Grimmiger Oger oder Papiertiger? Das Kulturzentrum Art`Rhena startet erfolgreich in die Programmsaison 23/24

Das 2021 symbolträchtig mitten auf der Rheininsel zwischen Vogelgrun im Elsass und dem deutschen Breisach gegründete Kulturzentrum Art`Rhena setzt zielstrebig seinen Weg fort. Das ambitionierte kulturelle Großprojekt dient der allseitigen Förderung des interkulturellen Austauschs zwischen den BewohnerInnen beider Ufer und wird organisatorisch von der Communauté de Communes Alsace Rhin Brisach in Partnerschaft mit der Stadt Breisach getragen. Stand die erste Programmsaison (jeweils von Oktober bis Juni/Juli des folgenden Jahres) leider unter erschwerten Corona-Bedingungen und diente überwiegend der Etablierung des nahezu alle Sparten umfassenden Veranstaltungs- und Mitmachprogramms für Jung und Alt, sorgte das zweite Programmjahr für einen deutlichen Aufschwung der Besucherzahlen. namentlich von deutscher Seite. Der anfangs tröpfelnde Besucherstrom von diesseits des Rheins wuchs laut Directeur Jérémy Goltzéné auf mittlerweile 35 bis 40 Prozent.
Zielpublikum ist nach wie vor ein breiter Bevölkerungsquerschnitt aller Generationen. Die Veranstaltungpalette versucht, die objektiv bestehenden Sprachbarrieren möglichst zu minimieren. Deshalb umfasst der Spielplan überwiegend Veranstaltungen aus den Genres Tanz, Circus, Musik, Marionettentheater, Akrobatik, Pantomime oder einem Mix daraus. Beim Sprechtheater oder Kabarett sind es dann zumeist komplett fanzösische oder deutsche Aufführungen. Wann immer möglich und sinnvoll werden thematische Workshops mit den Veranstaltungen verbunden oder es finden in Absprache mit den Schulträgern grenzüberschreitende Schulprojekte mit künstlerischer Praxis statt.
Dass dieses Konzept vorzüglich aufgeht und sein jeweils spezifisches Publikum findet, konnte man beim Auftritt des in ganz Frankreich bekannten Sängerpoeten Ben Herbert Larue miterleben. Er präsentierte zusammen mit einer Band seine mit lustigen theatralischen Elementen unterlegte musikalische Erzählung „L`Ogre en papier“ über einen unglücklichen Papieroger für ein Publikum ab fünf Jahren. Dieser würde zwar liebend gerne seiner Oger-Bestimmung als misanthropischer Unhold oder gar Ungeheuer nachkommen, sieht sich darin jedoch immer wieder durch die hartnäckige Fragerei und Kritik insbesondere seitens der Kinder und Jugendlichen verunsichert und seiner abstoßenden Wirkung beraubt. Im Publikum saßen Omas, Opas, Mütter und Väter mit ihren Kindern und nahmen von Anfang an durch Zwischenrufe, Kommentare, Beifall oder Missfallensäußerungen aktiv an der Aufführung teil, was natürlich durch Larues Dramaturgie provoziert war. So wurde schließlich aus dem Möchtegern-Monster ein eigentlich recht sympathischer Papiertiger. Nicht vergessen sei hier, die hohe musikalische Qualität und einfallsreiche Präsentation von Larue und seiner dreiköpfigen Begleitband hervorzuheben. Rockig-mitreißende Rhythmen, geistreiche Gags am laufenden Band, elaborierte Soli, chorische Mehrstimmigkeit als Unterfütterung und vielfach auch Kommentar von Larues rauer Oger-Stimme – alles ein stimmiges Ganzes zur mit viel Beifall quittierten vollen Zufriedenheit des Mehrgenerationen-Publikums.
Nach der Aufführung hatte Maryline Joli viele Bastel- und Zeichenmaterialien vorbereitet und lud im großzügigen Art`Rhena-Foyer zu einem Eltern-Kind-Workshop ein. So konnten alle, die wollten, ihren imaginären Oger aus Papier selbst kreieren und mit nach Hause nehmen.
Eine gute Gelegenheit, das ganze Spektrum des Art`Rhena-Kulturzentrums kennenzulernen, bietet sich am 16. Dezember beim großen Weihnachtstag. Ab 14.30 Uhr verwandelt sich das Foyer in einen Weihnachtsmarkt, bei dem lokale Künstler und Kreative ihre Werke anbieten.
Ab 15 Uhr singen Les Frangins Lindecker unter dem Titel „Les Noёl de Papy“ bekannte und unbekannte Weihnachtslieder aus aller Welt für die ganze Familie. Ab 20 Uhr verstärken sich die Lindeckers mit La Camelote und gemeinsam bieten sie unter dem Titel „La Brocante de Noёl“ ein schräges, festliches, verrücktes, fröhliches Weihnachtskonzert mit überraschenden Titeln, aber auch neu arrangierten Klassikern des französischen Chansons von Bourvil, Brassens, Piaf oder Perret.
Noch ein besonderer Ausblick: Am 26. Januar gastieren um 20 Uhr die an der Hochschule für Musik in Freiburg angesiedelten MusikerInnen des „Europäischen Doktorandenkollegs für musikalische Interpretation und künstlerische Forschung“ mit einem experimentellen Programm, das in die Welt des Atems und des Klangs mit Stimme, Klarinette, Saxophon Flöte und Perkussion entführt.

Weitere Infos: www.artrhena.­eu

Bildquellen

  • Ben Herbert Larue (Mitte) und Band in Full Action: © Erich Krieger