Tibet: „Die derzeitige Lage ist dramatisch“

Interview mit Wilfried Pfeffer vom Tibet-Kailash-Haus in Freiburg.
Am 10. März 2009 jährt sich die Besetzung Chinas zum 50. Mal. Das Freiburger Tibet Kailash Haus erinnert an diesem Tag an die Unterdrückung der tibetischen Kultur. Annette Hoffmann sprach mit dessen Leiter, dem Tibetaktivisten Wilfried Pfeffer.

Kultur Joker: Warum braucht der 50. Jahrestag der Besetzung Tibets durch China unsere Aufmerksamkeit?

Wilfried Pfeffer: Die internationale Weltöffentlichkeit der vergangenen Jahrzehnte hat es ab und an geschafft, die fast vergessenen Tibeter zu unterstützen. Es ist nur durch die Unterstützung vieler Privatpersonen möglich, dass die Unterdrückung Tibets durch China eine Aufmerksamkeit bekommt.

Kultur Joker: Was ist das Ziel Ihres Engagements, die Aufhebung der Besetzung oder die Wiederherstellung der Menschenrechte?

Pfeffer: Wir sind in den letzten 30 Jahren bescheiden geworden. Vor 20 Jahren wollten wir Tibetaktivisten noch die absolute Freiheit von Tibet als Volk und politische Nation. Durch das Wachstum Chinas und seine Bedeutung als Wirtschaftskraft ist dies aussichtslos geworden. Es hat uns überrascht, dass der 14. Dalai Lama schon vor 20 Jahren vom mittleren Weg gesprochen hat, er meint damit eine innere Autonomie Tibets eingebunden in das Reich Chinas. Die Sicherheitspolitik, aber auch die Außen- und Wirtschaftspolitik würde dann in den Händen der Chinesen bleiben. Wir konnten das damals noch nicht akzeptieren. Alles deutet darauf hin, dass dies der einzige pragmatische Weg für die Tibeter ist, überhaupt ein menschenwürdiges Leben zu erreichen.

Kultur Joker: Im Vorfeld der Olympiade in Peking kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen in Tibet. Wie sieht die derzeitige Lage aus?

Pfeffer: Die derzeitige Lage ist dramatisch. In den letzten 20 Jahren war Tibet nie ein derartiges Gefängnis wie im Moment. Über 10.000 Menschen sind inhaftiert, einige Tausend ermordet oder an unbekannte Orte verschleppt. Die Angehörigen von Hunderten Tibetern wissen seit Wochen nicht, wo ihre Verwandten sind. Im Moment wird hart durchgegriffen. Gleichzeitig ist zu befürchten, dass zum 10. März Unruhen ausbrechen werden, da der Wille zur Opposition unter den Tibetern groß ist.

Kultur Joker: Ist die Politik der Gewaltfreiheit des 14. Dalai Lamas gescheitert?

Pfeffer: Nein, Ende November hat der 14. Dalai Lama ein Referendum beantragt, an dem sich 600 Delegierte der Exilregierung in Dharamsala und 20.000 Stimmen aus China beteiligten. 80 Prozent davon unterstützen den mittleren Weg des Dalai Lama.

Kultur Joker: Wird es einen 15. Dalai Lama geben?

Pfeffer: Es wird bestimmt einen 15. geben. Aber ob er noch eine politische Position einnehmen wird, ist nicht sicher. Es kann sein, dass der 15. Dalai Lama nur noch das kulturelle, nicht aber das politische Mandat tragen wird.

Kultur Joker: Warum konzentriert sich das westliche Engagement derart auf Tibet und nicht auf andere bedrohte Völker?

Pfeffer: Das Tibetthema mit dem mutigen ethischen Ansatz, Gewaltfreiheit politisch und nicht nur als gesellschaftlich-ethisches Ziel anzustreben, überzeugt viele. Es ist dem Dalai Lama mitsamt den fünf Millionen Tibeterinnen und Tibetern in den letzten 30 Jahren gelungen, mehr die Freiheit von der Gewalt als die Gewalt selbst zu praktizieren.

