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Adel verpflichtet: Seit 50 Jahren prägt Nikolaus von Gayling-Westphal das Barockschloss von Ebnet

Ein Schloss zu besitzen ist schön, macht aber viel Arbeit. Der Spruch frei nach Karl Valentin fasst zusammen, was einem durch den Kopf geht, wenn man den Altherrn des Ebneter Schlosses besucht. Nikolaus von Gayling-Westphal, der seit fünfzig Jahren in dem heiteren Barockgebäude am Eingang des 1974 nach Freiburg eingemeindeten Ortes residiert, hat das bauliche Vermächtnis seiner Vorfahren, das zu den bedeutendsten Schlössern in Südbaden gehört, nach und nach wieder in seinen ursprünglichen Zustand versetzen lassen. Das kostet Geld. Viel Geld. Und Abstimmung mit dem Denkmalschutz. Zur Zeit wird der prächtige Gartensaal mit dem berühmten Deckenbild von Benedikt Gambs und dem herrlichen Blick in den viereinhalb Hektar großen Schlosspark restauriert. Davor waren die hintere Fassade und das Dach dran.

Zur Zeit wird der prächtige Gartensaal mit dem berühmten Deckenbild von Benedikt Gambs und dem herrlichen Blick in den viereinhalb Hektar großen Schlosspark restauriert Foto: Elisabeth Jockers

Ein Millionenprojekt. Der nur noch repräsentierende Herr des Hauses, der das operative Geschäft vor Jahren an seine Tochter Juliane van Manen übertragen hat, humpelt – nach einem schmerzhaften Sturz – über die Kiesfläche vor dem Treppenaufgang und zeigt auf zwei schmiedeeiserne Wappen mit verschnörkelten Initialen. Ob die Besucherin sie entziffern könne? Die oberen Buchstaben verweisen auf den Erbauer des Schlosses Ferdinand Sebastian Freiherr von Sickingen. Die unteren auf den aktuellen Bewohner: N. v. G. Der kleine Coup freut Nikolaus von Gayling-Westphal sichtlich. Und er hat sich ja nicht zu Unrecht hier verewigen lassen: Ihm hauptsächlich ist es zu verdanken, dass das Ebneter Schloss immer noch als barockes Juwel den Freiburger Ortsteil ziert. Er übernahm das Schloss 1975 von seiner Mutter Olga Westphal, der Ebnet nach dem Tod seiner kinderlosen Großtante Elisabeth von zur Mühlen, zugefallen war. Zu ihr, die auch Ehrenbürgerin von Ebnet ist, hatte er sich aus einem für ihn schwierigen Elternhaus immer wieder geflüchtet. Im Schloss fand er nach einer rebellischen Jugend Ordnung und Halt – und lernte jenen Stand über die Maßen zu schätzen, den seine freisinnigen Eltern verachteten.

Die heimelige Küche dient derzeit auch als Besprechungsraum Foto: Elisabeth Jockers

Da Nikolaus von Gayling-Westphal aber andererseits nicht aus einem uralten Adelsgeschlecht stammt – sein in Hamburg geborener Vater heiratete in die Familie von Gayling ein, der Adelstitel wurde dem Sohn nachträglich verliehen –, ist ihm der diesem Stand nachgesagte Dünkel fremd.
Ihm war die Öffnung seines Wohnsitzes für breite Bevölkerungskreise stets ein Anliegen. Konkret materialisierte sich diese noble Absicht in zahlreichen kulturellen Veranstaltungen. Vor zwanzig Jahren mündete dieses Engagement in die Gründung des Ebneter Kultursommers durch von Gayling, Atai Keller, Oliver Lucht und Lioba Alicke. Seitdem öffnet das Schloss jedes Jahr im Juli für vier Wochen seine Tore für ein an Musik, Kabarett, Theater, Literatur und einer lauschigen Atmosphäre interessiertes Publikum. Im Zentrum des Festivals steht die historische Zehntscheune, die Platz für 200 bis 300 Zuschauer bietet. Den Höhepunkt im Jubiläumsjahr stellt ein Konzert des Freiburger Barockorchesters dar. Der Musik ist der Freiherr ohnehin besonders zugetan. In seiner Kindheit spielte er Geige. Geblieben ist von den musikalischen Anfängen des jungen Nikolaus ein Porträt in Öl, das er heute noch als Aufkleber unter die Besucher bringt. Doch auch ungewöhnliche Formate haben im Kultursommer ihren Ort: In diesem Jahr holt das Festival Sepp Allgeiers Film über Heidegger und Hebel aus dem Giftschrank. Und der Philosoph Georg Spoo spricht über Karl Marx. Daneben pflegt der Kultursommer regionale Größen wie den Kabarettisten Stefan Pflaum und die Volksmusiker der Schwarzwaldperle aus St. Peter,
Von Gaylings Traum, auch die wesentlich größere Reithalle zum kulturellen Ort zu machen, scheiterte zu seinem großen Bedauern nach einigen Festivaljahren an den Einsprüchen der Anwohner wegen Lärmbelästigung. Dabei liegt dem ehemaligen Freiburger FDP-Gemeinderat dieses Gebäude besonders am Herzen. Er ließ die 1928 in Littenweiler errichtete Reithalle dort ab- und in seinem Park wieder aufbauen, nachdem sie einem Neubaugebiet hätte weichen müssen. Ein historisches Foto zeigt den Reitergeneral und Bollschweiler Schlossherrn Max Freiherr von Holzing-Berstett, den Vater der Dichterin Marie Luise Kaschnitz, mit Stock und Melone bei der Eröffnung der auf seine Initiative hin gebauten Halle. Auch diesem Erbe sieht sich der Ebneter Altschlossherr verpflichtet.

