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Denzlingen beraubt sich eines Kunst-Standorts: Dem AK Kunst sind die Räume im Alten Rathaus gekündigt worden

Visionen bleiben oft Utopien, manchmal sind sie aber auch realisierbare Träume. Doch leider können Träume ebenso zerplatzen. So scheint es derzeit in Denzlingen zu sein: Die schon seit 1998 vom Kulturkreis vor Ort für Kunst-Ausstellungen genutzten Räume im Alten Rathaus sind aufgekündigt worden. Zielscheibe der Kritik ist Bürgermeister Markus Hollemann. Ist da noch etwas zu retten?

Die ersten Nachrichten über dies Desaster kamen für die Betroffenen, wie aus heiterem Himmel, im Juni 2024: Im persönlichen Gespräch berichtete Hollemann, der sich gern „Bürger-Bürgermeister“ nennt, von seinen Plänen, erneut dann bei einem Termin im Oktober. Das Neue Rathaus, man kann es ja an sich verstehen, bedürfe weiterer Räume – und da kommt natürlich die direkt angrenzende städtische Immobilie in den Blick. Doch, so teilt der Kulturkreis mit, geschah dies alles ohne wirklichen konstruktiven Willen, Ersatz zu schaffen. Übrigens: Hollemanns zweite Amtszeit endet im Mai, schon im vergangenen September erklärte er, nicht noch einmal kandidieren zu wollen.
Im Dezember 2024 berichtete die Badische Zeitung, aber offenbar nur in einer Regionalausgabe, weshalb die Nachricht in Freiburg jetzt wie ein Blitz einschlägt. Der Denzlinger Kulturkreis besteht inzwischen über 58 Jahre. Er verfügt über hauptsächlich zwei Aktionsfelder: Musik und Bildende Kunst. Ausstellungen waren von Beginn an Programmbestandteil. 1998, mit Eröffnung des Neuen Rathauses, wurde die Räume nebenan im Altbau zur Verfügung gestellt – maßgeblich gefördert hatte das der damalige Bürgermeister Wolfram Dennig. Seit 1999 wurden regelmäßig Ausstellungen realisiert, meist drei pro Jahr: nicht nur mit regionalen Künstler*innen, sondern auch stets unter bundesweiter und sogar internationaler Beteiligung. Der Ort hat sich ergo ein wirkliches Standing in der Kunstvereins- und Galerienlandschaft erarbeitet.

„Filetstück für Pausenräume“
Mit diesen Worten reagiert besonders verärgert über die Haltung der Gemeinde und des Bürgermeisters auch Brigitte von Savigny, zweite Vorsitzende des Vereins und ehemals Stadträtin in Freiburg: Sie kritisiert vor allem die Umnutzung des Kunstbetriebs in Sozial- oder reine Verwaltungsräume für Denzlingen – eindeutig kommuniziert ist die künftige Nutzung wohl bis heute nicht. Überhaupt lässt die Informationspolitik der Gemeinde anscheinend zu wünschen übrig: Denn dem Diktum des Bürgermeisters muss ja wohl ein Gemeinderatsbeschluss zugrunde liegen. Den findet man aber im (ohnedies spärlich bestückten) Rats­informationssystem online nicht – auch dem Kulturkreis liegt ein solcher nicht vor. Und, so von Savigny, es sind die wenigen vom Bürgermeister als Ersatz angebotenen Optionen allesamt nicht tragfähig, weil nur sehr temporär zu nutzen und nicht für eine professionell gehandhabte Kunst-Präsentation geeignet: die Foyers des Rathauses, von Sparkasse und Volksbank etc. Ihr Urteil erscheint absolut plausibel, denn die im Gespräch vom Bürgermeister formulierte Aussage ‚Kreative müssten da doch findig werden können‘ ist schon harter Tobak.
Der Kulturkreis versandte im November 2024 einen Brandbrief an alle Mitglieder des Gemeinderats, in dem auf die aktive und nachhaltige Arbeit des Vereins hingewiesen wurde. Dieser blieb nahezu komplett unbeantwortet. Das kann man werten, wie es Marianne Maul (über Jahrzehnte im Kulturkreis als zweite Vorsitzende aktiv) formuliert: „Mit der Aufgabe der Galerie würde Denzlingen einen Ort für die Kunst verlieren.“ Oder auch so, dass eben leider die Gemeinde und die Bürgerschaft das kulturelle Engagement, welches überregional Beachtung fand, nicht hinreichend wahrgenommen haben.

