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Wind durch die Boulevards unserer Gesellschaft blasen: Im Gespräch mit der Greenwashing gGmbH, ein Aktionskollektiv, das im Januar erstmals in der Freiburger Innenstadt für Aufsehen sorgte

Aktivist:innen des Aktionskollektivs „greenwashing gGmbH“ haben im Januar City-Light-Vitrinen in der Freiburger Innenstadt mit eigenen Plakaten gekapert, die die Rodung des Dietenbachwaldes durch die Stadt Freiburg scharf kritisieren. Das sogenannte Adbusting, u.a. auch durch das Kollektiv „Dies Irae“ betrieben, begreift sich als satirische Kunstaktion. Elisabeth Jockers befragte die Akteur:innen.

Kultur Joker: Eure erste öffentliche Aktion widmet sich dem Dietenbachwald oder vielmehr der Rodung durch die Stadt Freiburg. War Dietenbach Anlass zur Gründung des Kollektivs?

Greenwashing gGmbH: In gewisser Weise war das tatsächlich der Anlass. Natürlich machte die Künstler:innen unseres Kollektivs das allgegenwärtige Greenwashing auch schon vor dem Dietenbachprojekt wütend. Jenes war dann aber doch in seiner Dimension eine Zäsur und hat uns motiviert mit dieser Kunstaktion in die Straßen zu gehen.

Kultur Joker: Die Greenwashing gGmbH versteht sich als Aktionskollektiv. Wer macht bei euch mit?

Greenwashing gGmbH: Wir sind ein Zusammenschluss von kunstbegeisterten Menschen, die gegen die irreführende Kommunikation der Klimakrise mit ihrer Kunst antreten wollen.

Kultur Joker: Was bedeutet für euch Greenwashing? Ist es nicht auch das zwangsläufige Resultat einer kapitalistischen Gesellschaftstruktur in Zeiten der Klimakatastrophe?

Greenwashing gGmbH: Da würden wir Ihnen wahrscheinlich Recht geben. Sei Greenwashing mal definiert als das Ausgeben einer Handlung als grün, während sie das tatsächlich nicht ist. Weiter verstehen wir eine grüne Handlung mindestens als eine eine:r Akteur:in mit hinreichendem – also strukturellem beziehungsweise in besonderem Maße diskursivem – Einfluss auf das Weltgeschehen hinsichtlich der Verträglichkeit der Menschen mit ihrer Umwelt, der diesbezüglich nicht destruktiv ist. Darüber hinaus meint dazu analog eine konstruktive Handlung eine solche, die bereits entstehenden Schaden „bremst“ bzw. bereits angerichteten Schaden tatsächlich versucht, soweit es geht rückgängig zu machen.
Grün können wir also in Anbetracht der Klimakrise v.a. jene Handlungen nennen, die oben genannte Bedingungen erfüllen und auf die Beendigung bzw. Reduktion von CO2-Emissionen zielen. Um eine einigermaßen mit der menschlichen Zivilisation verträgliche Weltsituation noch zu ermöglichen, müsste die Weltgemeinschaft jetzt ganz scharf vom aktuellen 3,1°-Celsius-Erwärmung-Pfad nach unten abbiegen. Für Deutschland würde das beispielsweise bedeuten, dass es bis spätestens 2030 aus den fossilen Energien aussteigen müsste. Nehmen wir spaßeshalber den Mythos der Möglichkeit des grünen Wachstums an. Auch damit würde eine auf Wachstum angewiesene kapitalistische Gesellschaft nicht in der notwendigen Zeitspanne genügend Energie für eine wachsende Volkswirtschaft aufbringen können. Insofern ist die Behauptung, in einer kapitalistischen Gesellschaft das Klima beziehungsweise die Menschheit schützen zu können, und auf dieser aufbauende Klimaschutzpläne schon Greenwashing. Und ja, somit muss man quasi Greenwashing betreiben, wenn man derzeit in Einklang mit einem kapitalistischen System Klimaschutz betreiben möchte.

Kultur Joker: Wie können wir dem entgegenwirken?

Greenwashing gGmbH: Durch radikale faktenbasierte Kommunikation und Einordnung der Krise, die viele Menschen erreicht und gleichzeitig Raum bietet für die Vorstellung von Vorteilen für die akute Lebenssituation der Menschen, die der Klimaschutz bietet. Raum für ein Innehalten in Anbetracht der Krise und eine Reflektion über gesellschaftliche Strukturen, was beispielsweise eine Neudefinition von Wohlstand durch eine auf Solidarität und Gemeinschaft ausgerichtete Gesellschaft o.ä. samt der guten alten Forderung nach dem guten Leben für alle bedeuten könnte. Das ganze in der Hoffnung, dass Klimaschutz Menschen überzeugt und diese Überzeugung den nötigen Druck in Form von Wahlentscheidungen und insbesondere aber widerständigem Protest für einen solchen Klimaschutz auslöst. Dies provoziert natürlich eine Medienkritik, die insbesondere Leitmedien in den Fokus nimmt und diese beschuldigt sich zu „Komplizen des Irrationalen“ zu machen, wie Carolin Emcke schreibt, wenn sie die Klimakrise nicht klar auf Basis wissenschaftlicher Fakten kommunizieren.

Kultur Joker: Welchen Beitrag können Künstler:innen im Kampf gegen die Klimakatastrophe leisten?

Greenwashing gGmbH: Auch wenn wir in der vorherigen Antwort ein Szenario skizziert haben, das Klimaschutz realisieren könnte, müssen wir gestehen, dass die Hoffnung brach liegt. Man kann die Klimabewegung in ihrem Versuch auf bundesgesetzlicher Ebene effektiv etwas zu erreichen, durchaus als gescheitert ansehen. Viele Kampagnen sind erfolglos eingeschlafen. Es herrscht momentan eher die Auffassung, man müsse sich auf den Klimakollaps einstellen und versuchen, dafür solidarische Strukturen in unsere Gesellschaft einzunähen. Nichtsdestotrotz bleibt natürlich die Hoffnung, dass sich der Stimmungswind auf der Welt dreht und Menschen den Druck verspüren auf die Straße zu gehen. Insofern können Kunstaktionen, die Themen für Menschen auch auf der emotionalen Ebene zugänglich machen, als Blasebalge für jenen Stimmungswind fungieren. Und der Wind wird sich natürlich umso schneller drehen, desto kräftiger er durch die breiten Boulevards dieser Gesellschaft bläst.

Kultur Joker: Sind weitere Aktionen geplant?

Greenwashing gGmbH: Um weitere Aktionen werden unsere Künstler:innen wohl in Anbetracht der Masse an Greenwashing-Kampagnen kaum herumkommen. Manches Wahlprogramm lässt sich ja als solches lesen. Andererseits zeigen sich auch Tendenzen, dass Menschen wie Friedrich Merz, Christian Lindner oder von ganz rechts außen sich nicht mal mehr greenwashen wollen, sondern offen zu ihrer Ignoranz für eine lebenswerte Zukunft stehen.

Kultur Joker: Vielen Dank für die Ausführungen.

Bildquellen

  • Neues Künstler:innenkollektiv kapert Freiburger Werbevitrinen: Die „greenwashing gGmbH“ kritisiert Freiburgs Handeln in Dietenbach: Foto: "greenwashing gGmbH"