Nacktmulle, Alpakas und das ewige Leben: Renè Anours Buch „Das Arche Noah Prinzip”

Wieviel können wir der Natur noch abverlangen? Und wieviel könnte man aus der Natur noch potentiell nutzen? Diesen Spagat versucht Renè Anour in seinem Buch „Das Arche Noah Prinzip. Heilung aus dem Tierreich” seinen Leser:innen näher zu bringen. Aber ist dies überhaupt möglich?

Noch so ein Artikel zur Aufklärung von Zoonosen, den Verlust der Biodiversität und der nicht artgerechten Haltung von Masttieren, denken sie jetzt. Doch es ist nicht ganz wie es scheint.
„Das Arche Noah Prinzip” ermöglicht den Leser:innen einen einfachen und emotionalen Einstieg in ein Thema, welches auch die Verschwörungstheoretiker:innen unter Ihnen aufhorchen lassen wird. Wie ermöglicht uns die Tierwelt die Tumorbekämpfung, die Krebsheilung oder gar das ewige Leben. Laut Anour gibt es nämlich bereits seit längerer Zeit Forschungen zu außergewöhnlichen Tieren, deren Eigenschaften von höchstem Interesse für eben diese Ziele sind. Und das alles ohne Jungfrauen- oder Kinderblut. Ob mit dem Gen Kloth, Hydren, arktischen Tiefseeschwämmen oder dem nicht zu unterschätzenden Nacktmull, um den laut Anour ein ganzes Buch hätte geschrieben werden können. Sie alle haben außergewöhnliche Fähigkeiten, die wir mit unserem bisherigen Forschungsstand schwer einordnen können, aber verzweifelt gerne würden. Insgesamt ist das Buch ein weit gefasster Überblick über die Möglichkeiten, ob bereits entdeckt oder noch unentdeckt, die die Vielfalt der Natur uns bieten kann. Durch viele verschiedene wissenschaftliche Beispiele und persönliche Geschichten hangelt sich Renè Anour in 200 Seiten von Tier zu Tier und zeigt so die Potentiale der Problem- und Krankheitsbekämpfungen, welche sich durch diese ergeben auf. Auch wenn diese Themenfelder komplex klingen mögen, „Das Arche Noah Prinzip” ist wie ein Schulbuch, mit kursiven zusammengefassten Wissensständen am Ende jedes Kapitels, sei es noch so kurz, sehr gut bekömmlich.

Biblische Wahrheit?
Warum aber der Name Arche Noah Prinzip? In einer anfänglichen Geschichte beschreibt der Autor die Geschichte Noahs, wie er eine Taube auf den Weg für die Suche nach Land geschickt haben soll. Nach einer Ausführung warum genau die Taube durch ihre Muskelkraft der beste Vogel für diese Aufgabe ist, endet die Geschichte mit einem wiedergebrachten Olivenzweig im Schnabel des Tieres. Der Olivenzweig stellt in der biblischen Geschichte das nahende Land dar. In unserer Geschichte allerdings soll er sinnbildlich sein für die nicht zu unterschätzenden Potentiale, die die Tierwelt immer noch für uns bereithält. So gab es beispielsweise auch bei der Suche nach einem Heilmittel für den Corona Virus eine erstaunliche Wiederentdeckung der Antikörper von Kamelen. Im Gegensatz zu menschlichen Antikörpern, sind diese viel kleiner und leichter und erhielten deswegen den Namen Nanobodies. Trotz ihrer Größe und ihres Gewichts haben sie die gleiche Wirksamkeit und Forschende vermuten, dass sie sogar die Blut-Hirn-Schranke überwinden könnten. Nanobodies könnten also auch in der Heilung von Hirntumoren eine größere Rolle spielen. Einige Forscher:innen des Max-Planck-Instituts brachten die 1989 entdeckten, doch lange beiseite gelegten Antikörper wieder ans Tageslicht. Ihr Ziel war es in Folge der Corona Krise die Immunresistenz von drei weiblichen Alpakas zu untersuchen. Dafür induzierten sie den Tieren Spikeproteine und nahmen wenig später eine Blutprobe. In dieser fand man nicht etwa eine Infektion mit dem Virus, sondern einen reichlichen Gehalt an Nanobodies und dadurch eine äußerst starke Resistenz gegenüber dem Corona Virus. Diese Erkenntnis führt heute zu vielen weiteren Forschungen an diesen ganz besonderen und vielversprechenden Antikörpern.

