Vom Schwarzwald und der Welt: Die Ausstellung „Hans Thoma. Zwischen Poesie und Wirklichkeit“ im Freiburger Augustinermuseum bezieht die Kritik an seiner Weltanschauung mit ein
Die Recherchen von Marcel van Eeden waren so brisant wie der Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung. Van Eeden, Hans-Thoma-Preisträger 2023, stieß während der Vorbereitung seiner Ausstellung in Bernau auf Thomas Reise 1898 nach Amsterdam zur Rembrandt-Ausstellung und seine enge Beziehung zu Julius Langbehn, dem Autor von „Rembrandt als Erzieher“. Langbehns kulturpessimistische und antisemitische Haltung konnte ihm nicht verborgen geblieben sein. 2024 jedoch jährte sich der 100. Todestag von Hans Thoma, der insbesondere für den Schwarzwald geradezu identitätsstiftend ist. Jede Ausstellung, die an ihn erinnerte, würde sich mit dem Vorwurf auseinandersetzen müssen, Thoma sei völkisch-nationalistischem Denken verhaftet. Nun ist van Eeden kein Brandstifter, sondern seit 2021 Rektor der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe, an der er seit zehn Jahren als Professor lehrt. Van Eeden war der letzte Hans-Thoma-Kunstpreis-Träger, die Auszeichnung heißt mittlerweile Landespreis für Bildende Kunst Baden-Württemberg.

Im Freiburger Augustinermuseum geht man mit dem Vorwurf konstruktiv um. Zwar muss man ganz durch die von Felix Reuße, Leiter der Graphischen Sammlung, kuratierten Schau „Hans Thoma. Zwischen Poesie und Wirklichkeit“ hindurch, aber dann hängt da der Zyklus „1898“ von Marcel van Eeden, mitsamt den Zitaten, die die Diskussion entfachten. So schreibt Thoma 1905 etwa an Cosima Wagner im Hinblick auf Max Liebermann, dass Juden selbst noch aus dem Antisemitismus Nutzen zu ziehen wüssten. Van Eeden hat seine Auseinandersetzung mit Hans Thoma weitergeführt und im heutigen Bayreuth Wege im Gummidruck festgehalten, die der Maler eingeschlagen haben könnte, um zu Cosima Wagner zu kommen. Bei großer weltanschaulicher Distanz, treffen sich van Eeden und Thoma in ihrer Faszination für die Linie und die Druckgrafik. Dass diese in Reußes Ausstellung eine bedeutende Rolle einnimmt, versteht sich fast von selbst. Von einigen Arbeiten Thomas gibt es mehrere Varianten, die mit verschiedenen Hell-Dunkel-Kontrasten experimentieren.
Thoma, der 1839 in Bernau geboren wurde, bezieht sich in seinen Werken oft auf seine Herkunft. Die Arbeiten geben nicht nur die charakteristische Landschaft des Schwarzwaldes wieder, sondern auch die einfachen Bedingungen, unter denen die Mutter nach dem Tod ihres Mannes Hans Thoma und seine Schwester Agathe großzog. So malt er etwa ein Geschwisterpaar, das unter einem bescheidenen Herrgottswinkel sitzt, während das Mädchen liest, scheint der Bruder seinen Gedanken nachzuhängen. Oder da ist der Junge, der von der Arbeit im Stall derart erschöpft ist, dass er im Arm der Mutter einschläft. Thoma mag die Landschaft idealisieren, die harte bäuerliche Tätigkeit wird nicht beschönigt. Oft wird bei Thoma, wie bei vielen konservativen Zeitgenossen auch, das Landleben zum Gegenbild einer Stadt, die durch die Industrialisierung und die Moderne geprägt ist.
Das Porträt ist für Thoma ein wichtiges Genre, insbesondere das Selbstporträt. Der Bart sorgfältig gestutzt, die Augen wach, so richtet der Künstler den Blick auf die Betrachtenden. Manchmal setzt der Künstler sich malend zwischen Totenkopf und einem Amor. In einem Block sind Porträts von Hans Thoma aus mehreren Jahrzehnten zusammengestellt, darunter auch das eigentümliche Selbstporträt, das Thoma 1922 nach der Büste Adolf von Hildebrands schafft. Wie bedeutend er als Zeichner und Grafiker war, zeigt auch das Porträt einer jungen Frau „Bildnis mit Florentinerhut“ aus dem Jahr 1898. Die Locken der Frau, durch die der Wind geht, scheinen unter dem Einfluss des Jugendstils zu stehen. Und der von Arnold Böcklins spiegelt sich in den Wasserfrauen, die den Sonnenaufgang begrüßen. Thoma hat in ihnen seine 1901 verstorbene Frau Cella porträtiert. So weit die Poesie der mythischen Gestalten, bei der Rezeption von Hans Thomas Werk wird zukünftig die Wirklichkeit mitbedacht werden müssen.
Hans Thoma. Zwischen Poesie und Wirklichkeit. Augustinermuseum, Augustinerplatz, Freiburg. Di-So 10-17 Uhr, Fr 10-19 Uhr. Bis 30.03.25
Bildquellen
- Hans Thoma: „Abendfrieden/Die Katze“, 1901: Foto: Axel Killian
- Hans Thoma: „Geschwister“, 1873: © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe