Höllengiraffendrachenhunde hinter Schildkröte

David Poutney, Zauberflöte, Bregenzer Festspiele, Kultujoker, Georg Rudiger
Drei Drachen recken ihre Köpfe in den Nachthimmel

Intendant David Pountney inszeniert „Die Zauberflöte“ bei den Bregenzer Festspielen

Längst sind die Bühnenbilder der Bregenzer Festspiele zu Markenzeichen geworden. Das Auge in „Tosca“, die Freiheitsstatue in „Aida“ oder der Kopf des Marat in der großartig realisierten Revolutionsoper „André Chenier“ der letzten beiden Jahre.

Bei der vom Intendanten David Pountney selbst inszenierten „Zauberflöte“ sind es drei Drachen, die auf der Seebühne ihre Köpfe weit in den Bregenzer Nachthimmel recken. Die Fantasietiere sehen so aus, als hätte sie Bühnenbildner Johan Engels in einer Spielkiste gefunden. Die mehr stilisierten als modellierten Körper bestehen vor allem aus einem langen Hals. Sie sollen den dreiköpfigen Höllenhund Zerberus verkörpern und vor den Tempeleingängen „Natur“, „Weisheit“ und „Vernunft“ wachen, ist im opulenten Programmbuch zu lesen. Aus den geöffneten Mäulern blitzen schiefe Zähne. Die Augen können leuchten. Ein bisschen gefährlich, aber auch ein bisschen harmlos.

Diese „Zauberflöte“ macht Kinder froh. Sie erzählt eine klare Geschichte, unterscheidet klar zwischen Gut und Böse und hat jede Menge Spektakuläres zu bieten – von sich abseilenden Sklaven, die alle aussehen wie Spider-Man bis hin zu prächtigen Kostümen und glitzernden Tieren. Die Erwachsenen macht der warme Sommerabend ebenfalls froh – weil er handwerklich präzise gearbeitet ist, nie die Fokussierung verliert und auch musikalisch überzeugt. Dirigent Patrick Summers wählt mit den klar artikulierenden Wiener Symphonikern gute Tempi und gestaltet Zusammenhänge.

Ein großer Wurf wie „Aida“ oder „André Chenier“ ist diese „Zauberflöte“ allerdings nicht. Dafür haben die Höllengiraffendrachenhunde zu wenig Bildkraft, dafür stören zu viele Soundmätzchen, dafür wird zu wenig interpretiert. Auch die Idee, die drei Damen als Puppen auf aufwändigen, von drei Puppenspielern geführten Urzeitvögeln auftreten zu lassen (Magdalena Anna Hofmann, Verena Gunz und Katrin Wundsam singen die Partie im Festspielhaus), hat kaum dramaturgische Verankerung. Die drei Knaben (gute Intonation: Laila Salome Fischer, Eva Dworschak, Dymfna Meijts) als Riesenbabys sind ein wenig seltsam (Kostüme: Marie-Jeanne Lecca).

David Pountney erzählt die Geschichte auf einem multifunktionalen Treppenhügel, der Ähnlichkeiten hat mit einem Schildkrötenpanzer. Die Spielfläche kann gedreht werden, so dass die Szenenwechsel zwischen den verschiedenen Welten elegant realisiert werden. Die eine Hälfte ist mit aufblasbaren Gräsern bepflanzt und repräsentiert, grün angeleuchtet (Licht: Fabrice Kebour), die Naturwelt von Papageno. Sarastros Tempelberg ist ganz nüchtern. Auch die Königin der Nacht findet auf der kahlen Seite ihre Welt. David Pountney schenkt der technisch sauber singenden Ana Durlovski starke Auftritte – zur Rachearie wird die Sopranistin im Glitzerkostüm drei Meter in die Höhe gefahren. Überhaupt gelingt dem Regisseur eine gute und lebendige Personenregie. Daniel Schmutzhard ist ein sympathischer, wohltönender Papageno, der am Ende seine Papagena (Dénise Beck) bekommt. Norman Reinhardt glänzt als schön dröger Tamino mit reichem Innenleben und betörender Stimme.

Pamina (durchaus dramatisch: Gisela Stille) hat Temperament. Als Sarastro ist Alfred Reiter kein reiner Guru, sondern hat auch seine dunklen Seiten wie sein Sklave Monostatos (beweglich: Martin Koch), der mit seinen gut trainierten Kollegen immer mal wieder die Szene aufmischt.

Am Ende bestehen Tamino und Pamina auch die Wasserprobe. Nur das Publikum zeigt beim gleichzeitig einsetzenden Regen nicht die gleiche Standfestigkeit und hantiert ein wenig hektisch mit Regencapes.

Bregenzer Festspiele, noch bis 18. August 2013. Infos unter www.bregenzerfestspiele.com 

Georg Rudiger