Nikolaus von Gayling-Westphal Foto: Elisabeth Jockers

Zur Zeit dient das mit einer grandiosen Dachbalkenkonstruktion ausgestattete Gebäude als Abstellraum. Aber das soll sich bald ändern. Juliane van Manen, die jetzige Schlossherrin, die auf dem Gelände ein modernes Wohnhaus für ihre Familie hat bauen lassen, will die Reithalle in eine Wohnanlage verwandeln: Mehr als 30 Ferienapartments sollen hier entstehen mit einem zusätzlichen Gebäude für die Verwaltung des Luxusresorts. Man möchte sich das Treiben rund um die historisch bedeutsame Schlossanlage nicht vorstellen. Auch Nikolaus von Gayling-Westphal zeigt sich skeptisch. Aber: Die Zukunft des Schlosses sei seine Sache nicht mehr. Und: die Kosten. Der Baron – so lässt er sich gern nennen, auch von dem ZDF-Team, das neulich hier war, um ihn zum Thema „Adel heute“ zu interviewen – rechnet vor, dass der Erhalt der historischen Bausubstanz im Monat 10 000 Euro koste. Also muss eine dauerhafte Rendite her: Der Erlös aus dem Geschäft mit den Ferienwohnungen soll komplett in die Bewahrung des Gemäuers fließen. Das hat sich die Stadt Freiburg vertraglich als Gegenleistung für die Erteilung der Baugenehmigung ausbedungen.
Derweil wohnt der Vater von vier Töchtern und einem Sohn nach wie vor im Schloss. Sein Arbeitszimmer ist zugleich Schlaf- und Badezimmer. Die Küche dient auch als Besprechungsraum. Schwer zu heizen ist das alte Gemäuer, das seit mehr als 200 Jahren im Besitz der Familie von Gayling ist. Davor gehörte es von 1568 bis 1809 dem Adelsgeschlecht von Sickingen-Hohenburg. Ferdinand Sebastian von Sickingen und vor allem seine kunstsinnige Gattin Anna Maria Sophia, deren Bruder Fürstbischof von Würzburg war, sorgten für seine heutige prachtvolle Gestalt. Der Basler Architekt Johann Jacob Fechter wurde 1748 mit dem Neubau betraut, berühmte Maler und Bildhauer ihrer Zeit wie Johann Christian Wentzinger, Benedict Gambs und Johann Pfunner sorgten für die Ausgestaltung. Es gibt, wie Hans-Otto Mühleisen, der profunde Kenner der barocken Klosteranlage von St. Peter, herausgefunden hat, interessante künstlerische Parallelen zwischen beiden Bauten. 1809 kaufte Großherzog Carl Friedrich von Baden das Ebneter Schloss. Sein Enkel Carl veräußerte es 1811 an seinen Reisemarschall Christian Freiherr von Gayling-Altheim. Väterlicherseits stammt Nikolaus von Gayling-Westphal aus einer Hamburger Kaufmannsfamilie. Sein Großvater wandte sich vom Teegeschäft ab und wurde ein bedeutender Physiker. Auch sein Vater Otto Westphal reüssierte als Naturwissenschaftler – erst unter dem NS-Regime und nach dem Krieg unter anderem als Gründer des Freiburger Max-Planck-Instituts.
Kein einfaches Erbe für den Sohn, der eigene Wege ging. Nikolaus von Gayling-Westphal studierte in Konstanz bei Ralf Dahrendorf als einer seiner ersten Studenten Soziologie.
Doch dann rief das Schloss Der Gesellschaftswissenschaftler stellte sich als Verwalter und Forstwirt in dessen Dienst. Aber das Interesse an politischen Prozessen blieb. 1994 gehörte von Gayling zu den Gründungsmitgliedern des Forum Ebnet, eines Bürgervereins, der von den Parteien zuerst belächelt wurde, aber inzwischen die Mehrheit der Sitze im Ortschaftsrat und die Ortsvorsteherin stellt. Der streitbare Freigeist hat in Ebnet vieles angestoßen. Adel verpflichtet: Vielleicht muss man ein Bürgerlicher sein, um diese Maxime ernst zu nehmen.

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  • Zur Zeit wird der prächtige Gartensaal mit dem berühmten Deckenbild von Benedikt Gambs und dem herrlichen Blick in den viereinhalb Hektar großen Schlosspark restauriert: Foto: Elisabeth Jockers
  • Die heimelige Küche dient derzeit auch als Besprechungsraum: Foto: Elisabeth Jockers
  • Nikolaus von Gayling-Westphal: Foto: Elisabeth Jockers
  • Das barocke Schloss Ebnet: Foto: Elisabeth Jockers