Im Gespräch: Sebastian Hesselmann, Musiker aus Freiburg, über seine Single „Manchmal“, Depressionen und Mützen

Der Freiburger Musiker Hesselmann ist längst kein unbekanntes Gesicht mehr – nach einer selbst veröffentlichten Debüt-EP 2015 spielte er in den Jahren danach als Support für Bands wie Skinny Lister, Redensart und The Gardener and the Tree. 2016 tauchte er für acht Monate in die Londoner Musikszene ein und gewann später beim One Week Record Contest von Joey Cape den Hauptpreis. Nach dem Abschluss seines Studiums in Freiburg beginnt er einen Job in seinem zweiten Wohnzimmer, dem Plattenladen Flight 13, und beschließt, sein Leben der Musik zu widmen. Mit seinem Nachnamen als Künstlernamen nimmt er nun Abstand vom englischen Singer-Songwriter und wendet sich einem vielseitigeren Bandsound zu. Nun schreibt er auf Deutsch – sein jüngst veröffentlichter Song „Manchmal“ ist gefühlvoll, berührend und wahnsinnig ehrlich. Im Gespräch mit Elisabeth Jockers verrät Sebastian Hesselmann, was ihn zu diesem Song bewegt hat und was es eigentlich mit seinen Mützen auf sich hat.

Kultur Joker: Wenn ich mir deine Videos auf YouTube so ansehe, habe ich das Gefühl, dass bei dir die Musik und nicht die Show an erster Stelle steht. Woher kommt diese Leidenschaft für Musik? Und gibt es Künstler*innen, die dich inspirieren?

Hesselmann: Musik mache ich schon seit ich denken kann – es gab und gibt für mich kein Leben ohne Musik. Mir ist es sehr wichtig, dass die Musik bei meinen Konzerten, aber auch bei den Studioveröffentlichungen an erster Stelle steht, da ich mit meinen Songs auch etwas transportieren möchte. Zudem ist Show sowieso nicht mein Ding, ich möchte so authentisch wie möglich sein.
Ich höre sehr viel Musik und es gibt viele Bands und Künstler*innen, die mich inspirieren. Beispiele sind: The Weakerthans, Muff Potter oder Frightened Rabbit, die ich lyrisch sehr bewundere, aber auch Sängerinnen wie Phoebe Bridgers, die live unglaublich intim und verletzlich ist, was ich ebenfalls sehr mag.

Kultur Joker: In „Manchmal“ thematisierst du Isolation, allein sein und Einsamkeit. In der Coronazeit wurden diese Themen insbesondere für junge Menschen aktuell. Was hat dich zu „Manchmal“ inspiriert? Und wie autobiografisch ist deine Musik?

Hesselmann: Meine Musik ist zu hundert Prozent autobiografisch – alle Songs handeln von Themen und Gedanken, die entweder direkt meine sind, oder die ich bei anderen Menschen beobachte. „Manchmal“ handelt von meinem eigenen Umgang mit Depressionen und Selbstzweifel. Irgendwann habe ich für mich entschieden, dass ein offener Umgang damit sehr wertvoll sein kann – dann habe ich begonnen, auch darüber zu schreiben. Ich finde, dass das Thema Depression nach wie vor gesamtgesellschaftlich, aber auch in der Musikindustrie unterrepräsentiert ist – ich würde gerne meinen kleinen Teil dazu beitragen, dass Menschen offener zu ihren Schwächen und Zweifeln stehen können. Am Ende von „Manchmal“ sage ich, dass es ok ist, nicht ok zu sein und genau so meine ich das auch – allerdings habe ich für diese Erkenntnis auch eine Weile gebraucht. Wir sind aber nie alleine mit Zweifeln, Ängsten und Einsamkeit und wenn ich das auf Konzerten an nur eine Person weitergeben kann, dann habe ich schon eine kleine Veränderung vollbracht und das ist schön – tiny changes.

Kultur Joker: Ich habe gesehen, dass der Song „Manchmal“ von Swen Meyer gemischt wurde, der u.a. auch für Tim Bendzko arbeitet. Wie ist denn der Kontakt entstanden?

Hesselmann: Der Kontakt entstand über meinen Produzenten Yannick Albrecht, der in einer Band spielt, die von Swen produziert wurde. Swen Meyer hat Alben produziert, die für mich total wichtig sind, gerade die ersten Alben von Kettcar und Tomte. Wir wollten zumindest mal nachfragen, ob er sich vorstellen könnte, den Song zu mischen. Dass das jetzt geklappt hat, freut mich bis heute sehr und ist natürlich auch eine große Ehre.

Kultur Joker: In deinem Musikvideo sieht man dich im Zeitraffer auf dem Europaplatz sitzen, hinter dir nimmt das Leben der Stadt seinen Lauf. Welche Idee steckt hinter deinem Musikvideo? Und ist das alles im One-Take aufgenommen?

