Radikal und unendlich zärtlich: Im Slow Club sind derzeit Werke der Künstlerin Verena Marie Balschus zu entdecken
Erst im vergangenen Jahr hat die Rudolf-Scharpf-Galerie in Ludwigshafen mit ihrer Ausstellung über Vulven für Furore gesorgt – inklusive Diskussion über Warnhinweise am Eingang der Galerie. Im Freiburger Slow Club kann nun die kleine aber liebevoll kuratierte Ausstellung „Wer bin ich, wenn mich niemand sieht?“ der Freiburger Künstlerin Verena Marie Balschus besucht werden, in der die gelernte Kunstpädagogin einen Blick auf den weiblichen oder vielmehr menschlichen Körper wirft. Im Zentrum der Ausstellung steht die Vulva, mal zart als eine Art Mobile von der Decke hängend und vom Licht des Tages umspielt, dann wieder gezeichnet mit harten Linien und dunklen Farben. Fragen nach Identität und Intimität im Spannungsfeld des kulturellen wie öffentlichen Blickes begleiten die Ausstellung.
Zu sehen ist eine Auswahl an Linoldrucken, Collagen und Installationen, die in einen überraschenden Dialog mit der kleinen Orangerie in der oberen Etage des Freiburger Kultclubs treten. Im Mittelpunkt die Vulva als kraftvolles und zugleich widersprüchliches Symbol. Die Vulva, die nur in Form roher Sexualisierung in Erscheinung treten darf. In Pornos und einschlägigen Magazinen ist sie omnipräsent, in unserem Alltag wird höchstens hinter hervorgehaltener Hand über sie gesprochen. Doch was macht das mit uns Menschen? Wie sehr ist unser Blick auf das weibliche Geschlecht von den Wertvorstellung einer hegemonial männlich geprägten Gesellschaft gelenkt? Ist das wirklich nur Sex? Oder sind diese schwungvollen und zarten Linien ein bislang kaum beachteter Ort der Inspiration, der der Kunst, nach dem omnipräsenten Phallus, neue Perspektiven eröffnen könnte? Im Slow Club gelingt es der Künstlerin der Vulva Raum zur Entfaltung zu bieten. Den Besuchenden wird eine Art Vakuum eröffnet – ein wohltuender Moment des Innehaltens, der unseren Blick auf das weibliche Geschlecht lenkt, aber nicht formt.
Zu entdecken ist auch die Werkserie „Silhouetten-Vulven“, mit der die Künstlerin einigen Menschen aus der Region bereits bekannt sein dürfte. In dieser Linoldruck-Serie spürt Balschus den menschlichen Körperformen nach und gestaltet aus realen Silhouetten abstrakte Darstellungen der Vulva. Was dabei entsteht ist eine intime Auseinandersetzung, die die Macht dieses vollkommen Ursprünglichen freilegt. Ins Zentrum ihrer Arbeit stellt Balschus auch die Wertschätzung gegenüber ihren Modellen. So übergibt sie die Silhouetten als Geschenk zurück an die Person hinter diesen sanft geschwungenen Linien. Radikal, uneigennützig und unendlich zärtlich – eine sehenswerte Ausstellung, die auch ohne pinke Wand ein Statement wäre.
Wer bin ich, wenn mich niemand sieht? Verena Marie Balschus. Slow Club, Haslacher Str. 25, Freiburg. Bis 9.5.25 mit Finissage um 20:30 Uhr.
Bildquellen
- Wer bin ich, wenn mich niemand sieht?: © Verena Marie Balschus
- Verena Marie Balschus: „ich auf ‚Untenrum‘“, 2024 “: Foto: Adina Asbeck