Der gebrochene Held

Das Freiburger Theater setzt mit einem packenden „Tannhäuser“ seinen erfolgreichen Wagner-Zyklus fort

Viktoria Mester, Christian Voigt Foto: M. Korbel

Am Ende, mitten in der hochdramatischen Romerzählung, bricht bei Christian Voigt die Stimme weg. Von Intendantin Barbara Mundel als erkältet angekündigt, hatte sich der Freiburger Tenor im ersten Akt noch mit großer Stimmkontrolle und feinem Legato durch die möderische Titelpartie des „Tannhäuser“ gesungen. Im zweiten Akt merkte man dann besonders bei den Tuttiszenen, wie er gegenüber dem mächtigen Chor (Leitung: Bernhard Moncado) und den übrigen Solisten dynamisch abfiel. In der Romerzählung schließlich im letzten Akt stellt er sich mit letztem Einsatz dieser Herausforderung, bündelt für einzelne Töne seine Strahlkraft, gewinnt neue Energie und lässt vor allem auch darstellerisch nicht nach. Am Ende hat der Sänger Tränen in den Augen, als er nach dem Schlussakkord sich dem Premierenpublikum stellt, das seine Leistung mit frenetischem Applaus bejubelt. Diesen Wagner-Abend wird man so schnell nicht vergessen.

Das liegt neben der fulminanten Leistung des Philharmonischen Orchesters Freiburg unter der Leitung von Fabrice Bollon und den packenden Solisten auch daran, dass dieser stimmlich angeschlagene, verletzte Tannhäuser von Christian Voigt die Rollenzeichnung der Regisseurin Eva-Maria Höckmayr unfreiwillig auf die Spitze treibt – und beim Zuhörer Erschütterung hinterlässt. Die Verbannung Tannhäusers durch den Papst, von der der Sänger nach seiner „unentsündeten“ Pilgerreise in die Heilige Stadt erzählt, ist für Höckmayr das entscheidende Trauma der Figur. Deshalb wird die Verbannung schon in der Ouvertüre vorweggenommen, wenn ein riesiger Papst mit Mitra und Bischofsstab den Sünder zu Boden wirft (Kostüme: Julia Rösler). Deshalb steht in den ersten beiden Akten noch ein stummer Tannhäuser als Alter Ego auf der Bühne (Eduard Martens), um die Vorgeschichte in einer Art Rückblick zu erzählen. Venusberg und Wartburg, die beiden gegensätzlichen Orte von Ekstase und Askese, lässt die Regisseurin im gleichen Kirchenraum von Bühnenbildnerin Nina von Essen spielen.
Elisabeth ist mindestens so sinnlich wie Venus, die ihrerseits auch mal im Beichtstuhl sitzt. Immer wieder werden Videos (Valentin Felber) von den sexuellen Fantasien Tannhäusers eingeblendet. Das ist manches Mal dann doch zu überdeutlich – und auch nicht streng zu Ende gedacht. Auch die Doppelung der Titelfigur wirkt vor allem im zweiten Akt eher störend, da der vermeintlich reflektierende Tannhäuser die ganze Zeit nur hypernervös im Set steht. Aber die Regie schafft starke, auch beklemmende Bilder. Und gibt nicht nur im furios inszenierten Sängerwettstreit den passenden Raum für die Musik.
Das Philharmonische Orchester Freiburg wächst an diesem Abend über sich hinaus. Der straffe, gut gemischte Streicherklang, das glasklare Blech (Trompetenfanfaren!), das blitzartige Umschlagen von ruhigem Pilgerchor zur erhitzten Venusbergmusik – ein Gesamtkunstwerk! Bollon lässt es bei den Tuttistellen ordentlich krachen, trägt die Sänger aber auch auf Händen. Und wenn am Ende der Chor „Der Gnade Heil ward dem Büßer beschieden, nun geht er ein in den seligen Frieden“ mehr ruft als singt und das Orchester die Lautstärke nochmals aufdreht, dann zerfällt dieses Happy End wie ein Kartenhaus.
Die eingesprungene Anna Nechaeva gibt Elisabeth üppige Farben und stimmliche Reife. Viktoria Mester, neu im Ensemble, ist eine Venus von Format. Auch die weiteren hauseigenen Kräfte wie Alejandro Lárraga Schleske (Wolfram von Eschenbach), Jin Seok Lee (Hermann), Roberto Gionfriddo (Walther von der Vogelweide) und Biterolf (Neil Schwantes) glänzen mit stimmlicher Souveränität und darstellerischer Wucht und stellen eine verschworene, latent aggressive Wartburg-Gemeinschaft dar, von der Tannhäuser abgestoßen wird.
Weitere Vorstellungen: 6./ 15./20./23. März, jew. 18 Uhr.
Georg Rudiger