Dauerlauf in der Badewanne

Zum Werk der 2007 verstorbenen Künstlerin Romane Holderried Kaesdorf

„Meine Figuren machen nichts Besonderes, nur etwas Anderes“, meinte die Malerin und Zeichnerin Romane Holderried Kaesdorf (1922-2007) einmal lapidar. „Es gibt Handlungen. Keine Ergebnisse. Keine Bedeutung.“ In der Tat entbehren sämtliche ihrer Bilder jeden rationalen Sinns und jeder Logik. Klischees interessierten die Künstlerin einfach nicht.

Bis auf ihre Studienzeit an der Stuttgarter Kunstakademie verbrachte die Künstlerin das ganze Leben in Biberach – abseits der Kunstzentren und unberührt vom permanenten Wechsel der künstlerischen Stile und Moden. Vielleicht darum konnte sie ihren ureigenen Personalstil ausprägen, den sie, wie übrigens auch ihr Mann, der Advokat und Maler Julius Kaesdorf (1914-1993), zeitlebens bewahrte.

So fehlte schon immer die passende Schublade, in welche die sogenannten Werkerklärer und Kunstexperten sie hätten stecken können. Zwar zeigen ihre (frühen) Bilder eine gewisse Nähe zu George Grosz oder James Ensor, entstanden allerdings aus einem ganz anderen kulturellen Kontext heraus. Weisen aber ihre eigentlichen Wurzeln nicht in eine ganz andere Richtung, nämlich Literatur und Theater? Immerhin hatten sie Peter Handke, Samuel Beckett, Eugène Ionesco und James Joyce immer besonders fasziniert.

Das Absurde im Alltäglichen, wie es zuweilen auch in einer performativen Bühnensituation der Tanzchoreographin Pina Bausch zu finden war, war auch Romane Holderried Kaesdorfs Lebensthema, die gezeichnete menschliche Figur ihr Motiv: In den siebziger Jahren die Männerfiguren, die in ihren altmodischen Anzügen und Hüten steif und förmlich auf Stühlen sitzen, liegen oder stehen, mit welchen sie wiederum auf einem Sofa balancieren; dabei stets die Würde wahrend, niemals bloßgestellt. Ab den Achtzigern dann Frauenfiguren in Faltenröcken und Kittelschürzen, die sich auf ungewöhnliche Weise mit gewöhnlichen Gegenständen wie Stühlen, Schränken, Schemeln oder Trichtern beschäftigen; auch sie niemals überzeichnet oder ins Lächerliche gezogen, obgleich so manchem Einfall wie dem Dauerlauf in der Badewanne eine gewisse Komik innewohnt. Dazu die Titel, die dies unkonventionelle Tun als „Übungen“ oder „Merkblätter“ deklarieren und sich wie Gebrauchsanweisungen für das Halten von Brettern, Kniebeugen oder Knotenlösen lesen.

Hierbei maß Romane Holderried Kaesdorf dem Bildaufbau stets große Bedeutung zu: „Ich spreche nicht von Komposition, ich spreche viel eher von Konstruktion. Gebaute Bilder.“ Ihren entschiedenen, kraftvollen Strich bezeichnete sie selbst einmal als „laut und deutlich“. So skizzenhaft manche ihrer Blätter aber erscheinen mögen, niemals waren sie aus der bloßen spontanen Geste heraus entstanden. Auch wenn mancher Bildausschnitt eher nachlässig dahingeworfen erscheint, so zeigen sich einzelne Details – vornehmlich Hände und Füße – stets in allerhöchster Präzision und Eleganz ausgearbeitet.

Angesichts der Qualität ihrer Werke kann man sich nur wundern, dass es um Romane Holderried Kaesdorf heute, zehn Jahre nach ihrem Tod, so still geworden ist. Dabei waren sehr früh schon deutsche Museen auf sie aufmerksam geworden. Etliche Kunstpreise durfte sie entgegennehmen, darunter 1991 den Hans-Thoma-Preis und 1989 den Oberschwäbischen Kunstpreis. Selbst die Professorenehre wurde ihr 1992 zuteil.

Heute begegnet man ihren Werken allenfalls in Gruppenausstellungen; allein der anlässlich der Biberacher Retrospektive von 2008 hergestellte, umfassende Katalog zeugt noch von der Aktualität der Künstlerin, die immerhin zu den originellsten und besten Zeichner(inne)n des 20. Jahrhunderts zählt. Es wäre an der Zeit, sie endlich einem breiten Publikum (zumal jüngeren Generationen) zu erschließen.

Friederike Zimmermann