Medienkunst von den 1950ern bis heute: Die Ausstellung „The Story That Never Ends. Die Sammlung des ZKM“ gibt einen umfangreichen Einblick in die Sammlung des Zentrums für Kunst und Medien Karlsruhe
Lange, feuerrote Taftkleider wirbeln durch die Luft. Ein Rollstuhl fährt im Kreis. Aber niemand steckt in den Kleidern oder sitzt im Rollstuhl. Es sind Kunstwerke, die im Rahmen der Ausstellung „The Story That Never Ends. Die Sammlung des ZKM“ zu erleben sind. Das ZKM Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe gibt in dieser Schau mit rund 100 Arbeiten einen umfassenden Überblick über seine insgesamt 12.000 Werke umfassende Sammlung von Medienkunst von den 1950ern bis heute.
Diese Sammlung ist in der Tat eine Geschichte, die immer weiter läuft, in mehrfacher Hinsicht. Es werden immer neue Werke angekauft, außerdem haben einige Künstler wie Waldemar Cordeiro dem ZKM ihr Archiv anvertraut. In der wachsenden Sammlung müssen viele Werke aber auch aufwendig restauriert und konserviert werden. Diese Aufgabe ist alles andere als trivial, die Ausstellung vermittelt deshalb einen spannenden Einblick in die Arbeit der Medienkunstrestaurierung.
Medienkünstler arbeiten immer auf der Höhe ihrer Zeit, wobei sich die Technik rasend schnell fortentwickelt. Und so steht die Restaurierungsabteilung des ZKM, neben der Tate in London führend auf dem Gebiet, vor der Herausforderung, die passenden Abspielgeräte aufzutreiben. Da sieht man auf einem Schwarz-Weiß-Video junge Frauen ausgelassen auf einem Feldweg tanzen. Damit man dieses Video sehen kann, musste das Anfang der 1970er Jahre ganz neue Aufnahmegerät gefunden werden, das erste, mit dem man ohne einen Anschluss ans Stromnetz Videos aufnehmen konnte. Bei der Vorbereitung der Ausstellung stieß das Labor für antiquierte Videosysteme des ZKM auf eine vergessene Performance von John Lennon und Yoko Ono, die jetzt gezeigt wird.

Kuratorin Clara Runge sagt, in „The Story That Never Ends“ werde die DNA des ZKM sichtbar, die Verbindung aus Ideenreichtum, Experimentierfreude und Erhaltungsarbeit. Technik verständlich und greifbar zu machen, ein großes Anliegen von Alistair Hudson, dem Leiter des Hauses, soll ebenfalls in der Schau zum Tragen kommen. Vor allem ist die Sammlungsausstellung abwechslungsreich und unterhaltsam. Die ausgewählten interaktiven Installationen, Videos, Licht- und Klangkunstwerke sowie kinetischen Objekte werden nicht chronologisch präsentiert, sondern in fünf Themenbereichen. Ursula Neubauers wirbelnde, überlange rote Taftkleider gehören zum Thema „Körperbilder“. Was wird uns in den Medien eigentlich vermittelt in Sachen Körper/Aussehen? Marie-Jo Lafontaine präsentiert eine ganze Wand aus Bildschirmen, auf denen gutaussehende junge Männer ihre Körper trainieren und formen. Dazu erklingt klassische Musik und bricht die Trainingsarbeit ironisch auf. „Les larmes d’acier“, „Tränen aus Stahl“ heißt dieser Beitrag zum alten Spruch „Wer schön sein will, muss leiden“.
Ein weiterer Themenbereich setzt sich mit Massenmedien auseinander. Schon in den 1950ern und 60ern hinterfragten Künstler kritisch die Rolle des damals aufstrebenden Fernsehens. „Die Kunst der Signale“, „System und Bewegung“, „Computer und Kunst: digitale Visionen“ und „Kritik und Utopie“ führen als Themenschwerpunkte durch sieben Jahrzehnte Medienkunst. Da findet sich Kritisches wie die drei Bildschirme auf einem Gestell, die an die kaum noch hinterfragte, fast überall stattfindende Überwachung erinnern. Oder der fast androgyne, computergenerierte, ästhetisch optimierte Kopf mit dem scheinbar perfekten, absolut künstlichen Gesicht. Viele Künstlerinnen setzen sich mit dem Druck auseinander, einem vorgegebenen Schönheitsideal zu entsprechen. Friederike Pezold, Künstlername pezoldo, hat ihren Körper durch Nahaufnahmen in Einzelteile zerlegt und diese, fast versteckt, in große, kühle, elegante Skulpturen integriert. Alba d’Urbanos Selbstporträt fordert „Touch me“. Berührt man den Bildschirm, löst sich das Gesicht der Künstlerin teilweise auf und wird durch das Bild des Besuchers überlagert. Ein Spiel mit der Selbstwahrnehmung durch digitale Medien.
„The Story That Never Ends. Die Sammlung des ZKM“, ZKM, Lorenzstr. 19, Karlsruhe. Bis 20.09.25. zkm.de
Bildquellen
- Nam June Paik: „Canopus“, aus der Serie „Planetarium“, 1990 © Nam June Paik;: Foto: ZKM/Steffen Harms
- Dara Birnbaum: „Technology / Transformation: Wonder Woman“, 1978, Videostill des Videos © Dara Birnbaum,: Foto: ZKM