Das Geheimnis der Nacktmulle
Aber auch in anderen, existenziellen Bereichen hält die Tierwelt etwas für uns bereit. Beispielsweise ist ja relativ bekannt, dass wir alle einmal sterben werden. Manche Lebewesen früher, manche später. Das liegt, wie auch Dr. René Anour beschreibt, an der Stoffwechselrate eines jeden Lebewesens. Ist diese hoch, also schlägt das Herz pro Minute öfter, so hat man eine geringere Lebenserwartung. Während beispielsweise Blauwale mit sechs Herzschlägen pro Minute auskommen und bekanntlich recht alt werden, hat die Etruskerspitzmaus mit tausend Herzschlägen in der Minute nur wenige Jahre zu leben. Ein besonderes Säugetier macht dieser These aber einen Strich durch die Rechnung: der Nacktmull. Die Erforschung dieses kleinen Tiers wird heute bereits von Megakonzernen gesponsert. Und dabei traf man auf ganz erstaunliche Erkenntnisse. Während bei uns Menschen im Erwachsenenalter das Risiko zu sterben exponentiell steigt, ist das Sterberisiko für einen sechsjährigen Nacktmull genauso hoch wie das für einen zwanzigjährigen Nacktmull. Also verständlicher ausgedrückt hätte der Nacktmull in Menschenalter umgerechnet im Alter von sechzig noch die gleiche Agilität wie mit zwanzig Jahren. Und sogar die Fruchtbarkeit des Nackmulls nimmt mit dessen Lebenszeit eher zu. Das größte Potential aber, dass die Nacktmulle bereithalten, ist ihre Resistenz gegenüber Tumoren. Nacktmulle bekommen keinen Krebs und das macht sie als Säugetiere weitgehend einzigartig. Ganz konkret hat dieses Phänomen mit Hyaluronsäure zu tun, von der ein Gramm bereits 6 Liter Wasser binden kann. Dies hat viele positive Vorteile, wie zum Beispiel unsere Zellen vor Druckeinwirkungen zu schützen oder Immunzellen leichter durch den Körper bewegen zu lassen. Damit der Nacktmulll in seinem Bau in den engen Gängen an Artgenosse:innen vorbeikommt braucht er für die Flexibilität und Elastizität seines Körpers eben das: Hyaluronsäure. Und diese wird sogar schon in der Wissenschaft ganz unverhohlen als Super-Hyaluronsäre bezeichnet. Der Zauberstoff der Nacktmulle schützt nämlich nicht nur die Zellen vor Stress und Zelltod, sondern aktiviert auch ein Frühwarnsystem vor Tumoren, welche dann sogleich auch bekämpft werden. Und das beste ist: Sie funktioniert auch bei menschlichen Zellen. Erneut also eine mögliche Lösung für ein Problem, das die Menschheit schon lange umtreibt. Nicht aus dem Labor, sondern von Lebewesen wortwörtlich direkt zu unseren Füßen. Tragisch dabei ist nur, dass Menschen anscheinend erst solche Selbsterhaltungsnutzen erfahren müssen, um den Erhalt der Vielfalt gewährleisten oder umsetzen zu wollen. Nicht etwa der Vielfalt wegen, sondern des Nutzens für die Menschheit wegen. Aber so ist der Mensch leider nun mal, behauptet auch Anour. Erst wenn etwas in nächster Nähe sichtbar wird, können wir damit umgehen. Wenn die Menschheit es schon nicht schafft, in den eigenen Reihen auf Diskriminierung, Vertreibung oder sogar Genozid zu verzichten, wie sollen wir dann andere Arten vor uns schützen? Um diesem Problem entgegenzuwirken betont Anour, wie wichtig es ist, sich mit der Artenvielfalt auseinanderzusetzen oder wie er schreibt: „sie zu erleben, so oft es geht.”. Und das muss, laut Anour nicht in der Savanne bei einer Safaritour in Südafrika sein, sondern kann bereits im Vorgarten beginnen. Vögel, Ameisen, Marienkäfer, Bienen und Hummeln. So einiges ist da direkt vor der Haustür zu finden. Aber auch wenn Sie keinen Vorgarten haben, können uns die dem Menschen vertrautesten Tiere, laut Anour, wieder mit der Natur in Einklang bringen: Die Haustiere.

Durch Streicheleinheiten wird das sogenannte Kuschelhormon Oxytocin ausgeschüttet
Foto: pixabay

