Kunstwerke erzählen von Schicksalen: Die Ausstellung „Unrecht&Profit – Das Badische Landesmuseum im Nationalsozialismus“ ist im Schloss Karlsruhe zu besuchen
Jedes Stück erzählt von einem Schicksal, ob es der gigantische Gobelin ist oder die kleine asiatische Porzellanfigur. Denn was die verschiedenen Kunstwerke aus ganz unterschiedlichen Jahrhunderten vereint, ist der Umstand, dass ihre einstigen Besitzer sie nicht freiwillig hergegeben haben. Bis zum 28. September erzählt die Schau „Unrecht&Profit – Das Badische Landesmuseum im Nationalsozialismus“, wie die rund 70 ausgestellten Objekte zwischen 1939 und 1945 ins Haus gekommen sind.
Seit 2010 überprüft Provenienzforscherin Katharina Siefert aufwendig die Herkunft von insgesamt 840 Objekten, die das Badische Landesmuseum zwischen 1933 und 1945 gekauft hat. Der Zeitraum ist kein Zufall. Gleich im Eingang zur Ausstellung sieht man auf historischen Fotos das Karlsruher Schloss, das nach dem Ende der Monarchie zur Heimat des Badischen Landesmuseums wurde, als feudale Kulisse für eine Inszenierung des NS-Regimes zum 1. Mai 1933. Gezielt trieben die neuen Machthaber die jüdische Bevölkerung aus dem Land, ebenso gezielt wurde deren Ausplünderung betrieben. Menschen, die das Land schleunigst verlassen wollten, hatten nicht die Gelegenheit, den Bestpreis für ihre wertvollen Kunstobjekte zu erzielen. Und die Wohnungen der Deportierten wurden von Vertretern des NS-Regimes auf museumswürdiges Kulturgut gesichtet, bevor die Einrichtung zur Versteigerung freigegeben wurde. Museen konnten durch den kostengünstigen Erwerb wertvoller Stücke also durchaus vom Unrecht des NS-Regimes profitieren.

In der Ausstellung sieht man lange, deprimierende Listen. Akribisch wurde jedes Objekt aus Beschlagnahmungsaktionen aufgeführt. Aus den besetzten Nachbarländern Frankreich und den Niederlanden sind ganze Güterzüge und Schiffsladungen mit geraubtem Kulturgut nach Deutschland gekommen. Aber längst nicht immer stehen die Namen der ehemaligen Eigentümer dabei. Von dem keineswegs nur materiellen Verlust erzählen die kleinen Puppenservices. Ein Plüschkaninchen verweist auf Judith Kerrs Erinnerung an die Flucht vor den Nationalsozialisten, aufgeschrieben in dem Buch „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“. Provenienzforscherin Siefert vergleicht ihre Arbeit, die einstigen Besitzer und möglichst deren Nachfahren und Erben ausfindig zu machen, mit einem riesigen Puzzle. Ein eigens angefertigter, wie ein überdimensioniertes Puzzleteil gearbeiteter Tisch vermittelt mit interaktiven Stationen einen Einblick in die Provenienzforschung, von den historischen, auf Schreibmaschine getippten Listen bis zur Datenbank „Lost Art“.
Unzutreffende Beschreibungen in den alten Akten machen die Forschung nicht leichter. Der große Gobelin an der Wand zeigt nicht die antiken Gottheiten Mars und Diana, sondern eine Szene aus der Renaisance-Dichtung „Il pastor fido“. Gesichert ist hier immerhin die Herkunft. Ernst Gallinek, ein reicher jüdischer Kunstsammler, zog mitsamt seiner Sammlung ins vermeintlich sichere, weil von Gästen aus aller Welt besuchte Baden-Baden. Kaum war der Sammler dort eines natürlichen Todes gestorben, wurde seine Sammlung beschlagnahmt. Der Wandbehang wurde mittlerweile den Erben zurückgegeben. Aber nicht immer ist die Herkunft so klar zuzuordnen.
Ein wunderschön bemaltes Service zeigt, wie schwierig es sein kann, trotz vielfältiger Bemühungen. Das vor den Bombenangriffen der Alliierten ausgelagerte Kulturgut wurde nach dem Krieg im Südwesten von einer speziellen Abteilung der US Army, den Monuments Men (and Women!) gesichert und dokumentiert. So auch dieses Service, die entsprechende Karteikarte der Monuments Men ist ebenfalls zu sehen. Bis jetzt haben sich weder die ursprünglichen Besitzer noch potenzielle Erben finden lassen. Der wunderschöne Bechstein-Flügel mit Perlmutt-Intarsien stammt aus dem Jugendstil-Musiksalon der Mannheimer Familie Kahn-Starré. Sie überlebte die NS-Zeit in Baden-Baden. Wie der Flügel zur Karlsruher Freimaurer-Loge „Leopold zur Treue“ kam, ist unbekannt. Von der Loge erwarb 1971 das Badische Landesmuseum den Flügel. Der Einblick in den Hintergrund der Provenienzforschung ist spannend, aber auch berührend, wenn man bedenkt, dass bis heute Menschen gezwungen sind, wegen Krieg und Vertreibung alles zurückzulassen.
Unrecht&Profit – Das Badische Landesmuseum im Nationalsozialismus. Badisches Landesmuseum, Schloss Karlsruhe, Schlossbezirk 10, Karlsruhe. Bis 28.09.25
Bildquellen
- Bacchantengruppe mit Satyr: Steingut, Glasur, Porzellanmanufaktur Capodimonte, Neapel, um 1800. Durch das Museum 1941 von der „Abteilung Jüdisches Vermögen“ in Karlsruhe erworben © Badisches Landesmuseum,: Foto: ARTIS – Uli Deck
- Wandbehang: Manufacture nationale des Gobelins Paris, um 1620; Der Wandbehang stammt aus der 2021 an die Erben restituierten Sammlung von Dr. Ernst Gallinek © Badisches Landesmuseum,: Foto: ARTIS – Uli Deck