Weltende am Familientisch: Menschliches, allzu Menschliches in der quasi-apokalyptischen Performance „Fin de Siècle“

Wann ist eigentlich Endzeit? Vielleicht, wenn alles Ruine ist? Wenn niemand mit niemandem mehr auskommt? Wenn nur noch Zerstörung ist? Wenn die Jungen die Alten am Schopfe packen? Wenn die Alten die Jungen erschießen? Wenn Krieg ist? So viele Fragen, sicher ein Kaleidoskop, das in der abendfüllenden Performance „Fin de Siècle“ der zwischen den Bereichen Tanz, Theater und Bildenden Kunst agierenden Compagnie LaPerformance eröffnet wird. (Konzept/Regie: Julie Jaffrennou) Die zu Beginn des Abends noch durch die Saalfenster des E-Werks hell erleuchtete Bühne liegt voller Rohmaterial (Bühne: Bildhauer Clemens Botho Goldbach). Bausteine schichten sich zu einem Hügel, auf dem die neun Figuren des Stücks hausen: Erwachsene, Jugendliche, Kinder. Sie bewegen sich vorsichtig durch den Raum, indem sie unter ihren Füßen Bausteine schichten, so als bestünde der Boden aus Lava. Irgendwann wagt eine Figur den Schritt auf den Boden – und er trägt.
Fortan wird im endzeitlichen Setting an verschiedenen Orten gebaut, einzelne Gruppen bilden sich, spiegeln sich in körperlichen Dialogen. Die großen Auseinandersetzungen finden in der zweiten Hälfte statt, dann, wenn es laut wird, ein junger Erwachsener auf der Gitarre Metal spielt – oder Beethoven. Die Erwachsenen und Kinder springen auseinander, tanzen, spielen, scheinen die Generationsgrenzen überspringen zu wollen und fallen doch in die klassischen Revierkämpfe zurück. Schließlich tragen die Männer Boxhandschuhe und dürfen ihre Hiebe oberkörperfrei proben. Nimmt die Männlichkeit denn je ein Ende?
Gesprochen wird am Weltabend kaum und wenn dann in verschiedenen Sprachen, die eine Art apokalyptisches Babylon suggerieren. Schließlich sitzen doch alle am Familientisch zusammen, der aus dem anfänglichen Baumaterial geschichtet wurde. Alle lachen, spielen mit Luftballons und dann tönt Beethoven, ehe die Lichter erlöschen.
Rettet uns am Ende das Pathos? Der lächerliche und doch rührende menschliche Zusammenhalt? Das „Ritornell der Menschheit“, das Cie LaPerformance in ihrer sorgfältig recherchieren Generationsstudie versucht, ist schrill, zärtlich, stellt eine verdrehte Welt nochmals auf den Kopf – und gibt den Dingen so die passende Perspektive. Der Applaus am Ende schallt für die sprechenden, schreienden Körper des spielfreudigen Ensembles.

Bildquellen

  • Ratlosigkeit am Weltabend: Foto: M. Korbel