Das ZKM in Karlsruhe zeigt eine multimediale Schau des Architekten Olee Scheeren

Himmelstürmend, in sich verdreht, gebogen oder ausgebuchtet, die Türme und Wohnwelten des Architekten Ole Scheeren widersetzen sich den Gesetzen der Statik. Man könnte sie für computergenerierte Elemente von Science Fiction-Filmen halten, so futuristisch und spacig wirken Scheerens Bauten. Diesen Eindruck vermittelt die Ausstellung „ole scheeren: spaces of life“, die bis zum 4. Juni im ZKM Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe gezeigt wird. Schon der Grundriss der Ausstellung passt perfekt zum Thema, um ein großzügiges Atrium herum gruppieren sich die kleineren, jeweils einem bestimmten Aspekt gewidmeten Räume.
Eine Architektur-Ausstellung enthält natürlich eine Reihe von Modellen. In dieser Schau sind die Modelle etwas Besonderes, denn mittels der dazu gehörenden QR-Codes kann man sich virtuell in die Architektur hineinversetzen. Zuvor muss man die Snapchat-App heruntergeladen haben. An einer rund 40 Meter langen Wand verläuft die Time Line, die chronologisch geordneten Entwürfe und gebauten Gebäude. Alle Modelle wurden im 3 D-Drucker gedruckt und mit der Hand nachbearbeitet, sind also sehr detailgetreu. Animationen vermitteln ebenfalls einen lebendigen Eindruck von Scheerens faszinierenden Ideen und realisierten Bauten, die nichts mit den immergleichen Würfeln von der Stange zu tun haben, die hierzulande wie Pilze aus dem Boden sprießen.
Scheerens Architektur besteht nicht nur aus Stahl, Beton und Glas. Der in Karlsruhe geborene Architekt plant Grünflächen mit ein, Teiche und Wasserläufe, offene Begegnungsräume, und das alles auf verschiedenen Ebenen. Es sind tatsächlich Lebensräume, spaces of life. Dass die meisten seiner Bauten in Asien stehen und er Büros auch in Hongkong und Peking angesiedelt hat, ist kein Zufall. Ob und bis so etwas hier genehmigt werden würde, samt den Diskussionen darüber, beansprucht einen Zeitraum, in dem in Asien bereits der ganze Komplex steht. Die preisgekrönte Anlage „The Interlace“ in Singarpur zum Beispiel. Sie besteht aus mehreren horizontalen, übereinander gestapelten Gebäuden, die viel Zwischenraum für Grünflächen lassen. Und damit sind keine einfallslosen Rasenflächen gemeint, es sind unterschiedliche Gärten, in denen die Menschen sich treffen oder eben auch in Ruhe zurückziehen können.
Statt auf den althergebrachten Grundsatz, dass die Form der Funktion folgen soll, spricht Ole Scheeren davon, dass die Form der Fiktion zu folgen hat. Seine Architektur soll die Menschen auch emotional ansprechen. Eine Reihe von Social Media-Posts dient dazu, die Zufriedenheit, um nicht zu sagen Begeisterung, der Bewohner zu dokumentieren. Viel Ausblick, viel Grün und Wasser, das ist gerade in dicht bebauten Großstädten wie Singapur, Bangkok, Shenzen oder Peking wahrer Luxus, den man sich leisten können muss. Die „soziale Nachhaltigkeit“, von der Ole Scheeren spricht, bezieht sich nicht darauf, sozialen Wohnungsbau schöner zu machen. Für die eleganten, ansprechend begrünten Lebensräume in seiner Architektur sind die Kosten für Pflege und Unterhalt einzurechnen.
Doch selbst die sozialistische Volksrepublik Vietnam leistet sich einen Komplex von Scheeren, noch ist der 398 Meter hohe Empire City Towers Complex in Ho-Chi-Minh-Stadt im Bau. Dabei strebt der visionäre Architekturkünstler nicht ausschließlich in die Höhe. Seine Bauten sollen sich in ihrer Umgebung einfügen, und so sieht man in der Ausstellung spannende Entwürfe, die sich nahtlos dem Verlauf von Fluss und Schlucht anpassen, oder wie ein Kreis sowohl das Meer wie das Land umfassen. Statt langweiliger, immergleicher Würfel sieht man in „Spaces of life“ wie aufregend, spannend und begeisternd Architektur sein kann.

„Ole Scheeren: Spaces of Life“, ZKM Zentrum für Kunst und Medien, Lorenzstr. 19, 76135 Karlsruhe, Mi-Fr 10-18 Uhr, Sa+So 11-18 Uhr. Bis 04.06.2023. zkm.de

Bildquellen

  • Ole Scheeren: „Fifteen Fifteen“ © Ole Scheeren »Fifteen Fifteen«: © Buro-OS, Rendering: Binyan Sudios-os_rendering_by_binyan_studios