70 Jahre Kunst am Bau: Bundesbauministerium legt Zeugnis ab

Markus Lüpertz: „Die Philosophin“, Bronze 1998/2001, Bundeskanzleramt Berlin Foto: privat

Der politische Prozess begann im Juni 1928, als ein Ministererlass der Weimarer Regierung bei staatlichen Bauten das Engagement forderte, um Bildenden Künstlern aus finanziellem Engpass zu verhelfen und ihnen Aufträge zu verschaffen. Der etwas sperrige Titel hat sich bis heute gehalten, wobei „am“ ebenso „neben“, „bei“ und „im“ meint. Die Kunstpolitik der NS-Zeit desavouierte das Programm, so dass erst ein zögerlicher Neuanfang in Zeiten des Wiederaufbaus kam. Doch schon 1950 beschlossen beide deutsche Staaten, ein Jahr nach ihrer Gründung, mit der Auflage entsprechender Kunstförderung. Das gab Anlass für das verantwortliche Bundesbauministerium, eine Ausstellung zum Jubiläums-Thema sowie einen begleitenden, opulenten Katalog auf den Weg zu bringen.
Darin sind die großen Etappen der Kunst am Bau bestens dargestellt. Stets geht es um die Balance zwischen ästhetischem Dialog mit der geplanten Architektur, möglichem Rekurs auf Inhalte und Zweckbestimmung der betreffenden Gebäude sowie die Einbettung in den urbanistischen Kontext. Inzwischen gilt unstrittig: „Kunst am Bau ist ein wesentliches Element der demokratischen Kultur (…) Sie bezieht zu den Themen unserer Zeit Stellung und ist eine besonders nachhaltige Möglichkeit, die Umwelt zu humanisieren und im Sinne heutiger Baukultur aufzuwerten“ (Katalog).
Hotspot der Politik war nach der Wiedervereinigung natürlich Berlin. Das Kanzleramt birgt seitdem mannigfaltige Kunst. Vor dem Axel Schultes-Bau posiert, tagtäglich in den Nachrichten, die große Cortenstahl-Plastik von Eduardo Chillida: „Berlin“, als Symbol der Annäherung zweier vormals getrennter Einheiten. Im Innern, am Treppenaufgang steht Lüpertz‘ „Philosophin“, vorahnend als Sinnfigur weiblicher Führungskraft im Staat, mit klassischem Nachdenklichkeitsgestus der an das Kinn geführten Linken. In dem Katalogbuch sind weitere Etappen des Programms dokumentiert und historisch aufgearbeitet. Die wesentliche Zäsur gibt eine Richtlinie des Bundes aus dem Jahr 2005 (2012 aktualisiert), wonach, je nach Höhe der Bauwerkskosten, zwischen 0,5 und 1,5 Prozent aus dem Bautitel für Kunst eingesetzt werden sollen. Dies gilt zugleich als Memento an Länder und Kommunen.
Die Vorgabe des Bundes ist ein deutliches Signal auch an die Stadt Freiburg, die in den letzten Jahrzehnten nur sehr zögerlich – meist mit Verweis auf knappe Finanzen – Kunst-am-Bau-Maßnahmen umsetzte. Die Ausstellung wandert.

Infos: Ute Chibidziura – Constanze von Marlin, 70 Jahre Kunst am Bau, Katalog, 316 Seiten, Deutscher Kunstverlag 2020, 45 Euro.

Bildquellen

  • Markus Lüpertz: „Die Philosophin“, Bronze 1998/2001, Bundeskanzleramt Berlin: Foto: privat
  • 70 Jahre Kunst am Bau: promo