Markgräfler Traumwelten

Die junge Else Blankenhorn Foto: Markgräfler Museum

Wer in Müllheim nach den Blankenhorns fragt, erhält schnell Antwort. Die Blankenhorns sind als wohlhabende Weingutsbesitzer und Weinhändler im Markgräflerland gut bekannt. Noch heute zeugen Orte wie die Adolph-Blankenhorn-Schule oder das Blankenhorn-Palais vom gewichtigen Erbe der Familie in Müllheim. In eben jenem Blankenhorn-Palais, dem Hauptgebäude des Markgräfler Museums Müllheim, wird nun einer bisher unbeachteten, dafür umso ungewöhnlicheren Familienangehörigen Raum gegeben. Unter dem Titel „Eigensinnige Welten“ eröffnet Müllheim in Kooperation mit der Heidelberger Sammlung Prinzhorn die erste Einzelausstellung zur Malerin Else Blankenhorn (1873–1920). Eine junge Malerin, psychisch erkrankt, in jahrelanger Isolation. Dazu ein rätselhaftes wie intensives Werk, das nie so recht ins Portfolio einer Großbürgersfamilie passen wollte.
Jan Merk, Leiter des Markgräfler Museums und Kurator der Ausstellung kann es nur betonen: „Es ist erstaunlich, dass in dieser Region fast niemand die Tochter der berühmten Familie Blankenhorn kennt. Dabei gilt Else Blankenhorn in der Kunstgeschichte als eine wichtige Vorreiterin des Expressionismus.“ Kein Geringerer als Ernst Ludwig Kirchner staunte über die „traumhaft visionären Dinge“, die jene ungewöhnliche Malerin mit „fast unglaublicher Feinfühligkeit“ auf die Landwand setzte. Ein wenig erinnern die Begegnungen bunter Gestalten vor weicher Kulisse auch an die Traumwelten Marc Chagalls. Schwer zu sagen, wer die Bilder Else Blankenhorns, die vom Heidelberger Kunstsammler und Psychiater Hans Prinzhorn an die interessierte Öffentlichkeit gebracht wurden, noch alles sah.
Der Einfluss jener „Malerei der Geisteskranken“, so der Titel einer berühmten Studie Hans Prinzhorns, reicht vom farbverrückten Expressionismus über die wahnhaften Traumgebilde der Surrealisten bis zur antiakademischen Art Brut. Die oft rohen Gesten einer Avantgarde findet man in Else Blankenhorns Werk allerdings kaum. Ihr Bildkosmos spielt vor allem in natürlichen Räumen voller Pflanzen, in denen sich Liebespaare verirren oder sich seltsame Erlösergestalten tummeln. Durch ihre musische Bildung und den Kontakt mit den prachtvollen Parkanlagen und Anwesen ihrer reichen Familie war Else Blankenhorn mit allen Elementen einer sanftmütigen, zarten Ästhetik vertraut.
Über Else Blankenhorns biografischen Hintergrund erfährt man in der Müllheimer Ausstellung einiges. Familienhintergrund und Jugend werden in zwei Räumen zur präzisen Betrachtung gestellt. Das Markgräfler Museum präsentiert hier auch eigens verwahrte Fotografien, Bildnisse und Dokumente der Familie Blankenhorn. Sie alle präsentieren eine großbürgerliche Idylle, die erst 1899 zu brechen drohte. Die junge Musikliebhaberin Else verlor ihre Singstimme. Der darauf einsetzende plötzliche Erschöpfungszustand erhielt einen zusätzlichen Schub, als 1905–1906 Großmutter und Vater verstarben. Bereits zuvor Gast in Heilanstalten, zieht sich die unter Angst- und Wahnzuständen leidende Else Blankenhorn in das Sanatorium Bellevue in Kreuzlingen am Bodensee zurück. In Abgeschiedenheit und in einem großräumigen Apartment verbrachte sie 16 Jahre ihres Lebens, malte, zeichnete, komponierte gar. Ein Großteil der rund 450 Werke Else Blankenhorns in der Heidelberger Sammlung Prinzhorn stammen aus dieser schwierigen wie inspirierten Zeit.
Ein Schwerpunkt der Motivwelt Else Blankenhorns bilden Naturelemente, religiöse Symbole und ein stets variiertes Paarkonzept. Nicht nur zeigt die Ausstellung in Müllheim mit einer kleinen, aber repräsentativen Auswahl an Bildern, welche Vielfalt das Schaffen der begabten Laienmalerin kennzeichnet, sondern auch wie viele der Motive aus der Erfahrungswelt einer heranwachsenden Großbürgerstochter stammen. Auf einem Portrait sehen wir den Blauen, den Hausberg Müllheims. Vor ihm sitzt eine junge Else Blankenhorn. Der Blick unstet, wie verschleichert, ruht in selbstbewusster Pose. Man kann nur mutmaßen, wie die Malerin die Kunstgeschichte und vielleicht auch ihre Heimatregion noch geprägt hätte. Else Blankenhorn starb mit 47 Jahren an Krebs. Im prachtvollen Müllheimer Familiengrab liegt sie bestattet.

Die Ausstellung „Eigensinnige Welten. Die Malerin Else Blankenhorn“ im Markgräfler Museum Müllheim ist noch bis zum 27. Juni geöffnet. Öffnungszeiten: Fr.–So., 14–18 Uhr. Besuch nach Voranmeldung.
Weitere Informationen: www.markgraefler-museum.de

Bildquellen

  • Foto: Markgräfler Museum: Foto: Markgräfler Museum
  • Selbstportrait vor dem Blauen: Foto: Sammlung Prinzhorn Heidelberg