Friedrich Kallmorgen – Retrospektive in der Städtischen Galerie Karlsruhe

„Greifbare Geschichten“

Das strahlende Licht an einem klaren Wintertag. Die feuchte Kälte an einem regnerischen Morgen im November. Friedrich Kallmorgen hat in seinen Bildern nicht nur Landschaften, Städte oder Menschen abgebildet, er hat Atmosphäre eingefangen. Ob es der Widerschein von Laternenlicht auf nassem Straßenpflaster ist oder die trockene, festgetretene Erde, auf der die Taufgesellschaft im Frühling durch das Markgräflerland zur Kirche geht, jedes Gemälde von Kallmorgen erzählt eine beinahe greifbare Geschichte. Die Städtische Galerie Karlsruhe widmet dem 1924 verstorbenen Künstler bis zum 26. Juni eine große Retrospektive. Rund 200 Arbeiten Kallmorgens, von großen Ölgemälden bis zu kleinen Druckgrafiken, geben einen umfassenden Einblick in das Schaffen des zu Lebzeiten sehr bekannten Malers.

Damit verbunden ist der Blick auf das Leben des Künstlers. Viele Bilder des Hamburger Hafens bei nahezu jeder Art von Seegang, aber auch von Hamburger Kirchen und Gassen, verraten die Verbundenheit Kallmorgens mit seiner Heimatstadt. Durch das Studium bei Gustav Schönleber blieb Kallmorgen in Karlsruhe „hängen“. Hier lernte er seine Frau, die Blumen- und Stilllebenmalerin Margarethe Hormuth, kennen. Ganz in der Nähe, in Grötzingen, baute sich Familie Kallmorgen ein Sommerhaus. Das Ehepaar gehörte damit zu den Gründungsmitgliedern der Grötzinger Malerkolonie. Dieses Haus, aber auch Familienmitglieder, lassen sich in der Ausstellung entdecken. Kallmorgen arbeitete nicht als Porträtmaler, die Frau, die sich mit einem blühenden Rosenstämmchen befasst, war die Ehefrau. Die junge Dame mit Blumenstrauß im Arm, die etwas gelangweilt drein blickt, entpuppt sich als die Tochter, der Junge, der an einem Baum lehnt, als Sohn, und die niedlichen Enkelinnen hat der Maler natürlich ebenfalls im Bild verewigt.

Friedrich Kallmorgen war gern und viel unterwegs. Bis in den hohen Norden, nach Spitzbergen, reiste er. Ein besonderes Faible hatte der Künstler für die Küste und die Landschaft Hollands, eine Reihe von Gemälden zeigt holländische Fischerkinder am Strand. Dramatische Situationen malte Kallmorgen so, dass man zwei Mal hinschauen muss. Was auf den ersten Blick nach einer gemütlichen dörflichen Szene aussieht, erweist sich dann als die Nachricht vom Brand im Nachbardorf. Dieser Brand ist ganz hinten im Bild angedeutet. Und wer denkt, die Menschen im Getreidefeld hätten Angst vor dem heraufziehenden Gewitter, von dem dunkle Wolken künden, sollte noch mal hinschauen. Dunkler Rauch vermischt sich im Hintergrund des Bildes mit den Wolken, denn auch hier brennt das Dorf. Friedrich Kallmorgen war als Maler ein guter Erzähler, der es gern spannend machte.

Höchste Zeit also für eine Wiederentdeckung des Künstlers. Ein Mann ist schon seit vielen Jahren fasziniert von Kallmorgens Fähigkeit, in seinen Bildern eine ganz bestimmte Stimmung einzufangen: der Sammler Rolf Kaletta. Neunzig Prozent der ausgestellten Werke Kallmorgens stammen aus seiner Sammlung.

Ergänzt wird die Ausstellung durch einige Bilder aus dem Werk von Margarethe Hormuth-Kallmorgen. Die leuchtenden Farben und die sinnliche Ausstrahlung ihrer Blumengemälde zeigen, warum auch sie eine erfolgreiche Künstlerin war.

„Friedrich Kallmorgen“. Städtische Galerie Karlsruhe. Bis 26. Juni 2016. Mi – Fr 10 – 18 Uhr, Sa+So 11 – 18 Uhr, Freitag ab 14 Uhr freier Eintritt.

Nike Luber