Die Ausstellung „Fluid Bodies“ in der Galerie für Gegenwartskunst im E-Werk

Wie leicht Tusche und Öl auf Nylonstoff ineinanderfließen. Schlieren von Blau, Rot und Grau, mal glänzend, mal matt ziehen sich über den Bildgrund als bestände dieser aus Gazeschichten. In den Bildern von Natascha Schmitten ist alles Dynamik und Geste, aber jede Bewegung von großer Zartheit. Dass ihre Arbeiten, die in der Galerie I im Freiburger E-Werk zu sehen sind, so etwas wie eine Programmatik für „Fluid Bodies“ bilden könnten, überrascht erst einmal. Denn fast beliebig wirkt die Verbindung ihrer Malerei zu den inszenierten und in Form gebrachten, überwiegend weiblichen Körpern in der Galerie für Gegenwartskunst. Doch Schmitten greift auf Details von Bildern Alter Meister zurück. Selbst das, was den Eindruck von Schwerelosigkeit hinterlässt, hat seinen Ursprung im Körperlichen.

Jack Elwes: „Zizi“
Foto: Courtesy of the Artist

„Fluid Bodies“ meint nicht allein ein Verflüssigen von Körperbildern und Identitäten, der Ausstellungstitel benennt auch einen Zustand, der ungewiss ist und veränderlich. Die Arbeiten von „Fluid Bodies“ zeigen unwillentlich, wie groß die Trägheit der Körper ist. Statt Verflüssigungen sieht man viele Posen und Zeichen. Denise Blickhan überblendet Bildbearbeitungsprogramme über ihr Gesicht und die von JJ Levine porträtierten Mitglieder der queeren Community tragen sprechende Tattoos auf ihren Körpern. Und selbst den Oberteilen von Nicole Bachmanns Tänzerinnen der Performance „or what is“ sind Schriftzüge aufgedruckt. In der Bildhauerhalle führen die drei Frauen kleine Bewegungen aus, lassen Luft ab, zucken und sprechen Sätze, die den Körper thematisieren. Ziemlich sportlich sehen diese Bodenfiguren oder das Hangeln an der Wand aus. Mehr und mehr durchdringen sich Tanz und Sprache und münden in eine Bewegungs-Text-Kakophonie von geradezu dadaistischem Witz. Wenn JJ Levine in seiner Fotoserie Freunde und Bekannte auf Sofas und zwischen Zimmerpflanzen porträtiert und damit bürgerliche heterosexuelle Posen übernimmt, hat diese Statik etwas von Selbstbehauptung. Man sieht aber auch, politischer Aktivismus ist mitunter kein Spaß.
Doch der Puls dieser Ausstellung schlägt ja überhaupt in den beiden Performances. In der Galerie II sind zwei unterschiedlich große transparente Kuben durch eine Art Catwalk miteinander verbunden, eingebettet sind sie in einen Raum sich überlagernder Videos, die die Performerin Denise Blickhan selbst zeigen oder Animationen, die an Vorgänge unseres Organismus erinnern. Blickhans „Medusa Zyklus“ ist selbst eine Art Fluid Body unter den Werken dieser Ausstellung. Die Nähe zum Pop ist offensichtlich, ihre Performance lässt sich auch als Konzert hören. Doch die Künstlerin verkörpert auch eine zeitgenössische Attitüdendarstellerin, die ganz selbstverständlich die Referenz an die Antike damit verbindet, wie heute Bilder generiert werden. So arbeitet sie mit Instagramfiltern, Stimmenverzerrern und einer Fetischgarderobe mitsamt Plexiglas-Highheels mit Lichteffekt. Denise Blickhan dürfte die einschlägigen Studien kennen, die untersucht haben, wie sehr soziale Medien traditionelle Frauenbilder befördern. Und so ist zwischen Kindfrau und Domina alles dabei. Das ist in seiner Unentschiedenheit von faszinierender Ambivalenz. Die Technik jedoch produziert nicht nur neue Bilder, sondern auch so manchen Leerlauf in der gut einstündigen Performance. Da fehlt es ein bisschen an der Dramaturgie.
„Fluid Bodies“ jedenfalls scheut weder das Spektakel noch ein politisches Bekenntnis zu Vielfalt. Und ganz nebenbei formuliert es das Selbstverständnis eines spartenübergreifenden Hauses.

Fluid Bodies. E-Werk, Eschholzstr. 77, Freiburg. Do/Fr 17-20 Uhr, Sa 14-20 Uhr, So 14-18 Uhr. Bis 1. November 2020. Performance Denise Blickhan: 30./31. Oktober 18 Uhr, 1. November 17 Uhr.