Handgestrickte Mützen statt Kronen

„Königinnen“ von Fritz Hauser und Joachim Schloemer am Theater Basel

Ausdrucksstark: Tamriko Kordzaia, Simone Keller, Solenn‘ Lavanant-Linke und Kinder Foto: Peter Schnetz

Wäre dies ein Märchen, dann müsste aus diesem Schacht der verwunschene Frosch springen, mitsamt dem goldenen Ball, der der Prinzessin aus Versehen in den Brunnen gefallen ist. Stattdessen sitzt Carina Braunschmidt an seinem Rand und schlägt ihre Highheels an die blaue Öffnung. Es klingt hohl und als sie einen ihrer Schuhe den Schacht hinabfallen lässt, klingt es nach großer Tiefe. „Du kannst gehen“, ruft sie ihm nach und zündet sich eine Zigarette an. Sie hängt ihren Gedanken nach und erzählt Erinnerungen an ihre Mutter.
Nein, Märchenfiguren sind diese sieben, schwarz tragenden Frauen nicht, die Fritz Hauser und Joachim Schloemer auf der Kleinen Bühne des Theater Basel versammelt haben. Doch ihre Alltagstauglichkeit müssen diese Königinnen auch nicht gerade beweisen. Die beiden Schauspielerinnen Carina Braunschmidt, Verena Buss, die Tänzerin Alice Gartenschläger und die Musikerinnen Geraldine Cassidy, Simone Keller, Tamriko Kordzaia und Solenn Lavanant-Linke geben Kunstfiguren. Zu Beginn dieses 70minütigen Abends glaubt man die Schemen der Frauen für einen Moment auf der Rückwand zu sehen. Dann realisiert man, dass es sich um sieben Mädchen handelt, die die gleiche Kleidung wie die Erwachsenen tragen und so jeweils einer Figur zugeordnet werden können.
Das Regie-Duo Hauser Schloemer hat ausdrucksstarke Frauen ausgewählt, die ihren Raum zugestanden bekommen. Da erzählt Verena Buss vom Leben der Bienenkönigin und ihrer Drohnen aus einem Text von Maurice Maeterlinck. Die Mezzo-Sopranistin Solenn Lavanant-Linke rollt sich langsam auf dem Boden von einer Seite zur anderen, während sie eine Arie singt. Stücke von Fritz Hauser selbst, aber auch Werke von Mozart, Donizetti Schuman und Wagner sind an diesem Abend zu hören. Schon lange ist Joachim Schloemer daran interessiert, die Grenzen zwischen den verschiedenen Künsten aufzuheben, dazu gehört auch das Einbeziehen tänzerischer Elemente oder Bewegungen in den Gesang.
Eine eigentliche Geschichte erzählt dieser Abend nicht. Das lässt ihn über weite Strecken zerfasern. Verschiedene Szenen reihen sich aneinander, durchkreuzen und durchdringen sich. Carina Braunschmidt spricht Fragmente eines Textes von Alissa Walser, in dem sich eine junge Frau anstelle einer goldenen Krone eine handgestrickte Mütze kauft und dennoch hofft, als Königin erkannt zu werden. Alice Gartenschläger tanzt Sequenzen mit weit ausholenden Bewegungen und gestreckten Gliedern, später wird sie an einer ihrer Partnerinnen Wiederbelebungsversuche starten oder ist es doch ein Kampf der Konkurrentinnen? Die Kinder spiegeln die Frauen und lassen aus der mythischen Zeit der Königinnen eine reale, vergehende werden.
Solche Abende wie „Königinnen“ sind selten geworden, nicht allein wegen der Uneindeutigkeit der Zuordnung, vor allem wegen seines uneingeschränkten Bekenntnisses zur Kunst, ohne Zugeständnisse an den Massengeschmack. Das Spröde an „Die Königinnen“ ist zugleich Charakterfrage.
Annette Hoffmann