Bezahlbares Bauen?- Geht doch! Gutacher Architektenfamilie Wehrle legt engagiertes Buch zu heißem Thema vor

Bau-, Grundstücks- und Immobilienpreise klimmen scheinbar unaufhaltsam in schwindelnde Höhen, bezahlbare Mieten werden zum Glücksfall und trotzdem wird landauf-landab ein neues Wohngebiet nach dem anderen erschlossen. Investieren können unter diesen Voraussetzungen fast nur noch profitorientierte Bauträger oder wohlhabende Private, was zu einem ausufernden Spekulationsmarkt führt und die Preisspirale erst recht nach oben treibt. Gegen diesen unseligen Trend stemmt sich seit vielen Jahren Klaus Wehrle, Architekt aus Gutach im Schwarzwald. Er hat zusammen mit seinen Kindern Hannah und Jonas (beide Architekturstudenten im Masterstudiengang), ein Buch mit dem Titel „Geht doch!“ geschrieben in dem das Autorentrio nachweist, das bezahlbares Bauen auch heute noch möglich ist.
Zur Buchvorstellung traf sich eine illustre Gesellschaft im Gutacher Bürgertreff „Pferdestall“, den Wehrle und weitere Architektenkollegen als Teil des ehemaligen Gutshofgeländes der Garnfabrik Gütermann zu einem Ensemble von bezahlbaren Eigentums- und Mietwohnungen umgebaut hat. Den Laudatorenteil zu Beginn eröffnete GRÜNEN-Landtagsabgeordneter Alexander Schoch. Er würdigte Wehrles Engagement und seine Persönlichkeit als die eines überzeugten Ermöglichers, der sich den notorischen Verhinderern beherzt entgegenstelle. Hans Dieterle, Geschäftsführer der Architektenkammer Baden-Württemberg, bestätigte, dass Wehrle bei vielen seiner Projekte bewiesen habe, dass Einsparungen von bis zu 20 Prozent bei den Baukosten möglich seien. Christoph Burger, Vizepräsident der Handwerkskammer Freiburg, unterstrich in diesem Zusammenhang, dass durch die von Wehrle praktizierten direkten Projektgemeinschaften mit den beteiligten Handwerksbetrieben anstelle eines Generalunternehmers nicht nur Geld eingespart, sondern mit diesen strategischen Kooperationen auch jede Menge Reibungspunkte und teure Tempoverluste beim Bauen vermieden werden können.
Klaus Wehrle und seine über Videostreaming aus ihrem Studienort Delft zugeschalteten beiden Co-AutorInnen stellten ihren Ansatz als gemeinsames Bemühen vor, das menschliche Grundbedürfnis Wohnen ökologisch, wirtschaftlich und sozial nachhaltig und für alle zugänglich zu gestalten. Ihre Hauptthese: Es gibt keine bessere Geldanlage für die Zukunft und zur Vorbeugung gegen Altersarmut als den Kauf einer Immobilie.
Einen Anreiz dafür könnten staatliche Immobilienfonds durch Bürgschaften und Absicherung des Zinsrisikos leisten. Und natürlich gemeinschaftliche oder genossenschaftliche Bauprojekte, die durch ein gemeinsames Bauteam von Planern und Handwerkern realisiert werden. Die Richtung ginge zum „Miteinander statt nebeneinander“ zu wohnen. Konkret stellten die „Erneuerer“ mehrere ihrer Projekte vor, bei denen aufgrund konsequent nachhaltiger Planung durch Low-Tech-Lösungen, regenerative Energiekonzepte, gemeinschaftlich genutzte Räumlichkeiten und Flächen, oder Weglassen von Tiefgaragen die Baukosten bis zu einem Fünftel gesenkt werden konnten.
All diese und noch mehr Beispiele, sowie Beispielrechnungen und diverse Projektalternativen, sind auch in dem Buch ausführlich beschrieben. Die drei AutorInnen verstehen ihr Buch als „Arbeitsbuch“, das einen fundierten Beitrag für die aktuell notwendigen Diskussionen für Architekten, Bauunternehmer, Bauherren, aber auch Kommunen und Politik liefern möchte.
Weitere Aspekte beleuchteten zwei prominente Gast-TeilnehmerInnen mit ihren Impulsvorträgen. Der ehemalige Vize-Präsident des Club of Rome, Ernst Ulrich von Weizsäcker, schlug in seinem Impulsvortrag die Verbindung zum allgemeinen Klimawandel. Schon heute wisse man, dass der katastrophale Anstieg des Meeresspiegels bis 2100 um einen Meter nicht mehr abzuwenden ist. Entschlossenes Handeln sei daher nötig. Im Hinblick auf Mobilität sah er im Verbot des Verbrennermotors keine Lösung: „Wir haben derzeit eine Milliarde Verbrenner-Pkw weltweit. Realistisch können kurzfristig höchstens fünf Prozent der Besitzer auf E-Autos wechseln“. Daher sei die Entwicklung eines klimaneutralen Verbrenners eine Alternative. Ein „fast idealer Benzinersatz“ könne aus der Verbindung von nachhaltig erzeugtem Wasserstoff und CO2 zu Methanol gewonnen und die vorhandenen Motoren verhältnismäßig einfach umgebaut werden.
Die Architektur-Professorin Susanne Dürr aus Karlsruhe hielt ein entschiedenes Plädoyer gegen den weiteren Bau von Einfamilienhäusern auf eigenem Grundstück. Neben dem verschwenderischen Flächenverbrauch spräche vor allem die sich rasch vollziehenden Veränderungen der Familienverhältnisse. Biografien werden zunehmend zu Multigrafien. Allein 38 Prozent der Ehen würden geschieden, Patchworkfamilien entstünden in vielen Formen, Kinder gehen früh aus dem Haus und das fürs Leben geplante Eigenheim werde oft wieder verkauft oder stünde leer, weil sich nach dem Tod die Erben streiten. Daher sei grundsätzlich verdichtetes Wohnen ein Gebot der Zukunft mit entsprechendem Paradigmenwechsel zu weniger Wohnfläche pro Person und Anpassung an die neuen Lebensformen, wofür sie zahlreiche, durch Zahlen fundierte Möglichkeiten nannte. Beide Gäste sind auch im Buch mit ausführlichen Interviews vertreten.

Das Buch „Geht doch!“ wird von netzwerksüdbaden GmbH vertrieben oder ist im Buchhandel unter ISBN 978-3-00-065192-2 zum Preis von 49 Euro erhältlich.

Bildquellen

  • Das Buch „Geht doch!“ wird von netzwerksüdbaden GmbH vertrieben oder ist im Buchhandel unter ISBN 978-3-00-065192-2 zum Preis von 49 Euro erhältlich.: Foto: Hannah Wehrle/Jonas Wehrle/Klaus Wehrle
  • Grafik Architektur: Foto: pixabay