Hesselmann: Das Musikvideo habe ich zusammen mit Frieder Lang von Pavement Graphics konzipiert, der das mehr als fantastisch umgesetzt hat. Das Video besteht, bis auf Intro und Outro, nur aus Fotos. Wir haben alle 4 Sekunden ein Foto gemacht und dann 12 Fotos pro Sekunde gebraucht, denn für eine flüssige Bewegung benötigt das menschliche Auge 24 Bilder pro Sekunde. So entsteht der Stop-Motion Effekt. Für 2 Minuten Video steht man natürlich mehrere Stunden dort, das war schon eine Herausforderung. Die Idee dahinter war die Situation mit dem Stop-Motion Effekt so aussehen zu lassen als sei alles, was in dem Effekt passiert, nur in meinem Kopf. Die Uhr bleibt beispielsweise stehen und wenn der Effekt aufhört, dann laufe ich im Bewegtbild da weiter, wo ich vorher war. Wir haben versucht das Thema des Songs damit einzufangen – Selbstzweifel und Ängste sind auch etwas Subjektives, das nur in der Person selbst stattfindet. Menschen wären beispielsweise oft überrascht von dem, was sie sähen, wenn sie sich für einen Moment durch die Augen anderer Menschen sehen könnten.

Kultur Joker: Dein Song klingt wahnsinnig harmonisch. Wie entsteht denn so ein Song bei dir? Kommt zuerst die Melodie? Oder hast du direkt ein Thema im Kopf und daraus entsteht der Song?

Hesselmann: Bei mir entsteht alles zeitgleich. Ich fange an etwas auf der Gitarre zu spielen, eine erste Zeile entsteht, dann baue ich solange darauf auf und daran herum, bis alles fertig ist. An der Instrumentierung und am Arrangement habe ich dann mit meinen beiden Produzenten im Studio gearbeitet.

Kultur Joker: Kurze Frage zwischendurch: Hat deine gelbe Mütze einen speziellen Grund? Oder sind Mützen allgemein dein Markenzeichen?

Hesselmann: Ich habe einfach einen kleinen Mützentick, sie sind mein liebstes Accessoire und du wirst mich wahrscheinlich nur beim Schlafen ohne sehen.

Kultur Joker: Ich habe gesehen, dass du Geschichte und Englisch auf Lehramt studiert hast und auf deinem YouTube-Kanal wohl bald bereits produzierte Songs auf Englisch folgen sollen. Wann ist mit diesen zu rechnen? Steht schon einer in der Pipeline?

Hesselmann: Englische Songs gehören der Vergangenheit an und werden wohl sobald nicht folgen. Ich mache aktuell zum ersten Mal seit Jahren genau die Musik, die ich machen möchte und das ist sehr schön. Ich kann mir vorstellen, dass ich irgendwann wieder Lust habe auf Englisch zu schreiben, aber dann wäre das eher ein Nebenprojekt von mir. Ich habe 2017 eine Albumproduktion in den USA gewonnen, was unfassbar spannend und reizvoll war. Ich wollte aber zu der Zeit eigentlich schon nur noch auf Deutsch schreiben und habe mir dann in meinem Perfektionismus teilweise so viel Druck gemacht mit neuen Songs, dass ich den Spaß am Musikmachen verloren habe. Ich kann mir gut vorstellen, dass dieses Projekt irgendwann wieder aktuell wird, dann aber mit weniger Perfektionismus, mehr Gelassenheit und der Gewissheit, dass ich die Musik, die ich machen möchte, schon gemacht habe bzw. mache – nämlich jetzt gerade.

Kultur Joker: In einem Interview sagtest du, dass du zukünftig auf Deutsch statt Englisch singen möchtest. Wie kam es denn zu dieser Entscheidung? Normalerweise ist der Switch ja eher anders herum.

Hesselmann: Der Switch kam ziemlich natürlich. Ich mochte und mag englische Songs und fühle mich in der Sprache auch wohl – allerdings eröffnet Englisch nie die Möglichkeiten der Muttersprache. Gerade wenn ich sage, dass ich thematisch authentisch sein und über persönliche Themen singen möchte, ist Deutsch perfekt, da ich mich dahinter gar nicht verstecken kann, so wie es im Englischen manchmal der Fall ist. Zudem ist Deutsch einfach eine schöne Sprache, in der es noch mehr schöne, berührende und tiefe Songs geben sollte – vielleicht kann ich dazu beitragen.

Kultur Joker: „Manchmal“ ist dein aktuelles Release – auf was können wir uns denn in Zukunft freuen? Folgt vielleicht bald ein Album, Auftritte oder gibt’s andere Pläne, über die du schon sprechen möchtest/kannst?

Hesselmann: In drei Wochen erscheint die Akustikversion von „Manchmal“ plus Video, welches sich thematisch genau an das der Single anschließt –  lasst euch überraschen! Dann haben wir im Dezember mit Band eine Livesession mit drei Songs im Jazzhaus Freiburg aufgenommen – die Liveversion von „Manchmal“ erscheint als erstes. Im Sommer soll dann die zweite Single folgen: Dann erscheint noch ein Akustiksong und für den Winter ist eine EP mit fünf Songs und eine weitere Single geplant. Daneben möchte ich natürlich wieder live spielen, da folgen hoffentlich bald auch die ersten Termine. Es sind gerade spannende Zeiten!

Kultur Joker: Lieber Sebastian, wir wünschen dir viel Erfolg und weiterhin so viel Freude an der Musik!

Bildquellen

  • Sebastian Hesselmann: Foto: Frieder Lang