Das Museum Frieder Burda in Baden-Baden zeigt in der Ausstellung „Der König ist tot, lang lebe die Königin“ Arbeiten von 31 Gegenwartskünstlerinnen

Peggy Guggenheim in ihrer New Yorker Galerie Art of This Century (1942) © Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Tom Fitzsimmons

Superman hatte einen Unfall. Er steckt mitten in der Wand, man sieht nur noch einen Teil des Torsos, die Beine und darüber den Umhang. Ein perfektes Sinnbild für die Ausstellung „Der König ist tot, lang lebe die Königin“. Genau genommen zeigt die Schau im Museum Frieder Burda in Baden-Baden 31 Königinnen aus dem Reich der Kunst. Kurator Udo Kittelmann knüpft dabei an die Ausstellung „Exhibition by 31 Women“ an, die vor 80 Jahren in der Galerie der legendären Sammlerin Peggy Guggenheim stattfand.
31 Gegenwartskünstlerinnen also, die ganz unterschiedliche Hintergründe mitbringen und einen jeweils unverwechselbaren eigenen Stil haben. Es gibt sehr persönliche Positionen, aber auch ausgesprochen witzige Arbeiten. Patricia Waller lässt Superman trotz seiner Superkräfte einfach in der Wand stecken bleiben, und, noch schlimmer, er ist gehäkelt! Selbst das die Wand herabrinnende Blut besteckt aus Wolle – tiefer kann ein Superheld nicht fallen.
Entzauberung und eine tiefe Enttäuschung liegt in Thuraya Al-Baqsamis Blick auf ihren Ehemann. „Flying Desire“ heißt das Bild, auf dem die korrekt verschleierte Künstlerin voller Sehnsucht auf ihren Ehemann blickt. Doch dessen Augenhöhlen starren blicklos ins Leere, der Kopf ist hohl, und aus der oben offenen Schädeldecke fliegen weiße Tauben. Sie fliegen zur Künstlerin, Sinnbild ihres Wunsches nach einer Zweisamkeit in der arrangierten Ehe.Tochter Monira Al Quadiri führt das Motiv weiter. Sie übernimmt den blicklosen Kopf des Vaters mit der abgeschnittenen Schädeldecke und legt ihm ihre Worte in den Mund. Die dazu gehörende Tonspur erzählt vom Heranwachsen Moniras als Tochter einer kuweitischen Künstlerin.
Kerstin Brätsch spielt in ihren großformatigen Arbeiten mit den ganz großen Tieren. Dinosaurier tummeln sich kreuz und quer in den „Dino Runes“ und zeigen dabei ihre Zähne, stumme Botschafter einer weit entfernten Zeit. Lin May Saeed hat ein Herz für Tiere unserer Zeit, die in ihren Arbeiten befreit werden. Gleich ist die Kette durchgeschnitten, die den Elefanten im Käfig hält, das Kunstwerk passenderweise geformt aus Werkzeugstahl.
Am häufigsten zeigen die ausgewählten Arbeiten Frauen. Wenige Jahre vor der Wende lichtete die Fotografin Helga Paris einige Mitarbeiterinnen des ostdeutschen Bekleidungswerks VEB Treffmodelle Berlin ab. Es sind spannende Porträts, denn der direkte Blick der Frauen in die Kamera verrät viel. Bei den einen Müdigkeit, Erschöpfung, Resignation. Andere schauen selbstbewusst oder neugierig in die Kamera. Alle diese Frauen haben bei der Arbeit im Bekleidungswerk „ihren Mann gestanden“. Ganz anders die Frauenporträts der in Afghanistan geborenen Sara Nabil. In ihrer Serie „Power“ sind alle Frauen komplett verschleiert, das Gesicht lässt sich bestenfalls erahnen. Neben traditionellen Schleiern sehen wir auch Frauen, deren Augen verbunden sind mit typisch männlichen Accessoires wie Krawatten, Jackett oder Gürtel. Das Ziel ist immer dasselbe, dokumentiert in dem schwarzen Bild am Ende: die Unsichtbarmachung der Frau als Gipfel der Unterdrückung.
Sichtbare Frauen in der westlichen Welt haben andere Probleme, zum Beispiel das Schönheitsideal. Marianna Simnett drehte einen Film über den Einsatz von Botox an sich selbst. Nicht einfach gegen echte oder vermeintliche Fältchen, die britische Künstlerin greift eine Praxis auf, die bei Männern zum Einsatz kommt, die sich eine tiefere, klangvollere Stimme wünschen. Dafür wird Botox, bekanntlich ein Nervengift, in den Kehlkopf gespritzt. Klingt gruselig. Der Verlauf dieser Prozedur erhält bei Simnett eine noch gruseligere Wendung… Die spitzzackige Krone ist nicht der britischen Monarchie, sondern der antiken Göttin Discordia gewidmet. Sie brachte Männer dazu, gegeneinander Krieg zu führen. Für Simnett steht die Krone der Discordia für weibliche Macht, die von Männern gefürchtet wird.
Es ist eine anregende Schau aus unterschiedlichsten Blickwinkeln und Themen. Nicht umsonst ist die Vielfalt weiblich.

„Der König ist tot, lang lebe die Königin“, Museum Frieder Burda, Lichtentaler Allee 8b, Baden-Baden, Di-So: 10-18 Uhr. Bis 8.10.2023

Bildquellen

  • Peggy Guggenheim in ihrer New Yorker Galerie Art of This Century (1942): © Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Tom Fitzsimmons
  • Peggy Guggenheim in ihrer New Yorker Galerie Art of This Century (1942): © Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Tom Fitzsimmons