Stetige Begleiter
Mein Freund und ich sind uns beim Thema Katzen eher uneinig. Während er auf der Seite der Katzenfreund:innen ist, denke ich immerzu an die Vögel die jährlich von den Hauskatzen weiter determiniert werden. „Das Arche Noah Prinzip” allerdings liefert einige nachgewiesene Argumente, die für die Anschaffung eines Haustiers sprechen. Durch Streicheleinheiten dieser wird beispielsweise das sogenannte Kuschelhormon Oxytocin ausgeschüttet. Das gleiche Hormon, das bei der Berührung oder beim berührt werden des/der Partner:in gebildet wird. Man erfährt dadurch Wohlbefinden und Entspannung. Durch den Umgang mit den uns freundschaftlich engen Tieren kann unsere psychische Gesundheit verbessert werden, im Falle eines Hundes sogar die körperliche Fitness durch viele Spaziergänge. Und manche Forscher:innen behaupten sogar, dass sich das Schnurren einer Katze positiv auf die menschliche Knochenheilung auswirken könnte. Wenn Sie liebe(r) Leser:in nun ein Haustier haben, ist also der Schritt zu einem allumfassenden und wertschätzenden Blick auf die Welt nicht mehr weit. Schließlich beeinflusst Sie die Tierwelt, laut Anour, bereits täglich. Dies sollte aber natürlich keinesfalls ein Appell sein, sich einer schnellen Naturverbundenheit wegen unüberlegt ein Haustier anzuschaffen. Auch Anour stellt dies klar in den Vordergrund. Schließlich geht es ja nicht um eine neue Hüpfburg im Garten, sondern ein fühlendes und auch leidensfähiges Lebewesen. Und wo wir gerade dabei sind. Fernab von den Haustieren, haben wir noch eine ganz andere Maschinerie am laufen. Masthühner werden zu über 18 Stück auf einem Quadratmeter zum Schlachten „angezüchtet”. Schweine, die ja bekanntlich zu den intelligenteren Tieren gehören, werden nach nur sechs Monaten ohne Bewegungsfreiheit betäubt und per Fließbandarbeit in Rekordzeit in ihre Einzelteile zerlegt. Ironischerweise ist zumindest durch diesen kruden Fleischkonsum der Erhalt dieser speziellen Arten gewährleistet. Nicht zuletzt haben wir durch einen solchen Umgang mit unseren Mitlebewesen seit 2020 ein globales Problem. Und auch andere, noch nicht überwundene Krankheiten, wie beispielsweise Aids, entsprangen einer Zoonose.

Und was jetzt?
Traurigerweise gilt hier der einzig mögliche Appell wieder dem Menschen. MENSCH, du kannst dich für Krankheiten, die dich plagen, einfach mal bei den Lösungsstrategien der anderen erdbewohnenden Lebewesen umschauen. MENSCH, du kannst aber auch Pandemien und bislang unheilbare Krankheiten auslösen, die auch für dich gefährlich sein können, wenn du andere Arten quälst. Ganz schön primitiv oder? Ganz so hart geht Anour auf sein lesendes Publikum nicht ein. Die letzten Kapitel sind sogar Alltagstipps gewidmet. Das Buch ist also eher ein individueller Einstieg in globale Probleme. Es zeigt diese auf, gibt uns aber zu verstehen, dass es noch Hoffnung gibt, wenn wir beispielsweise eine Bienenwiese in unseren Vorgarten pflanzen. Und das ist doch auch ganz schön zu hören, oder? Aber seien wir mal ehrlich. Was würde passieren, könnten wir entsprechende und teils beschriebene Tiere in ihrem Genom und ihrer Lebensweise so erforschen, dass auch bald für uns, vielleicht nicht ewiges Leben, aber die Umsetzung der Midlifecrisis mit 90 entdeckt wäre. Natürlich könnte das positive Effekte auf unser Umwelt und Ökosysteme haben. Niemand könnte sich mehr mit einem baldigen Tod oder einem früh-genug-Tod aus der Affaire ziehen. Auf der anderen Seite, wären diese Behandlungen mit großer Voraussicht zumindest erst einmal nur eine Möglichkeit der Reichen und Superreichen. Ob eine Vielfalt der Natur, nie sterbenden Milliardär:innen gewachsen ist, ist eine Frage, die man schon heute mit sterbenden Milliardär:innen gut beantworten kann. Und auch aus sozialer oder politischer Sicht könnte man eine Entwicklung zum ewigen oder stark verlängerten Leben kritisch sehen. Mögliche Resultate wären unter anderem ein Trump, der alle vier Jahre wieder zur Wahl antreten würde. Und das für immer…

DR. Renè Anour: „Das Arche Noah Prinzip. Heilung aus dem Tierreich” edition a 2021. www.edition-a.at/buecher

Bildquellen

  • DR. Renè Anour: „Das Arche Noah Prinzip. Heilung aus dem Tierreich”: edition a 2021.
  • Durch Streicheleinheiten wird das sogenannte Kuschelhormon Oxytocin ausgeschüttet: Foto: pixabay
  • Forscher:innen des Max-Planck-Instituts untersuchten in Folge der Corona Krise die Immunresistenz von drei weiblichen Alpakas, indem sie den Tieren Spikeproteine induzierten – im Blut der Tiere fand man keine Infektion mit dem Virus, sondern einen reichlichen Gehalt an Nanobodies und dadurch eine äußerst starke Resistenz gegenüber dem Corona Virus: Foto: Pixabay