Ein Blick hinter die Kulissen des im Oktober im E-Werk Premiere feiernden Stücks „Gottlos“

Der Vater des toten Soldaten (Georg Blumreiter) lehnt sich gemütlich im Sofa zurück. „Endlich ist wieder Leben im Haus.“ Seine Frau (Sybille Denker) blickt ihm vorwurfsvoll entgegen. Ihr behagt die ganze Situation nicht, sie will einfach nur ins Bett. Am Abend nach der Beerdigung Antons sind aber noch zwei Freunde da – an Schlaf ist nicht zu denken. Mit voranschreitender Stunde und zunehmendem Alkoholkonsum eskaliert die Situation.
Dem Stück „Gottlos“ liegt ein Politikum zugrunde. Der junge Anton starb während des umstrittenen NATO-Einsatzes in Afghanistan. Sein Vater ist desillusioniert, glaubt nicht an die Mission. Er stößt sich am militärischen Begräbnis, das sein Sohn schließlich bekam. Die beiden Freunde der Eltern (Christian Packbier und Natalja Althauser) heben dagegen die Ideale hervor, für die Anton in den Krieg gezogen ist. Im Hintergrund des Schlagabtauschs, der schon nach wenigen Minuten an Taktung gewinnt, steht die Mutter Antons, still und entsetzt: „Hat Anton sich seine Beerdigung so vorgestellt?“
„Ausgangspunkt des Stücks ist der Verlust des Sohnes. Daran geknüpft ist aber auch eine gesellschaftliche Frage: Wie soll man sich zu dem Auslandseinsatz positionieren? Was tun? Was nicht tun? Das ist ein echtes Dilemma.“ Natalja Althauser spielt nicht nur mit, sondern hat auch das Stück „Gottlos“ geschrieben. Im Duo „Theater eXplosiv“ arbeitet die Schauspielerin, Regisseurin und Autorin zusammen mit Regisseur Christian Theil seit 2020 an ihrem Kammerspiel, das den globalen Konflikt ins deutsche Wohnzimmer holt. Am Anfang des Projekts stand noch die allgemeine Auseinandersetzung mit Auslandseinsätzen. Dann kam der Abzug aus Afghanistan 2021, dann der Ukrainekrieg 2022. „Wir wurden von den Ereignissen überholt.“ Es folgten umfangreiche Recherchen, unter anderem Gespräche mit einem Generalmajor a.D. „Der Major meinte selbst, wie beschämend es gewesen sei, wie wir uns 2021 aus dem Staub gemacht hätten.“
Die Schuld steht bei „Gottlos“ groß im Raum. Alle Figuren wollen, müssen sich dazu positionieren. Zig Vorwürfe fliegen durch den Raum. Niemand will im Unrecht, oder noch schlimmer, verantwortlich sein. Ein undurchdringliches Netz. Ist das nicht zu viel Diskurs, Ballung für ein Theaterstück? „Die Frage haben wir uns natürlich gestellt: Wie weit bricht man ein so komplexes Thema herunter, damit es viele Leute mitnimmt?“ Die Lösung: Immer wieder wird das Tempo herausgenommen. Tragikomische Szenen brechen mit dem Ernst der Lage, bauen eine große persönliche Nähe auf. Christian Theil ergänzt: „Mir ist als Regisseur wichtig, dass die Menschen hinter den Meinungen sichtbar werden. Damit bei aller Dekonstruktion auch Empathie entsteht.“ Empathie für die vier Menschen in einem Wohnzimmer in Deutschland zu empfinden, bedeutet aber auch deren Klaustrophobie zu empfinden, deren unlösbare Widersprüche. Vielleicht ist es das – sich von Gott, einem höheren Sinn verlassen zu fühlen. „Gottlos“ verspricht eine intensive Tragödie zu werden.

Premiere von „Gottlos“ am 6. Oktober, 20.30 Uhr im E-Werk Freiburg. Weitere Termine: 7./8./.12./13./14./15. Oktober, 20.30 Uhr. Weitere Infos: ewerk-freiburg.de/event/gottlos

Bildquellen

  • Ein Blick hinter die Kulissen des im Oktober Premiere feiernden Stücks „Gottlos“: Foto: Theater eXplosiv