Der Kunstraum Alexander Bürkle widmet der Freiburger Künstlerin Annette Merkenthaler eine Einzelschau

Lauscher aus dem Gras

Es ist ein gängiges Modell der Natur einen Drang zur Vervollkommnung zuzuschreiben. Man erinnere sich nur an all die Pyramiden und Kronen der Schöpfung. Auch in Annette Merkenthalers Installation „Schichten“, die sie eigens für ihre Einzelausstellung im Kunstraum Alexander Bürkle „Stand heute“ geschaffen hat, gibt es diesen Zug nach oben.

Fast zwölf Meter erhebt sich diese Rampe, um in einer Fotografie eines Teiches auf hellblauer Wandfarbe zu enden. Doch wie das Leben auf dieser Fläche organisiert ist, entzieht sich einer derart stringenten Logik. In Gruppen bevölkern kleine Kegel oder purpurfarbene Bögen die Fotos. Manchmal sieht das aus wie überdimensionierte Nacktschnecken, dann wie Panzer von Krebsen und die Miesmuschelschalen – wie die anderen Objekte sind auch sie aus Keramik – kennt man schon aus einem der anderen Räume als Hasenohren, die als Lauscher aus dem Gras wachsen. Oder vielleicht war alles doch ganz anders.

„Schichten“ ist wie eine Assemblage aus früheren Arbeiten; vielleicht nicht das stärkste Werk der Freiburger Künstlerin in dieser Ausstellung, doch insofern die Installation ausdrücklich eine Methode Merkenthalers benennt, die viele ihre Arbeitsprozesse bestimmt, ist es durchaus bemerkenswert. Die Fotos, die auf Lastwagenplane geprintet sind, stammen aus Freiburg oder von Reisen der Künstlerin, die sie Anfang der 2000er Jahre machte.

Auch in ihnen kommt das Konzept der Überlagerung oder Schichtung zu tragen, das oft surreale Seherlebnisse erzeugt. Viele der Fotos setzt Annette Merkenthaler der Natur und der Witterung aus oder konfrontiert die Motive der Originalsituation. „Stand heute“ klingt nur vermeintlich nüchtern, als Gärtnerin weiß Annette Merkenthaler um das Vorläufige jedes Resümees. Und natürlichen Wachstums- oder Verfallsprozessen setzt sie ihr Material oft aus. Sei es, dass sie Ton über einen Wirsing oder einen Kürbis formt, Fotos macht und später das Gemüse aus dem Gefäß löst, das wiederum seine Spuren im Ton hinterlassen hat. Fotografieren hat dann kaum etwas Technisches, es ist auch nur ein chemischer Prozess, der mit Licht zeichnet.

„Stand heute“ ist eine Rückschau der 1944 geborenen Künstlerin, die bis in die 90er Jahre reicht. In einer Institution, die selten Einzelschauen zeigt, ist dies eine Würdigung. Und dieses besondere Verhältnis zwischen dem Sammler Paul Ege, dem Kunstraum Alexander Bürkle und Annette Merkenthaler zeigt sich auch darin, dass auf dem Areal eine Arbeit von ihr dauerhaft installiert ist. „Stand heute“ ließe sich aber auch auf die Fotografien aus unterschiedlichen Jahren beziehen, mit denen die Ausstellung einsetzt. Es sind Aufnahmen aus ihrer Küche oder ihrem Atelier. Manchmal lassen die aufeinander stoßenden Flächen ein besonderes Farbgefühl erkennen oder die Freude an einem besonders schön gewebten Textil, dann wieder ist es ein Stillleben mit einem gelben Salzstreuer.

Das Festhalten ist eine wichtige Geste dieser Ausstellung. Sie wiederholt sich in Fotos von Baustellen, bei denen etwa eine Grube mit Beton ausgegossen wird. Ganz ohne den Eingriff des Menschen ist die Natur nicht zu haben. Es wäre auch eine Illusion. So versammelt Annette Merkenthaler mehrere Keramik- und Betonobjekte aus 30 Jahren auf einem Sockel, die ebenso die Zeit anhalten wie die unspektakulären Einblicke in ihren Garten, die mit Efeu bewachsene Wand, der Schatten auf dem Kiesboden. In „Stand heute“ gelingt es der Künstlerin exemplarisch, aus den verschiedenen Ansichten, den Aufnahmen und Abdrücken etwas werden zu lassen, das Natur und Kunst miteinander vereint.

Was: Annette Merkenthaler: Stand heute
Wann: bis 30. Juni 2019. Di-Fr+So, 11 – 17 Uhr
Wo: Kunstraum Alexander Bürkle, Robert-Bunsen-Str. 5, 79108 Freiburg
Web: www.kunstraum-alexander-buerkle.de

Bildquellen

  • kultur_joker_kunst_annette_merkenthaler_viele_fische_galerie_g_dr_gudrun_selz,: Courtesy Galerie G -Dr. Gudrun Selz