Francesco Cavallis Oper „Veremonda“ bei den Schwetzinger SWR Festspielen

Conchita Wurst in Gummistiefeln

Eine Stahlwand riegelt die Bühne ab. Sie bildet einen starken Kontrapunkt zum verspielten, weiß-goldenen Interieur des Rokokotheaters im Schwetzinger Schloss. Die Spielfläche für Francesco Cavallis rund dreistündige Oper „Veremonda“ aus dem Jahr 1652 muss erst von den allegorischen Figuren Sole/Sonne (Alin Deleanu) und Il Crepuscolo/Dämmerung (Johannes Mayer) erschaffen werden, die die Wand mit vereinten Kräften nach hinten schieben.

 Francesco Cavallis Oper „Veremonda“ bei den Schwetzinger SWR Festspielen
Die amazonenhafte Veremonda (Netta Or) bedroht Delio
(Lawrence Zazzo) © Martina Pipprich

Für die deutsche Erstaufführung der Oper zur Eröffnung der Schwetzinger SWR Festspiele setzt die frühere Freiburger Intendantin Amélie Niermeyer von Beginn auf ganz konkrete, mal verspielte, mal verstörende Bilder. Die Figuren des Prologs, die während der Oper immer wieder auftauchen, tragen lange schwarze Haare, Gummistiefel, Minirock und Bart. Als mehrfach geklonte Conchita Wurst machen sie gute Miene zum mitunter bösen Spiel, verführen mit Blicken und Gesten und wenden auch mal selbst Gewalt an.

Als eine der ganz wenigen frühbarocken Opern fußt „Veremonda“ nicht auf einer mythologischen Geschichte, sondern hat einen ganz konkreten historischen Hintergrund. Die Reconquista genannte Rückeroberung der muslimischen Gebiete auf der Iberischen Halbinsel durch spanische Christen ist der Rahmen, in dem die Liebesgeschichte zwischen dem christlichen Feldherrn Delio und der maurischen Königin Zelemina, die dem noch muslimischen Gibraltar im Jahr 1244 vorsteht, angesiedelt ist.

Der Monteverdi-Schüler Cavalli hat dafür eine bewegliche, kleinteilige Musik geschrieben, die das Originalklangensemble Concerto Köln farblich differenziert. Die Continuogruppe wird aus zwei Gamben, zwei Theorben, Harfe, Cembalo und Orgel immer neu gemischt, so dass die vielen, langen Rezitative eine echte Dialogstruktur bekommen. Andrés Locatelli, der kurzfristig für den gesundheitlich angeschlagenen Dirigenten Gabriel Garrido einspringen musste, ist ein umsichtiger musikalischer Leiter. Er setzt auf Nuancierung, anstatt die Kontraste herauszukitzeln. Und lässt der Musik Cavallis ihre Feinheit.

Szenisch geht es da gröber und greller zu. Der kalte Bühnenraum von Stefanie Seitz erinnert mit Wellblech und Belüftungsschlitzen an einen Bunker. Die in sexy Schuluniformen gesteckten Amazonen werden von Veremonda mit Kalaschnikows bewaffnet (Kostüme: Kirsten Dephoff). Lawrence Zazzo macht mit seinem vollen, enorm tragfähigen Altus Delio zu einer vielschichtigen Persönlichkeit. Alexandra Samouilidou (Zelemina) berührt mit ihrem glasklaren Sopran, gerät aber wie Johannes Mayer (Il Crepuscolo/Zeriffo) gelegentlich intonatorisch aus der Spur. Das Königspaar ist mit der präsenten, etwas nasal klingenden Netta Or als Veremonda und dem bewährten Countertenor Matthias Rexroth in der Rolle des vergeistigten Königs Alfonso gut besetzt. Nach der Pause gewinnt die Musik vor allem in den von Ritornellen gestützten Arien noch an Intensität.

Und auch der Regie gelingen stärkere Bilder. Wenn Zelemina und Delio ihre Liebe besingen, dann kündet der Aschenregen schon von der kommenden Katastrophe. Die im Orchestergraben befeuerte Schlachtenmusik ist in rotes Licht getaucht. Zelemina und ihre Zofe Zaide Nutrice (Frances Pappas) werden blutverschmiert auf die Bühne gezerrt. Bedrohlich schiebt sich die Rückwand nach vorne, ehe am Ende alle dicht aneinander gedrängt direkt vor dem Orchestergraben stehen und die Christen zur letzten Schlacht aufrufen.

Weitere Vorstellungen: 20.6., 6./13.7.2016, Staatstheater Mainz.

Georg Rudiger

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