Feier-Abend! Die letzten 3 AKW werden abgeschaltet

Als Stromkonzernchef muss man doch verzweifeln, ständig werden die Geschäftsmodelle infrage gestellt, bei denen die lästigen, kleinteiligen Bürger-Projekte außen vor bleiben und nur einige wenige viel Geld verdienen können. Zentralistische Großkraftwerke, also Kohle, Atom und Gas-Infrastruktur, die einem nicht von Bürgerinitiativen streitig gemacht werden. So hockt man als Spinne im Netz, akkumuliert Geld und Macht, um mit Geld und Macht wiederum die Bedingungen zu kontrollieren, die mehr Geld in die eigenen Kassen spülen und weitere Marktmacht sichern. Der Atomausstiegsbeschluss im Fukushima-Jahr 2011 war schon ein harter Schlag für alle, die in diesen Strukturen denken. Er wurde mit holperigen Ausstiegs-Stufen so konstruiert, dass in den letzten beiden Abschaltjahren, 2021 und 2022, steile Klippen Ausstiegsprobleme vorprogrammieren. Und es wurde auf dem Weg zum Ausstiegsjahr 2022 mithilfe der Verbündeten in Politik und Behörden der Ausbau der Erneuerbaren nach Strich und Faden behindert, um nun lauthals die Versorgungsprobleme zu bejammern. Mit einer schwarzgelben Regierung hätte man den Rollback organisieren können, wie damals, vor Fukushima, aber es ist im September 2021 bekanntlich anders gekommen.
Nachdem dann auch noch ein Kohleausstiegspfad beschlossen wurde – übrigens ebenso holprig konstruiert und mit den gleichen Fallhöhen am Ende der Stufen, wie beim Atomausstieg – blieb als zentralistisches Geschäftsmodell nur noch das Erdgas. Der breiten Öffentlichkeit blieben die Vorbereitungen für eine Erdgas-PR-Offensive verborgen, doch in diesen Kontext gehört sowohl Peter Altmaiers Kapriole, sich als „Sexy-Erdgas-Botschafter“ zu inszenieren – in seiner Eigenschaft als Wirtschaftsminister – als auch die Strompreis-alarmistischen Presse-Offensiven im Herbst 2019. Man wollte es mal wieder den Erneuerbaren in die Schuhe schieben. Dumm für die Gas-Lobby, dass zeitgleich und auf der Grundlage derselben Daten (!) die Strompreisstudie der Uni Nürnberg/Erlangen belegte, dass die Erneuerbaren den Verbraucher:innen Milliardenbeträge erspart haben. Ohne Solar- und Wind-Strom wäre man auf – schon damals teure – Gaskraftwerke angewiesen gewesen, das hätte die Strompreise tatsächlich getrieben.
Nun also jammern nur noch einige dienstbeflissene Atom-Lautsprecher wie Merz, Lindner, Söder oder Kretschmer, während die drei Betreiber der letzten drei AKW den Ausstieg zum 31.12.2022 im Detail durchgeplant haben.

Brennstäbe können nicht einfach irgendwo gekauft werden
Der RWE-Chef Markus Krebber wundert sich über die „rückwärtsgewandte Debatte“ und „vor allem über den Zeitpunkt“, es sei zu spät. Die Personalplanung ist auf den Abschalttag zugeschnitten, den Brennstoff kann man nicht bei Aldi kaufen, die Brennelemente werden speziell für das AKW konfektioniert und auch eine Abkehr von russischen Lieferanten innerhalb der Lieferkette vom Uran bis zum Brennelement ist mit Genehmigungsaufwand verbunden. Eons Atomtochter PreussenElektra bekannte noch im März, sich in russische Abhängigkeiten begeben zu haben. Das 2007 vom Ex-Geheimdienstler Putin gegründete, staatliche Konzern-Konglomerat Rosatom verfolgt genau diesen Zweck, nämlich sich wie eine Krake in der internationalen Atomwirtschaft auszubreiten und so sensible Abhängigkeiten zu organisieren. Die 360 Rosatom-Firmen decken die gesamte Palette vom Uran-Bergbau über Kernbrennstoff-Produktion, Forschung, AKW-Bau und Betrieb, Atomwaffen und Atomantriebe für U-Boote und andere Kriegsschiffe ab. Kein Wunder also, dass auch russische Atom-Lobbyisten in Brüssel die Strippen für ein grünes EU-Label für Atomkraft ziehen. Wer begriffen hat, wie Moskau Europa am nuklearen Gängelband hält, möchte die Laufzeit-Prediger einfach nur schütteln, egal ob ihre Ahnungslosigkeit echt oder nur vorgetäuscht ist. Die strategische Ahnungslosigkeit all der Landesfürsten und Partei-Kaiser soll darüber hinwegtäuschen, dass sie nackt sind und gerne davon ablenken möchten, dass sie keinerlei Lösungsvorschläge parat haben, für all die Krisen, in die sie uns hineinmanövriert haben.

