Grün war die Hoffnung

Die politische Doppelmoral, die wir momentan erleben, ist allgegenwärtig. Während der schreckliche russische Angriffskrieg zurecht verdammt wird, werden z.B. Erdogans militärische Expansionsbestrebungen gegen die Kurden geduldet. Ukrainische Geflüchtete erleben glücklicherweise Solidarität und Unterstützung in Deutschland, aber gilt das auch für beispielsweise Syrer oder Afghanen?
Es scheint, als könne sich die Politik ihre Konflikte aussuchen, als wäre ihr moralischer Kompass korrumpierbar. Wo sind sie, die Anti-Establishment-Parteien, die das ändern wollen?
Moment mal. Die Grünen sind doch jetzt in der Regierung! Wer hat uns verraten – die Öko-Piraten? „Exporte von Waffen und Rüstungsgütern an Diktaturen, menschenrechtsverachtende Regime und in Kriegsgebiete verbieten sich.“ (Wahlprogramm der Grünen, Bundestagswahl 2021, S. 250), hieß es von deren Seite noch vor wenigen Monaten.
Täglich bekommen wir nun gezeigt, wie es ist, wenn die Schranken der Realpolitik die politischen Reiter:innen vom hohen Ross der Ideale fegen. Wie anders ist es zu verstehen, wenn der Minister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck in Katar Energiedeals abschließt? Oder Außenministerin Annalena Baerbock inzwischen zur Befürworterin von Waffenexporten geworden ist?
Die pazifistische Parteibasis und auch die Wählerschaft ist (zurecht) empört. Zuletzt wurde besonders im Wahlkampf der Landtagswahlen NRW und Schleswig-Holstein Kritik an dem politischen Umschwung der Grünen laut. (Zeit Nr. 20, 12. Mai) Doch repräsentativ scheint das nicht zu sein, legen Umfragen nahe. So ergab beispielsweise eine Befragung des Instituts Insa zu der Beliebtheit deutscher Politiker:innen das Siegertreppchen Habeck, Baerbock, Özdemir. (Handelsblatt, 3. Mai)
Denn: Was bleibt den Regierenden anderes übrig? Utopie und Umstände, das scheint nicht zusammenzugehen. „Ich räume ein, dass die Entscheidungen nicht blütenweiß sind, aber das sind sie nie in der Politik.“, sagt Habeck dazu (Zeit Nr. 18, 28. April). Klingt nicht nur super, stimmt wohl leider auch. Waren wir am Ende vielleicht selbst ein wenig zu grün hinter den Ohren, auch von den regierenden Grünen Idealpolitik zu erwarten?
Vielleicht. Dennoch ist es wichtig, die Doppelmoral anzuprangern. Es ist wichtig, sich die Empörung zu bewahren. Laut zu werden. Auf die Straße zu gehen und Druck zu machen. Für eine fairere, gerechtere Welt zu kämpfen. Sonst ändert sich eben doch nichts.

Bildquellen

  • Grün war die Hoffnung: Foto: Bündnis 90 die Grünen