Letzte (?) Ausstellung
Eigentlich stand schon die Planung für 2026. Doch jetzt hat der Kulturkreis zunächst eine neue (hoffentlich nicht: letzte) Ausstellung ausgelobt. Man schrieb alle Künstler*innen an, die jemals am Ort ausstellten (sofern noch erreichbar), um das befürchtete Finale zu gestalten. Unter dem anspielungsreichen Titel „EXpositioniert+AUSgestellt“ wird ein großes Kaleisdoskop zu sehen sein. Bernhold Baumgartner etwa, Mitglied im Beirat des Vereins und selbst Künstler, bereitet sinnfällig eine Installation zum Thema ‚zerschlagenes Porzellan‘ vor.

Neue Hoffnung: Bahnhof
Das ehemalige Bahnhofsgebäude Denzlingens steht seit Corona-Zeiten leer. Zuvor war dort für einige Zeit eine Bäckerei-Filiale ansässig. In diese Richtung gehen jetzt die Bestrebungen des Kulturkreises. Kontakte mit der Immobilienabteilung der Deutschen Bahn AG sind aufgenommen. Möglicherweise, so die kleine neue Hoffnung, ist die Bahn bereit das Objekt ‚pro bono‘ oder jedenfalls für einen geringen Mietzins zu überlassen. Das „wäre eine Super-Geschichte“, bestätigt Bernhold Baumgartner.

Kunstverein March
Der Blick ins Umland sei abschließend erlaubt: Das überraschende und unrühmliche Ende des Kunstvereins March im Herbst 2023 fußte dort tatsächlich auf dem Nachwuchs-Problem: es wurden neue Akteure nicht gefunden. Nachrichtlich sei hier mitgeteilt, dass es in 2024 eine Initiative gab, den Verein neu zu gründen (was selbstverständlich weiterhin möglich ist). Diese Gruppe rankte sich um den regen und ‚um die Ecke‘ zum angestammten Ausstellungsort wohnenden Künstler Dirk Sommer. Sommer verstarb überraschend und tragisch im Oktober 2024: damit war der Impuls zunächst dahin. Das bedeutet aber nicht, dass Interessierte hier nicht noch einmal ansetzen könnten / sollten.

Kunstverein Bahlingen
Auch vom Kaiserstuhl kamen Nachrichten, dass kein neuer Vorstand gefunden werde. Die bis jetzt letzte Ausstellung gab es im Juni / Juli 2024, das übliche Herbstprojekt fand offenbar nicht statt. Doch scheint hier nicht sofort die Eliminierung des Vereins ins Auge gefasst zu sein. Aber eine neue Mobilisierung tut auch dort not. Denn diese Kleinodien der Kunst in allen städtischen und ländlichen Räumen gilt es dringend zu erhalten – nicht für die „Silberlocken“, sondern zur Kulturellen Bildung aller Bevölkerungsteile und -schichten, auch der jungen Menschen. Heute mehr denn je!

„EXpositioniert+AUSgestellt“, Kulturkreis Denzlingen. Vernissage: 14. März, 18 Uhr.
Galerie im Alten Rathaus, Hauptstr. 118, Denzlingen. Sa + So, 15–18 Uhr.

Bildquellen

  • Der Bahnhof in Denzlingen: derzeit ungenutzt!: Fotos: B. Baumgartner