Das Haus der Graphischen Sammlung stellt den Zeichner Johann Baptist Kirner vor

Johann Baptist Kirner: „Pifferari mit Zuhörern vor einem Gebäude mit Marienbild“, 1834 Foto: Axel Killian, Augustinermuseum – Städtische Museen Freiburg

Wenn es eine Beweisführung bräuchte, die die Bedeutung der Zeichnung nachweist, die aktuelle Ausstellung im Haus der Graphischen Sammlung des Augustinermuseums bringt ihn. „Johann Baptist Kirner, Der Blick des Zeichners“ ist so etwas wie eine Preview und Vorbereitung auf die größere Schau im Augustinermuseum, aber eben doch auch mehr. Denn vieles – gerade in der Genremalerei – geht darauf zurück, dass Kunstschaffende einen Augenblick für wert hielten, festgehalten zu werden. Johann Baptist Kirners Blick ist durch das Kopieren in Museen und nach Reproduktionen geschult. Im Haus der Graphischen Sammlung sieht man Zeichnungen nach Peter von Cornelius, der in München sein Lehrer war, nach Raphael und auch Szenen des Jüngsten Gerichts von Michelangelo. Kirner dürfte dabei einen Blick für die Proportionen, vor allem aber für Kompositionen entwickelt haben.
Geboren wurde Johann Baptist Kirner in Furtwangen 1806 als Sohn eines Schuhmachers, sein künstlerisches Talent blieb nicht verborgen, er machte eine Ausbildung zum Kutschenmaler und Lackierer in Freiburg und Villingen. Mit Unterstützung seines älteren Bruder, der Porträtmaler war, ging er mit gerade einmal 16 Jahren nach Augsburg zum Studium. Zwei Jahre später schrieb er sich in München ein, um Historienmaler zu werden. Dann, 1831, hat er das Glück, vom Großherzog Leopold von Baden ein Stipendium für Italien zu bekommen. In Rom teilt er sich mit Franz Xaver Winterhalter Atelier und Wohnung, die beiden werden auch Reisekumpanen und erkunden das Umland von Rom. Acht Jahre bleibt er in Italien und kehrt 1839 nach München zurück, wird im Anschluss Hofmaler in Karlsruhe. Doch Kirner war es wohl zu eng im Badischen, mit Erlaubnis des Karlsruher Hofs finden wir ihn ab 1844 wieder in München, wo auch Carl Spitzweg und Moritz von Schwind leben, mit denen er im Austausch steht. Erst kurz vor seinem Tod 1866 kehrt er nach Furtwangen zurück.
In Deutschland bereits entdeckt er das Land und die bäuerliche Bevölkerung als Sujet. Später in Italien, wo ein Großteil des Lebens draußen stattfindet, werden die Genreszenen zum Sinnbild der Sehnsucht nach einem freieren Leben. Es ist ein ungebrochener Exotizismus, den wir hier sehen. Dabei war Kirner nicht einmal ein unpolitischer Mensch. 1849 malt er einen Freischärler der 1848er-Revolution, der sich mit zwei Ordonanzen berät, über das Pittoreske des Heckerhutes und des gesamten Auftritts der drei Männer hinaus, war dies durchaus ein Statement. Im Haus der Graphischen Sammlung ist Kirner lediglich als Zeitzeuge der beginnenden Industrialisierung zu entdecken. So sind mehrere Darstellungen der Eisenbahn ausgestellt, auch nachts und dieses Nachtstück lässt etwas von der Ambivalenz erahnen, mit der der Fortschritt um 1850 wahrgenommen wurde.
Was die Ausstellung interessant macht, ist – über den regionalen Bezug hinaus – der Einblick in den Schaffensprozess, den sie gibt. Sie öffnet Kirners Skizzenbücher, in denen sich bayerische Bauern finden und später Szenen, die er während seines Italienaufenthaltes macht. Dabei isoliert er oft Figuren, Objekte wie Vasen oder Posen und beschäftigt sich mit Formproblemen bis er für ihn annehmbare Lösungen gefunden hat. Viele dieser Skizzen übernimmt er in seine Ölstudien oder Bilder. Vor allem jedoch erweist sich Kirner als ein sehr pragmatischer Künstler. Mittels eines Rasters vergrößert er die Figuren für repräsentativere Arbeiten. Und wer sich schon immer bei der Genremalerei darüber gewundert hat, warum Figurengruppen oft so unmotiviert beieinander stehen, versteht hier den Grund. Sie sind wie Versatzstücke zusammengesetzt. Das zeigt sich etwa bei dem 1834 entstandenen Aquarell „Pfifferari mit Zuhörern vor einem Gebäude mit Marienbild“: die beiden Musiker, die Zuhörer, von denen sich einer die Ohren zuhält, das Haus sind einfach sehr pittoresk.

Johann Baptist Kirner, Der Blick des Zeichners. Haus der Graphischen Sammlung im Augustinermuseum, Salzstr. 32, Freiburg. Dienstag bis Sonntag 10-17 Uhr, Freitag 10-19 Uhr. Bis 30. Januar 2022.

Bildquellen

  • Johann Baptist Kirner: „Pifferari mit Zuhörern vor einem Gebäude mit Marienbild“, 1834: Foto: Axel Killian, Augustinermuseum - Städtische Museen Freiburg