Das Atomgesetz wird nicht geändert
Der Kraftwerksleiter vom bayrischen AKW Isar2 drängte jüngst mit Vorschlägen in die Medien, wie man den Ausstieg in Bayern doch noch rückgängig machen könne. Man müsste halt das Atomgesetz ändern und alles über den Haufen werfen – natürlich auf Kosten der Steuerzahler:innen. Ende Juni meldete sich dann sein Chef, der Eon-Vorstandsvorsitzende Leonard Birnbaum zu Wort. In einem Brief an die Belegschaft der Atomkraft-Tochter PreussenElektra stellte er klar, dass die Entscheidung der Bundesregierung respektiert wird. „Ich kann mir vorstellen, dass sich der eine oder andere von Ihnen Hoffnungen gemacht hatte, dass es für die Kernenergie für eine Zeit lang als Übergangslösung doch noch etwas weitergeht“, aber das AKW Isar 2 geht im Dezember vom Netz.
Die Atomtraumtänzer werden also noch eine Weile strampeln, um mediale Aufmerksamkeit buhlen, das tote Atompferd durch die Manege zerren, bis wirklich der letzte Depp begriffen hat, dass unter den gegebenen Vorzeichen keine Änderung des Atomgesetzes ihren Traum von der ewigen Laufzeit erfüllen wird. Nicht nur das bayrische AKW Isar 2, auch die AKW von RWE in Lingen (Niedersachsen) und EnBW in Neckarwestheim (BW) werden am 31.12.2022 abgeschaltet, wie die beiden Konzerne mehrfach bestätigten. Beide haben jüngst wieder mit Lecks für schlechte Presse gesorgt.

Atomausstieg by design oder by desaster?
Schon jetzt zeichnet sich im Atom-Nachbarland Frankreich ein Debakel für den kommenden Winter ab, das bestätigen wird, wie richtig es ist, sich mit Erneuerbaren unabhängig von fossil-nuklearen Brennstoffen zu machen. Der jahrelange, kreative, facettenreiche, beharrliche Widerstand gegen die Atomkraft zahlt sich aus. Jeder und jede, die ihren Teil dazu beigetragen hat, soll bei einer Ausstiegsradtour mit anschließendem Abschaltfest gewürdigt werden. Es war nicht die Heldentat eines einzelnen, sondern das erfrischend chaotische Zusammenspiel aller, die irgendwo einen Hebel in die richtige Richtung geschoben haben.
Wer die ausgestrahlt.de-Radtour vom 13. August bis zum 3. September, von Kahl/Main nach Freiburg, entlang der neuralgischen Punkte des atomaren Südens in und um Deutschland ganz oder stückchenweise begleiten möchte, findet das Programm unter https://www.ausgestrahlt.de/aktiv-werden/anti-atom-radtour-2022/anti-atom-radtour-sued. Auf der letzten Etappe, von der Wiege des Atom-Protestes in Wyhl nach Freiburg, freuen sich die Radler:innen auf der 35 km langen Strecke auf freundliche Begleiterscheinungen auf Rädern. Sie alle werden in Freiburg ab 14 Uhr auf dem Platz der alten Synagoge zu einem familienfreundlichen Anti-Atom-Fest, mit Musik, Kultur, Getränken und Snacks empfangen.

Ab 18 Uhr wird in der Fabrik an der Habsburgerstraße weiter gefeiert. Bei Abendessen und Getränken gibt es im Hof ein kleines Kulturprogramm, im Vorderheus spielen Bands, die Fahrradwerkstatt wird zur Disko und im Kinoraum werden Kurzfilme gezeigt.

Bildquellen

  • Die Abbildung zeigt, dass die Fehler im Atomausstiegs-Fahrplan vorsätzlich eingebaut wurden, um die Basis für Laufzeitverlängerungen zu schaffen. Bemerkenswerter Weise ist der Kohleausstiegs-Pfad exakt so unstetig geplant, mit großen Klippen am dicken Ende.: Abb.: Eva Stegen
  • Feier-Abend! Die letzten 3 AKW werden abgeschaltet: Foto: pixabay