Theater

Irrsinnige Unterhaltung: Die Festspiele Breisach haben sich an das Lustspiel „Pension Schöller“ gewagt

Die Grenzen zwischen Normalität und Wahnsinn sind fließend – oder versuchen wir, das vermeintlich Normale in ein viel zu enges Korsett zu zwängen? Das 1890 uraufgeführte Lustspiel „Pension Schöller“ von Wilhelm Jacoby und Carl Laufs stellt genau das in Frage – humoristisch, pointiert und clever. In dieser Saison hat sich das Team der Festspiele Breisach für das abendfüllende Stück rund um den Gutsbesitzer Philipp Klapproth (Benjamin Lambracht), seinen Neffen Alfred (Nick Lamprecht) und die exzentrischen Gäste der Pension Schöller entschieden.
Das liebevoll inszenierte Bühnenbild (Bühnenbild/Regie/Bühnenfassung: Peter W. Hermanns) gibt den Blick auf die Pension Schöller frei: knallgelbe Stühle und runde Tische vor grün bemalten Wänden. Das Ensemble rauscht als emsiger Haufen auf die Bühne, Servicepersonal und Gäste mit imposanten Hüten und coolen Sonnenbrillen (Kostüme & Choreografie: Juliane Hollerbach) zeichnen ein buntes 50er-Jahre-Bild. Im Hintergrund erklingt das „Lied vom Wirtschaftswunder“, das erstmals 1958 im Film „Wir Wunderkinder“ zu hören war und für Stimmung sorgt. Der Alltag in der Pension Schöller beginnt, und mittendrin: Alfred Klapproth, der mit seinem Freund Ernst Kissling (Eduard Dewaldt) eine Tanzschule betreibt. Davon weiß Alfreds Familie bislang allerdings nichts – die denkt noch immer, er sei in sein Medizinstudium vertieft, und so stehen sie vor einem Problem: Die Tanzschule läuft so gut, dass größere Räume benötigt werden. Für die Kaution soll ihnen Alfreds Onkel, der Gutsbesitzer Philipp Klapproth, 5000 DM geben – diese seien angeblich für eine Praxis. „Kein Problem“, so der Onkel, doch er fordert einen Gefallen: er möchte doch so gern einmal „Verrückte“ sehen. Keine Sorge, Alfred springt sogleich ein und klärt darüber auf, dass man nicht von „Verrückten“ spricht, sondern von psychisch kranken Menschen. Und bevor er überhaupt weitersprechen kann, meint sein Freund: In der Pension Schöller findet genau an diesem Samstag eine Soirée statt, bei der der Onkel dem puren Irrsinn begegnen könne. Doch die Pension Schöller ist keine Psychiatrie, sondern eine gewöhnliche Pension, in der der ganz normale Wahnsinn herrscht.
Gesagt, getan. Der Abend ist jung, die ersten Gäste treffen ein. Ein Feuerwerk skurriler Persönlichkeiten, angefangen bei einer weltgewandten Schriftstellerin (Alexandra Laurenat), einer enthusiastischen Weltenbummlerin mit Knarre (Sarah Thiedig) bis hin zu einem ulkigen Entomologen (Dietrich Schneider). Und spätestens dann, wenn Schriftstellerin Josephine Krüger davon spricht, dass „alle hier diesen kosmopolitischen Flair versprühen. Verrückt, nicht wahr?“, grölt das Publikum und Onkel Philipp sitzt der vermeintlich Irren sichtlich unangenehm berührt gegenüber.
Zwischendurch wird die Jukebox ausgepackt und rasante Rock’n’Roll-Choreografien sorgen für Stimmung auf dem Breisacher Schlossberg. Eine wohltuende Idee, die das Stück an den richtigen Stellen entzerrt. Dazu die clever eingesetzten Requisiten, darunter ein Oldtimer-Mercedes, der für andächtiges Raunen im Publikum sorgt und geschickt über die Bühne gelenkt wird.
Pause–Szenenwechsel. Zurück auf dem Gutshof gehen dem Onkel die Begegnungen der vermeintlich Kranken in der Pension Schöller nicht mehr aus dem Kopf. Da sitzt er, seinen Kaffee schlürfend und in sich hinein lachend, während ihn die Familie skeptisch beäugt. Er habe sich seit dem Ausflug in die Stadt verändert, merkwürdig sei er geworden. Als plötzlich alt bekannte Gesichter auf dem Gutshof auftauchen, nimmt die Geschichte ihren Lauf und landet am Ende eine clevere Pointe (die an dieser Stelle nicht verraten wird). Nur eines sei gesagt: Verrückt ist am Ende immer eine Frage der Perspektive.

Weitere Termine bis September und Tickets: www.festspiele-­breisach.de