„Holbein und die Renaissance im Norden“ im Frankfurter Städel

Augsburg war mal eine Metropole, also nicht nur eine schwäbische, sondern eine der Kunst. In der Zeit um 1500 reihte sich hier eine Malerwerkstatt an die andere, Kaiser Maximilian I. weilte so oft in der Stadt, dass der französische König ihn schon spöttisch als „Bürgermeister von Augsburg“ bezeichnete, die kunstsinnigen Fugger pflegten Kontakte in die ganze Welt und ließen sich zwischen 1509 und 1512 eine Grabkapelle bauen, die als das früheste erhaltene Bauwerk der Renaissance im Norden gilt.
Es wäre selbst für ein gut vernetztes Kunstmuseum wie das Frankfurter Städel ein aussichtsloses Unterfangen gewesen, diese Kapelle für eine Ausstellung nach Frankfurt zu holen, aber immerhin sind die von Jochen Breu d.Ä. gemalten Flügelbilder der kleinen Orgel zu sehen, Putten und Büsten aus der Kapelle und Bildnisse der Fugger von Hans Burgkmair d.Ä. und Hans Holbein d.Ä.
Diese beiden waren es auch, die der Renaissance im Norden den Weg bereiteten. Der etwas konservativere Holbein setzte sich primär mit der altniederländischen Malerei auseinander, der progressivere Burgkmair orientierte sich überwiegend an der Kunst Italiens. Von beiden vereint die 180 Kunstwerke umfassende großartige Ausstellung vor allem religiöse Tafelmalerei, Portraits, Zeichnungen und Druckgrafiken. Ergänzt werden diese durch Arbeiten weiterer Augsburger Künstler aus der Zeit von 1480-1530 sowie durch bedeutende Werke deutscher, italienischer und niederländischer Meister, die sich in der Sammlung des Städels befinden. Den Höhe- und Schlusspunkt der zweiteiligen Ausstellung bilden die beiden Meisterwerke von Hans Holbein d.J., die sogenannte „Solothurner Madonna“ (1522) und die „Madonna des Bürgermeisters Jacob Meyer zum Hasen“ (1526-1528).

Hans Holbein d.J.: „Madonna des Bürgermeisters Jacob Meyer zum Hasen“, 1525/26 und 1528, Öl auf Nadelholz, Sammlung Würth, Inv. 14910 Foto: Volker Naumann, Schönaich

Die Frankfurter Ausstellung zeigt zum einen, dass besonders Burgkmair ein weit unterschätzter Maler ist. Er experimentierte mit verschiedenen neuen Techniken, etwa dem in der italienischen Zeichenkunst etablierten Rötelstein, und kooperierte mit Künstlern anderer Genres. Er war vielleicht kein Theoretiker wie Albrecht Dürer, beschäftigte sich weniger mit dem Studium der Figuren oder Fragen der Perspektive, er achtete aber besonders auf das Ornament, auf das Helldunkel, das colorito. Besonders schön zeigen das seine zwei Altartafeln, die „Dornenkrönung Christi“ und „Kreuztragung Christi“, die mit warmgestimmter, auf wenige Farben reduzierter Palette gemalt sind. Oder die „Geschichte der Esther“, die ohne die venezianische Historienmalerei, ohne Vittore Carpaccio und Gentile Bellini nicht denkbar wäre.
Die Frankfurter Ausstellung zeigt zum anderen, dass Kunst nicht im luftleeren Raum entsteht. Holbeins Altar, gemalt für die Ordensniederlassung der Dominikaner in Frankfurt, ist ein eindrückliches Zeugnis der aggressiven Bildpropaganda der Frankfurter Dominikaner. Mit den Passionsdarstellungen richtete sich der Konvent einerseits gegen die Juden, die im unmittelbar benachbarten Ghetto wohnten, andererseits aber auch gegen die konkurrierenden christlichen Orden in Frankfurt, zeigt doch der Dominikaner-Stammbaum zwei vegetabile Ranken, die vom alttestamentarischen Stammvater Jesse und vom Ordensgründer Dominikus ausgehen und bei Maria mit dem Jesusknaben enden. Meint: Wer sein Seelenheil gut abgesichert wissen wollte, investierte bei den Dominikanern!
Und dann ist da natürlich noch der jüngere Holbein, der Unersättliche, der in zehn Jahren das durchlief, wofür die anderen 30 Jahre benötigten. Er ist der unbestrittene Meister der Renaissance im Norden – und die war etwas durchaus Eigenständiges.

Holbein und die Renaissance im Norden. Städel Museum, Schaumainkai 63, Frankfurt am Main. Bis 18.02.2024.

Bildquellen

  • Hans Holbein d.J.: „Madonna des Bürgermeisters Jacob Meyer zum Hasen“, 1525/26 und 1528, Öl auf Nadelholz, Sammlung Würth, Inv. 14910: Foto: Volker Naumann, Schönaich
  • Hans Holbein d.J.: „Solothurner Madonna“, 1522, Öl auf Lindenholz Kunstmuseum Solothurn, Übernommen vom Kunstverein, 1879: Foto: David Aebi, Bern