Am 10. März veranstaltet das Tibet Kailash Haus von 12 bis 18 Uhr eine Mahnwache am Bertoldsbrunnen. Zwischen 11 und 17 Uhr wird ein Tibet-Filmtag im Tibet Kailash Haus (Wallstraße 8) veranstaltet.

Tibet – Mythos und Realität
Diavortrag im Glashaus in Freiburg/Rieselfeld

„Tibet – Mythos und Realität“ ist ein Diavortrag betitelt, der am 15. März um 19 Uhr, im Glashaus im Stadtteil Rieselfeld im Rahmen eines Tibet-Tages (11-21 Uhr) gezeigt wird. 4 Jahre reiste Ashi Hunger life von ihren Erlebnissen in Tibet. Sie möchte nicht nur umfassend informieren, sondern auch Verständnis und Mitgefühl wecken für die Würde und Menschenrechte einer der letzten tief religiösen Kulturen der Erde.

Angesprochen werden auch die Umweltsünden auf dem Dach der Welt, die Sinisierung durch die Chinesen, das Erbe der Kulturrevolution und die Lage der Menschenrechte, die Flucht von Mönchen und Kindern über den Himalaya ins indische Exil und die Situation nach der Olympiade.

Infos: www.asien1.de oder Tel. 0761/1375397.

2 Gedanken zu „Tibet: „Die derzeitige Lage ist dramatisch“

  • 11. März 2009 um 16:26 Uhr
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    Dem 14. Dalai Lama blieb seinerzeit überhaupt nichts anderes übrig, als eine „Politik der Gewaltfreiheit“ zu beschreiten. Alles andere wäre mehr als unsinnig gewesen. Hätte er China gewaltsam davon überzeugen sollen, dass Tibet doch bitteschön autonom bleiben möchte? Ameise gegen Elefant? Die Zukunft Tibets sieht in der Tat mehr als düster aus. China lässt Tibet einfach „ausbluten“. Der Dalai Lama wird 74 Jahre alt. China baut darauf, dass der 14. Dalai Lama bald das Zeitliche segnen wird und ein neuer Dalai Lama auserkoren wird. Dieser dürfte dann mit hoher Wahrscheinlichkeit von „chinesischen Spähern“ ausfindig gemacht werden. Die Tibeter werden zeitgleich ebenso einen Dalai Lama suchen und auch finden. Es wird dann zwei geben – einen von den Tibetern anerkannten und einen von den Chinesen anerkannten.

    Aus wirtschaftlichen Gründen steht die Welt bereits heute auf der Seite Chinas – getreu dem Motto: Geld regiert die Welt – und mit China lässt sich eine Menge Umsatz generieren.

    Von Zeit zu Zeit werden heute und auch künftig, international und in schöner Regelmäßigkeit, mahnend Zeigefinger gen China erhoben, für die das Land des Lächelns allenfalls ein müdes Lächeln übrig hat und weiterhin haben wird…

    Dr. Satori
    Pseudolus

  • 14. November 2016 um 20:47 Uhr
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    Ich habe mich heute entschieden beim Tibet Kailash Haus vorbeizuschauen. Zuerst habe ich die Gebetsmühlen gedreht, ich habe genau 7 Runden gemacht. Danach habe ich auf den Buddha der Friedens-Stupa meditiert. Dann bin ich in das Haus gegangen und habe den Rundbrief mitgenohmen. Sehr spannend. Darin war auch etwas beigelegt und ich habe mich entschieden eine Patenschaft für ein Kind in Tibet zu übernehmen. Wie es so wunderschön in dem Flyer hiess, es ist eine segensreiche Verbindung. Davon bin ich überzeugt und dasselbe habe ich in mir gespürt. Ich habe es also noch heute Abend an das Kailash Haus abgeschickt. Ich widme diese Patenschaft auch Edmund Hillary, dem Erstbesteiger des Mt Everest, der in Tibet dann auch eine Schule gegründet hat.

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