Kunst

Ein Pionier der New York School: Mit der Ausstellung „Poesie des Lichts“ widmet das Museum Frieder Burda dem Künstler Richard Pousette-Dart die erste Retrospektive in Deutschland

Auf den ersten Blick scheinen die filigranen Skulpturen, die goldglänzenden archaischen Symbole aus Messing und die großformatigen Gemälde in starken Farben nichts miteinander zu tun zu haben. Der Eindruck täuscht. Richard Pousette-Dart (1916-1992) hat sich in seiner Kunst immer wieder neu erfunden. „Ein großartiger Künstler, den man in Europa kaum kennt“, sagt Daniel Zamani, der Künstlerische Direktor des Museums Frieder Burda. Das Haus in Baden-Baden widmet Pousette-Dart mit „Poesie des Lichts“ die erste große Retrospektive in Deutschland.
In Europa weiß tatsächlich kaum jemand, dass Richard Pousette-Dart mit Jackson Pollock, Mark Rothko und Willem de Koning zum Kreis der abstrakten Expressionisten gehörte. Er war sogar einer der Pioniere der New York School, die in den 1940er und 1950er Jahren für Furore sorgte. Im Gegensatz zu Pollock und Rothko, die ihr Image als enfants terribles der Kunstwelt genossen und sich gern als unverstandene Genies darstellten, fiel Pousette-Dart nie durch Skandale auf. Er war auf eine ruhige, beständige Weise erfolgreich als Künstler und Professor, in glücklicher Ehe mit Evelyn Gracey verheiratet, die mit 102 Jahren in ihrer Wohnung in New York lebt. Das Paar hat zwei Kinder, die zur Eröffnung der Schau nach Baden-Baden reisten.
Pousette-Dart war, neben allem anderen, ein begeisterter und talentierter Fotograf. Für seine Familienfotos, die Bilder von seinem Haus und Atelier und die Messing-Symbole, hinter denen seine Kunstphilosophie steckt, hat das Museum Frieder Burda ein eigenes Kabinett in der Schau eingerichtet. Seine Aufnahmen von Künstlerfreunden finden sich im Mezzanin und zeigen seine Begabung, mit der Kamera den Charakter eines Menschen einzufangen.

Richard Pousette-Dart: „Verloren am Anfang der Unendlichkeit“, 1991, Privatsammlung, courtesy american contemporary art GALLERY, München © The Richard Pousette-Dart Estate / VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Pousette-Dart war einer der ersten, der mit großen und bis dahin ungewöhnlichen Formaten arbeitete. Seine Gemälde können kreisrund sein oder ausladend rechteckig wie eine Wandmalerei. Die frühen Arbeiten wirken aus der Ferne wie aus schwarz übermalten und dann frei gekratzten Wachsmalkreiden geschaffen. Tatsächlich bestehen sie aus üppig in mehreren Schichten aufgetragenen, immer wieder abgeschliffenen Farbschichten. Manchmal drückte der Künstler sie direkt aus der Tube auf die Leinwand. Gemeinsam sind die in ihnen zu erkennenden Formen, die der Künstler aus verschiedenen Gegenden der Welt zusammengetragen hat und für universell hielt. Man entdeckt Spiralen, Quadrate und Kreise, Dreiecke und Augen, wellenförmige Linien und etwas, das aussieht wie das altägyptische Ankh, das Symbol für Leben. Ob in starken Farben, die sich von Schwarz abheben, oder in zarten Graphitlinien auf Weiß, die Gemälde erinnern an archaische Schriftzeichen oder auch an organische Gebilde.
Garten und Kunst sah Richard Pousette-Dart als artverwandt. Mittelalterliche und byzantinische Kirchenfenster haben ihn ebenfalls inspiriert. Entscheidend war für ihn das Licht, was besonders in seinem Spätwerk zum Ausdruck kommt. Er liebte den nächtlichen Sternenhimmel. Insofern folgt die Schau nicht einfach nur der Chronologie seiner Arbeiten, sein Werk wird im Lauf der Zeit immer leuchtender. Sonnen implodieren in einem überwältigenden Feuerwerk aus zahllosen Farbtupfern, die Pousette-Dart in einem langen Schaffensprozess auf die Leinwand brachte. Es ist eine Explosion an Farben, die eine faszinierende Sogwirkung entfalten. Je länger man vor diesen Gemälden steht, umso mehr sieht man, ebenso wie man bei der Betrachtung des Sternenhimmels immer mehr Sterne entdeckt. Der Titel „Poesie des Lichts“ trifft den Kern.
Was für diese Ausstellung in Zusammenarbeit mit der Pousette-Dart-Foundation, internationalen Museen und privaten Leihgebern in Baden-Baden zu sehen ist, dürfte in dieser Fülle und Tiefe einzigartig sein. Höchste Zeit, bis zum 14. September den nachdenklichsten und sensibelsten Vertreter des abstrakten Expressionismus kennenzulernen.

„Poesie des Lichts“, Museum Frieder Burda, Lichtentaler Allee 8b, 76530 Baden-Baden, Di-So 10-18 Uhr, www.museum-frieder-burda.de. Bis 14.09.2025