausgeritten.

Günter Wamser: Ihr wolltet eigentlich noch bleiben, aber ich habe mich durchgesetzt. Ich hatte das Gefühl, wir müssen raus aus den Bergen und auf dem schnellsten Weg runter ins Tal. Das war unser Glück, sonst wären wir ins Feuer gelaufen.

Sonja Endlweber: Wir sind runter zur Straße geritten und trafen dort am nächsten Morgen Freunde, die wir kontaktiert hatten, um das Filmteam abzuholen. Sie meinten, wir sollten sofort die Pferde einladen, wir müssten weg, die Straße sei schon gesperrt und das Feuer nur noch sechs Kilometer entfernt. Später haben wir gesehen, dass auch unser letzter Lagerplatz brannte.

Kultur Joker: Zur Rückreise: Pferde auf einem Containerschiff kann ich mir gut vorstellen, in einem Flugzeug eher nicht. Wir läuft so ein Transport ab?

Günter Wamser: Es handelte sich um ein Frachtflugzeug. Auf Paletten sind Container fixiert, in denen alles Mögliche transportiert werden kann, Autos, Fernseher, Pakete. Ein Container für Pferde sieht von außen gleich aus. Innen haben drei Pferde Platz und stehen in getrennten, engen Boxen, sodass sie nicht umfallen können. Sie werden vom Pferdeanhänger auf der Straße direkt in den Container geführt. An Bord werden sie mit Wasser und Heu versorgt, der Raum ist klimatisiert. Ich konnte mitfliegen und nach ihnen schauen.

Kultur Joker: Wie waren die ersten Wochen und Monate nach der Ankunft?

Günter Wamser: Wir haben die Arbeit unterschätzt. Pferde zu halten ist ein ziemlicher Aufwand. Ich bewundere alle, die Pferde haben, selbst versorgen und das mit Beruf und Familie unter einen Hut bekommen.

Kultur Joker: Wäre es für euch auch vorstellbar durch Europa zu reiten? Wir haben deutlich weniger Wildnis.

Günter Wamser: Das haben wir vor. Es wird ganz anders sein als auf dem amerikanischen Kontinent, aber ich bin neugierig und freue mich darauf.

Kultur Joker: Was erwartet die Besucher eures Vortrags „Die Abenteuerreiter: Long way home – Im Sattel durch Amerika“ beim 20. MUNDOLOGIA-Festival?

Sonja Endlweber: Wir möchten die Menschen auf unsere Reise mitnehmen. Wir erzählen spannende, informative und unterhaltsame Geschichten. Wir wollen inspirieren und dazu ermutigen, die eigenen Träume zu leben. Der Vortrag zeigt zudem, wie schön es ist, mit wenig auszukommen. Wir haben eigentlich fast nichts außer Zeit, die Nähe zu unseren Tieren und das Wenige, was wir brauchen. Und genau das macht uns so glücklich und zufrieden.

Kultur Joker: Vielen Dank für das Gespräch.

Weitere Infos und Tickets: www.mundologia.de

Bildquellen

  • Abenteuerreiter Günter Wamser und Sonja Endlweber: © Mundologia
  • Sonja Endlweber, Günter Wamser, Hündin Charlie: © Mundologia