KolumneMixtape

Schleich dich, Mittelspurschleicher!

Sommer, Sonne, verstopfte Mittelspur. Die Deutschen fahren in den wohlverdienten Urlaub, und mit ihnen erlebt die Mittelspur Hochkonjunktur. Für all jene, die keinen Führerschein haben oder selten bis nie Autofahren, eine kurze Erklärung: In Deutschland gilt grundsätzlich das Rechtsfahrgebot – nur auf der Straße, dies ist kein politischer Artikel, also bitte nicht falsch verstehen. Wobei man mit Blick auf manche Parteien der Mitte von einer Fehlinterpretation dieses Fahrgebots sprechen könnte. Aber zurück zum Thema.
Auf mehrspurigen Autobahnen, insbesondere auf dreispurigen, nimmt derzeit ein Phänomen überhand, das mich zu obszönen Wutanfällen in meinen geschützten Vier-Auto-Wänden bringt. Sie kennen das: Wir fahren auf die Autobahn auf, beschleunigen auf der Einfahrt – hier hapert es dann auch schon bei einigen, die mit lässigen 60 km/h auf die rechte Spur ziehen und das Gaspedal, wenn überhaupt, mit der Spitze des großen Zehs betätigen. Weiter geht’s. Wir ordnen uns auf der mittleren Spur ein, um besagtes Automobil zu überholen, und dort begegnen wir ihm das erste Mal: dem Mittelspurschleicher, vor einigen Jahren noch eine eher unbekannte Spezies auf deutschen Straßen – heute breitet sich diese Art invasiv aus. Er kennt kein Rechts, er kennt kein Links. Er fährt nur in der Mitte, komme, was wolle, und das am besten mit glatten 110 km/h. Da kann neben ihm die rechte Spur über Kilometer frei sein, er wird sie nicht nutzen. Das Problem dieses Fahrverhaltens ist nicht etwa die Geschwindigkeit, es ist die Unaufmerksamkeit und Bequemlichkeit dieser Autofahrenden, die alle umliegenden Verkehrsteilnehmenden in Gefahr bringt. Das mag ihnen gar nicht bewusst sein – ich bin mir sogar sicher, dass sie selbst glauben, es sei vorbildlich, denn je weniger Bewegung und Geschwindigkeit sie ins Fahren bringen, desto sicherer müssen sie sich fühlen.


Doch tatsächlich führt der Mittelspurschleicher zur folgenden Situation: Ein heranfahrendes Fahrzeug, das zuvor die freie rechte Spur nutzte und mit höherem Tempo unterwegs ist, ist nun gezwungen, nicht nur eine Spur zu wechseln, sondern gleich zwei. Denn rechts überholen gilt als Straftat. Da sind wir also – Blinker setzen, auf die mittlere Spur auffahren und, da der Mittelspurschleicher auch seine Spiegel links, rechts und in der Mitte gekonnt zu ignorieren weiß, werden wir ausgebremst, statt weiter beschleunigen zu können. Nun heißt es direkt auf die linke Spur ziehen – das mag einfach klingen, da deutsche Autobahnen in der Regel aber nicht aus zwei Autos bestehen, fügen sich in das Bild mindestens 25 umliegende PKWs ein. Eine Handvoll von ihnen fährt mit ordentlich Tempo auf der linken Spur, und wer nun aufmerksam Auto fährt, weiß: Es bleiben nur zwei Optionen – wie ein Irrer auf die linke Spur ziehen und einen Unfall riskieren oder hinter dem Mittelspurschleicher verharren, dessen rechte Flanke weiterhin komplett frei ist. Hinter ihm bildet sich langsam eine Kolonne, Auto nach Auto wird ausgebremst und weitere Gefahrensituationen entstehen. Übrigens warnen auch ADAC und ACV vor diesem Fahrverhalten.
Nun meine ehrliche Frage an all jene, die sich ertappt fühlen: Verlieren Sie Geld oder Ehre beim Befahren der rechten Spur? Oder wie lässt sich dieses Verhalten erklären, denn sicherer ist es gewiss nicht. Im Gegenteil. Andere Verkehrsteilnehmer werden in Gefahr gebracht, an heißen Sommertagen, in denen die Konzentration sowieso schwächelt, ein Faktor, den man ohne viel Mühe ausradieren könnte. Denn in dem Moment, in dem wir ins Auto steigen, übernehmen wir Verantwortung. Für uns und alle jene, die in einer direkten Reaktionskette zu unserem Fahrverhalten stehen. Also bitte, liebe Mittelspurschleicher, schleicht euch auf die rechte Fahrbahn. Es tut nicht weh, versprochen.

Bildquellen

  • Schleich dich, Mittelspurschleicher!: Foto: Burcu Elmas/pexels