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Hi Freiburg, kannst du auch (noch) Haltung?: Nach der Schließung des White Rabbit und des Café Movie geht es jetzt dem Eimer an den Kragen. Ein Kommentar.

Ganz ruhig. Bevor die ersten Gesichter rot anlaufen: Der vorliegende Text ist die Beobachtung eines Freiburger Bobbele, geboren und aufgewachsen in der Stadt an der Dreisam. Von langen und alkoholgeschwängerten Nächten in den Stühlinger Kneipen, über stundenlanges Tanzen in den (damals noch existenten) Clubs der Innenstadt bis hin zur Plattenbauromantik in Weingarten und Hauspartys einsamer Millionärskids auf der Eichhalde – Freiburg war früher irgendwie immer ein Gesamtpaket. Vielfalt, würde man das heute nennen. Ich nenne es mal vorsichtig eine gesunde Gesellschaft, in der auch der individuellste Mikrokosmos irgendwo seinen Platz gefunden hat – auch oder vielleicht gerade weil es nicht nur darum ging, Kapital zu erwirtschaften oder sich als Inhaber:in eines hippen Popupstores oder Special-Coffee-Shop auf Instagram präsentieren zu können. Wo man Bars und Läden noch (Achtung, nicht erschrecken) aus Idealismus eröffnet hat.
Trotz unserer Größe, konnte man mit Hippies grüne Zigaretten paffen, die Alkoholschränke der Bonzen plündern und mit Universitätsveteranen beim Dartspielen über Sinn und Unsinn des Lebens philosophieren, während sich andere in Abrisshäusern zu dunklen Beats bewegten. Klar, das kann man heute vereinzelt immer noch, doch damals fand all das inmitten Freiburgs statt.
Ganze Züge an Jugendlichen und Studierenden sind durch die Straßen gezogen, haben sich vor Bars und Clubs gedrängt und als das letzte Bier ausgeschenkt wurde, zog man eben weiter. Ein summender und wirbelnder Haufen junger Menschen, die sich in dieser einen kurzen Lebensphase befanden, wo Steuererklärungen, 9 to 5 und Investments in ETFs für sichere Rentenversprechen wirklich überhaupt keine Rolle gespielt haben.
Und heute? Heute sehen wir dabei zu, wie Stück für Stück jene Orte schließen müssen, an denen der Mensch einfach Mensch sein durfte. An denen es nicht nur ums Kapital ging. Wo man Bier trinken konnte, ohne danach ins Dispo zu gehen. Wo man mit einem Zehner in der Tasche zumindest einen lustigen Abend verbringen konnte. Aber sind diese Orte überhaupt noch erwünscht? Oder strebt Freiburg heute ein Wirtschafts- und Tourismusimage an, bei dem selbst unabhängige Kunstformate auf einmal zum Cheerleader der Tourismusbranche werden – gesponsert, versteht sich ja von selbst. Warum auch unabhängig bleiben? So ist das Leben eben viel bequemer, und wer stört sich überhaupt noch daran, dass Orte der (Sub)Kultur wie das White Rabbit, kürzlich das Café Movie und nun auch noch der Eimer scheinbar systematisch verdrängt werden? Offensichtlich niemand, denn bis auf ein paar spröde Statements von Gemeinderatsmitgliedern, bei denen man das Gefühl hat, es ginge bereits um Stimmenfang kommender Wahlen, bleibt es im Freiburger Rathaus und unseren Straßen ruhig. Muxmäuschenstill – wie der Augustinerplatz, an dem die Säule der Toleranz viel mehr ein Mahnmal der Intoleranz ist und, rückblickend, eine neue Ära in Freiburg einläutete. Eine Ära, in der Studierende an warmen Sommerabenden von der Polizei aus der Innenstadt verscheucht werden. Denn wer könnte schon damit rechnen, dass man als Bewohner:in des Zentrums einer Studentenstadt nachts Menschen hört. Also Freiburg, kannst du auch (noch) Haltung?

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  • Hi Freiburg, kannst du auch (noch) Haltung?: Nach der Schließung des White Rabbit und des Café Movie geht es jetzt dem Eimer an den Kragen. Ein Kommentar zum Verlust zahlreicher (sub)kultureller Orte in Freiburg: Foto: pexels/Paolo Sbalzer