„Tag der Arbeit“: Der historische Kampf der Arbeiter:innen

Im Zentrum politischer Demonstrationen und Kundgebungen am 1. Mai stehen die Forderungen der Arbeitnehmer:innen, welche seit vielen Jahren branchenübergreifend sind. Bindende Tarifverträge, mehr Urlaub sowie höhere Löhne werden seit Jahren diskutiert.
Doch hinter dem heutigen Feiertag steckt eine Jahrhunderte alte Historie, die den Kampf der Arbeiter:innen während der Industrialisierung, in der Weimarer Republik, im dritten Reich und schließlich auch nach der Wende widerspiegelt.

Seinen Ursprung findet der Tag der Arbeit in den USA, wo bis Ende des 19. Jahrhunderts am 1. Mai viele Arbeitsverträge endeten und/oder neu abgeschlossen wurden. So mussten viele an diesem Tag ihre Arbeit verlassen und zum Teil sogar ihren Wohnort wechseln, sodass der 1. Mai auch „Moving Day“ genannt wurde. Erstmals kam es am 1. Mai 1886 in mehreren Städten in den USA zu Demonstrationen, an denen ca. 400.000 Arbeiter:innen teilnahmen und die Forderung nach einem Achtstundentag stellten. Es kam zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, bei einem Protest auf dem Haymarket in Chicago (siehe Abbildung) kamen mehrere Polizist:innen und Demonstrant:innen aufgrund einer Explosion sowie Schüssen ums Leben.

Der Holzschnitt von 1886 war die meistverbreitete Illustration der nordamerikanischen Arbeiterbewegung und zeigt die Ausschreitungen auf dem Haymarket in Chicago. © Everett Collection / Picture Alliance

Drei Jahre später manifestierte sich der 1. Mai als zentraler Aktionstag aller Arbeitnehmer:innen weltweit. 1889 trafen sich zum zweiten Internationalen Arbeiterkongress in Paris sozialistische Gewerkschaften und Parteien aus aller Welt und beschlossen, sich den Plänen des Amerikanischen Arbeiterbundes für eine weltweite Demonstration am 1. Mai 1890 anzuschließen.

Auch in Deutschland fasste die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP, später SPD) den Beschluss, den 1. Mai als Tag der Arbeiterbewegung zu begehen. Zwar rief die Sozialdemokratische Arbeiterpartei nicht zu einem allgemeinen Streik auf, dennoch protestierten am 1. Mai 1890 ca. 100.000 Menschen in Deutschland – als Reaktion folgten zahlreiche Entlassungen. So sollte sich der 1. Mai als Tag der Arbeiterbewegung etablieren, obwohl dieser vor dem dritten Reich nur einmal im Jahre 1919 als offiziell gesetzlicher Feiertag galt. Denn die Arbeiterbewegung zu Zeiten der Weimarer Republik gilt als gespalten, hohe Arbeitslosigkeit durch den weltweiten Konjunkturrückgang trug maßgeblich dazu bei.

Nachdem Hitler die Macht ergriff und am 30. Januar 1933 durch den Reichspräsident Paul von Hindenburg zum deutschen Reichskanzler ernannt wurde, vereinnahmte der Nationalsozialismus die Arbeiterbewegung. 1933 wurde  der 1. Mai zum „Feiertag der nationalen Arbeit“, der als Instrument der Propaganda durch Goebbels reichsweit durch den Rundfunk übertragen wurde. Einen Tag später, am 2. Mai 1933, wurden die Gewerkschaften durch die Sturmabteilung (SA) zerschlagen, unter anderem wurden Gewerkschaftshäuser, Arbeiterbanken und Redaktionen von Gewerkschaftsblättern gestürmt und besetzt. Funktionär:innen der Gewerkschaften wurden in den Jahren darauf verfolgt, in Konzentrationslagern und Gefängnissen inhaftiert und ermordet. Eigentum wurde konfisziert und die Gewerkschaften durch die zentral organisierte und neu gegründete Deutsche Arbeitsfront (DAF) ersetzt, in deren Mittelpunkt das nationalsozialistische Ideal der „Volks- und Leistungsgemeinschaft“ stand.

Durch den Alliierten Kontrollrat wurde nach dem Zweiten Weltkrieg der 1. Mai 1946 als Feiertag bestätigt und sowohl in Ost- als auch Westdeutschland begangen. Am 1. Mai 1990 sollten schließlich erstmals ost- und westdeutsche Gewerkschaften zum gemeinsamen Streik aufrufen. Seitdem finden in ganz Deutschland jedes Jahr zum 1. Mai zahlreiche Demonstrationen und Kundgebungen statt. In diesem Jahr findet der 1. Mai unter dem Motto „Ungebrochen Solidarisch“ statt. Im Mittelpunkt stehen die zahlreichen Krisen unserer Zeit, darunter die Energie- und Klimakrise, Inflation und die damit einhergehenden Existenzsorgen vieler Arbeitnehmer:innen.

Bildquellen

  • Der Holzschnitt von 1886 war die meistverbreitete Illustration der nordamerikanischen Arbeiterbewegung und zeigt die Ausschreitungen auf dem Haymarket in Chicago.: © Everett Collection / Picture Alliance