Theater

Intelligente Tragikomik de luxe: Das Wallgraben Theater landet mit der ersten Premiere in 2025 einen Volltreffer

Mit der Komödie „Eine Stunde zweiundzwanzig vor dem Ende“ von Matthieu Delaporte die diesjährige Spielzeit zu eröffnen, hat die künstlerische Leitung des Wallgraben Theaters eine glückliche Wahl getroffen. Der äußerst vielfältige und erfolgreiche französische Autor und Regisseur bürgt seit vielen Jahren international für Qualität bei Film, Fernsehen und auf Theaterbühnen.
Das Setting: Der seines bislang in vielfacher Hinsicht glücklosen Lebens überdrüssige Bernhard W. regelt mit der telefonischen Kündigung seiner noch laufenden Versicherungen die letzten Verpflichtungen seines Lebens, das er durch einen Sturz aus dem vierten Stock seines Wohnblocks zu beenden gedenkt. Just im letzten Moment vor dem Absprung wird heftig an die Wohnungstür gepocht, Bernhard öffnet und steht vor einem Mann mit Pistole im Anschlag, der sich stürmisch Einlass zur Wohnung verschafft.
Alsbald entspinnt sich zwischen Bernhard (Daniel Leers) und dem Eindringling (Hans Poeschl) ein aberwitziger Dialog, in dessen Verlauf sich neben vielem anderen erweist, dass sich Bernhard einer Inkarnation des Todes gegenübersieht, der den Vollzug seines Ablebens sicherstellen soll. Allerdings noch im Azubi-Status, denn es ist sein Erstlingsauftrag.
Die beiden entfachen fortan ein theatralisches Feuerwerk, in dem sich sprühender Wortwitz, intelligente Komik, tragischer Tiefgang, aber auch empathisches Verständnis in hohem Tempo jagen. Bis, ja bis sich Karl-Heinz, der Vorgesetzte des Todesboten, am Telefon meldet und sich herausstellt, dass sich der Anfänger in der Etage geirrt hat und er eigentlich den zeitgleich sich abspielenden Selbstmord der Hausbewohnerin Claire durch Öffnen ihres Gashahns ein Stockwerk drüber sicherstellen soll.
Es handelt sich um dieselbe Claire (Elisabeth Kreßler), auf die Bernhard schon seit langem ein Auge geworfen hatte, ohne sie jemals angesprochen zu haben. Der Nachwuchstod animiert Bernhard, die letzte Gelegenheit zur Kontaktaufnahme zu Claire zu nutzen, denn bis das Gas wirke, verstreiche noch einige Zeit. Bernhard eilt hoch, reißt die von Claire luftdicht verrammelten Fenster auf und es finden sich zwei.
Nun könnte sich alles in happy-endigem Wohlgefallen auflösen, nicht aber in diesem Stück. Wie anders sei hier offengelassen. Nicht zuletzt jener Schluss zeigt wieder die besondere Qualität der zumeist feingliedrigen französischen Komödien, die sehr gut ohne derben Humor und ohne Klischees auskommen und die immer vorhandene traurige oder gar tragische Kehrseite der Komik nicht zudecken.
Ein tolles Stück, eine einfallsreiche Inszenierung in einem aufs Nötigste reduzierten, gut bespielbaren Bühnenbild (Regie: Marcel Keller) und vor allem hochmotivierte SchauspielerInnen. Das macht: Ein Muss für jede TheaterfreundIn und wer nicht reingeht ist selbst schuld. Gelegenheit dazu gibt es genug, denn das Stück steht bis weit ins Jahr hinein immer wieder auf dem Spielplan.

Termine: www.wallgraben-theater.com

Bildquellen

  • Mit der Komödie „Eine Stunde zweiundzwanzig vor dem Ende“ gelingt dem Wallgraben Theater eine Punktlandung: © Mathias Lauble