Das Festival LIEDBasel widmet sich im April der Gattung des Liedes in interdisziplinären Auseinandersetzungen

In Basel widmet sich seit 2019 das Festival LIEDBasel dem Kunstlied als Gattung und Ausgangspunkt interdisziplinärer Annäherungsversuche. Riskant, könnte man meinen, denn das Kunstlied in seiner reinsten Form entwickelte sich zu Zeiten der Romantik im 19. Jahrhundert und erlebte dort gemeinsam mit seinen Hauptvertretern Franz Schubert, Robert Schumann, Johannes Brahms oder Hugo Wolf seine Blütezeit. Heute scheint das Kunstlied einer bedrohten Gattung anzugehören – wenngleich sich in den vergangenen Jahren eine neue Generation ausgebildeter Sänger:innen emanzipierte, die das Kunstlied wiederentdeckten und dem Liederabend neue Aktualität gaben.
Darunter auch die Mezzosopranistin Silke Gäng, die 2016 gemeinsam mit Ludovic Allenspach auf einem Fresszettel in einer Brasserie die Idee zum Festival LIEDBasel konzipierte. Wie müsste ein ideales Festival aussehen, das dem Kunstlied Raum zur Entfaltung schenkt? „Wir haben uns eine Welt erträumt“, erzählt die Sängerin. Und mittendrin: das Lied.
Gemeinsam mit Meike Olbrich, Alain Claude Sulzer und Tobias Schabenberger verwandelten sie schließlich 2019 erstmals mit „Die Gedanken sind frei“ die Basler Kulturwelt in einen Raum, der sich dem Lied als Gattung widmete und einen Austausch zwischen Künstler:innen und Publikum ermöglichte. Seitdem eröffnet LIEDBasel unter jährlich wechselnden Mottos an fünf Tagen einen Nährboden zur interdisziplinären Annäherung und Zelebrierung des Liedgesangs. Neben den Liederabenden und begleitenden Gesprächen hat sich in den vergangenen Jahren zudem die LIEDAcademy etabliert: Fünf junge Duos am Ende ihres Studiums werden nach einem Auswahlverfahren durch ein Stipendium aufgenommen und erhalten während der fünf Tage des Festivals Unterricht, Inputs und ein eigenes Abschlusskonzert (23. April, 11 Uhr). Die LIEDAcademy soll junge Talente fördern und zugleich die Vernetzung Liedbegeisterter vorantreiben.
Unter dem Motto „Gefährlich leben“ geht das Festival in diesem Jahr vom 19. bis 23. April im Musik- und Kulturzentrum Don Bosco Basel in die vierte Runde.

Angelika Kirchschlager © Nikolaus Karlinsky

Eröffnet wird das Festival LIEDBasel bei einem LIEDSalon am 19. April, 19 Uhr mit dem Wiener Quartett The Erlkings, die den klassischen Liedgesang in ein volkstümliches Gewand hüllen – begleitet von Gitarre, Cello, Tuba und Schlagzeug. Im ungezwungenen Rahmen und begleitet von Talk-Runden und Interviews geben Angelika Kirchschlager, Malcolm Martineau, The Erlkings sowie Stipendiat*innen der LIED­Academy unter der Moderation von Silke Gäng und Alain Claude Sulzer einen Vorgeschmack auf die Vielseitigkeit des Festivalprogramms. Im zweiten Teil des Abends präsentieren dann The Erlkings Schuberts Klassiker in einem neuen Gewand.
Am Folgeabend eröffnet um 18.30 Uhr das LIEDLabor „Gefährlich leben: Maria Callas – (Aus)brennen für die Kunst“ mit der Schriftstellerin Eva Gesine Baur und der Künstlerberaterin Aimée Paret, moderiert von Alain Claude Sulzer. Wer war Maria Callas, die für ihren Weg als Sängerin beinahe ihr ganzes Privatleben opferte? In dem Buch „Maria Callas. Die Stimme der Leidenschaft“ widmet sich Eva Gesine Baur der musikalischen Grenzgängerin – der Abend möchte daran anschließen. Um 20 Uhr lassen Angelika Kirchschlager (Mezzosopran) und Malcolm Martineau (Klavier) bei „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten?“ Lieder und Musik, unter anderem von Franz Schubert, Franz Liszt, Arnold Schönberg, Clara Schumann und Jorge Tabarez, erklingen.
Ein besonderes Highlight des Programms ist gewiss das LIEDLabor „Dein Atem ist dein Anker“ am 21. April, 19 Uhr. Hier begibt sich die Apnoetaucherin und Schweizer Rekordhalterin Julia Tobler gemeinsam mit Silke Gäng und Tobias Schabenberger auf die Suche nach den Überschneidungen des Extremsports und der Liedkunst. Für beide ist der Atem zentrales Mittel, zugleich erlernen sie ihn jedoch auf vollkommen unterschiedliche Weise zu nutzen: Während Sänger:innen ihr Leben lang lernen, möglichst effizient auszuatmen, lernen Apnoetaucher:innen, so einzuatmen, dass sie minutenlang unter Wasser bleiben können. Im Anschluss (21 Uhr) folgt das LIEDRezital „Солоспіви єднання. An die Musik“ – ein Liederabend aus der Ukraine mit Ivanna Plish (Sopran), Roman Melish (Tenor, Countertenor), Andrii Vasin (Klavier) und Taras Stoliar (Bandura). Zu hören sind unter anderem Lieder von Mykola Lysenko, Franz Schubert, Krill Stetsenko, Richard Strauss, Mykola Dremliuha und Felix Mendelssohn.

Harald Krassnitzer
© Thomas Ramstorfer

Ein interdisziplinärer Höhepunkt erwartet das Publikum am 22. April, 20 Uhr mit dem LIEDRezital „Eine Winterreise“. Benjamin Appl (Bariton) und James Baillieu (Klavier) spielen Franz Schuberts berühmten Liederzyklus. Der Schauspieler und „Tatort“-Ermittler Harald Krassnitzer liest Texte und Tagebuchaufzeichnungen von Teilnehmenden der österreichisch-ungarischen Nordpolarexpedition (1872.1874): Zwei lange Winter verbrachten 24 Männer an Bord ihres im Eis eingeschlossenen Schiffes, bevor sie zu Fuß den Rückweg antraten und gerettet wurden.
Zum Abschluss der vierten Edition des Festivals LIEDBasel präsentieren Ruben Drole (Bariton) und Simone Keller (Klavier) ab 17 Uhr den Schlummerliederabend “Die Wand ist schalldicht“ – zu hören ist eine Komposition von Stephanie Haensler nach Gedichten von Simone Lappert – ein Kompositionsauftrag des Festivals selbst – sowie Lieder von Georg Kreisler, Philippe Racine, Carola Bauckholt u.A..

LIEDBasel, 19.-23. April 2023, Musik- und Kulturzentrum Don Bosco Basel. Alle Veranstaltungen, weitere Infos und Tickets: liedbasel.ch

Bildquellen

  • Angelika Kirchschlager: © Nikolaus Karlinsky
  • Festivaledition 2022: © LIEDBasel